Medizin:Viele Patienten vertrauen Gesundheitsinfos im Netz

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  • Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung informiert sich etwa die Hälfte der Internetnutzer mindestens einmal im Monat online zu Gesundheitsthemen, 16 Prozent sogar wöchentlich.
  • Die Motive für den Blick ins Netz sind unterschiedlich: Patienten überprüfen die Informationen ihres Arztes, recherchieren zu alternativen Behandlungsmethoden, suchen aber auch Austausch und emotionale Unterstützung.
  • Jeder Zweite ist mit der Qualität der gefundenen Informationen zufrieden. Meist scheuen sich Patienten aber, ihrem Arzt von der Netzrecherche zu erzählen.

Die Hälfte der deutschen Internetnutzer informiert sich mindestens einmal im Monat im Netz über Gesundheitsthemen. 16 Prozent tun dies sogar mindestens einmal pro Woche, wie eine am Freitag veröffentlichte Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. Patienten wollen mit Hilfe von "Dr. Google" vor allem ärztliche Empfehlungen überprüfen und sich über Behandlungsalternativen informieren. Zugleich suchen sie im Netz Trost und den Austausch mit anderen Menschen. Insgesamt haben laut der Studie 46 Prozent aller Menschen, die sich in den vergangen zwölf Monaten zu Gesundheitsthemen informiert haben, dafür das Internet genutzt.

Das Meinungsforschungsinstitut Kantar Emnid befragte im vergangenen Oktober rund 1070 Menschen zwischen 18 und 80 Jahren. Jeder Zweite (52 Prozent), der das Internet bei Gesundheitsfragen nutzt, ist demnach mit dem Ergebnis zufrieden. 44 Prozent sind teilweise zufrieden. Nur drei Prozent geben an, sie seien selten zufrieden mit der Recherche. Besonders häufig suchen die Nutzer vor und nach einem Arztbesuch im Web.

Wenig Konzepte gegen Falschinformationen im Netz

Um Gesundheitsinformationen zu bekommen, nutzen Patienten in erster Linie verschiedene Online-Lexika. Mit einigem Abstand folgen Internetseiten der Krankenkassen und Gesundheitsportale. Deutlich weniger gefragt sind Webseiten unabhängiger Patienten- oder Selbsthilfeorganisationen und medizinische Online-Beratungen wie krebsinformationsdienst.de.

Knapp die Hälfte der Befragten sieht die Webrecherche als gute Ergänzung zu den Aussagen des eigenen Arztes. Zugleich räumen aber fast zwei Drittel ein, vertrauenswürdige Informationen seien schwer zu erkennen. Jeder Zweite meint, dass die Fülle an Gesundheitsinfos im Netz Patienten verunsichere und verwirre.

"Um Patienten vor gezielten Falschinformationen zu schützen, muss im Sinne einer Marktwächterfunktion konsequent dagegen vorgegangen werden", forderte Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung. Bislang gebe es dafür wenig Konzepte und Verantwortlichkeiten.

Die Ärzte selbst stehen der Internetrecherche ihrer Patienten oft skeptisch gegenüber, wie die Studie ebenfalls bestätigt. Nur 20 Prozent der Mediziner ermutigen demnach Patienten zur Informationssuche im Internet - 14 Prozent raten sogar davon ab. Immerhin 40 Prozent verweisen auf gute Informationsquellen.

Patienten sollten ihrem Arzt die gefundenen Informationen nicht verschweigen

"Ärzte müssen lernen, mit Apps umzugehen, und den Patienten sagen, wo sie im Netz verlässliche Informationen finden", sagte Corinna Schaefer von der Bundesärztekammer. Und sie müssten viel stärker nachfragen, was die Patienten von der Behandlung erwarten. Denn diese haben durch das Netz oft schon Vorstellungen - etwa, dass Schmerzen mit einer bestimmten Behandlungsmethode reduziert werden könnten. Ärzte sollten gute Informationsquellen im Netz kennen und empfehlen, fordert die Stiftung.

Viele Patienten scheuen sich aber, ihre eigenen Erkenntnisse zu offenbaren. 30 Prozent verschweigen ihrem Arzt die Internetrecherche. Ein Viertel fürchtet sogar, der Arzt könnte sich darüber ärgern und sie als schwierige Patienten einstufen. "Es ist als Patient wichtig, die im Netz gefundenen Infos auch auf den Tisch zu legen", fordert Schaefer. Denn nur dann könne der Arzt auf die Erwartungen der Patienten eingehen.

Wenn Patienten sich von ihrem Arzt ungenügend informiert oder emotional im Stich gelassen fühlen, kann das Internet dies laut der Studie teilweise kompensieren. Insbesondere nach der Diagnose einer schweren Erkrankung ziehen Patienten das Netz zu Rate und suchen dort Halt und Hilfe, um den Befund zu verarbeiten, wie 36 zusätzliche Tiefeninterviews zeigen. "Das Netz wiegt Defizite der realen Ärzte auf, die sich zu wenig Zeit nehmen (können) oder keine ausreichenden kommunikativen Kompetenzen haben", heißt es in der Studie.

© SZ.de/AFP/dpa/chrb - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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