Medizin:Pharmafirma will Daten aus klinischen Studien herausgeben

Medikamentenhersteller stehen oft in der Kritik, weil sie detaillierte Daten aus klinischen Studien unter Verschluss halten. Nun verspricht ein Konzern, künftig mehr Information herauszugeben. Bringt das den Wandel zum Wohl der Patienten?

Von Katrin Blawat

Die Nachricht war erst wenige Minuten alt, da fiel es den Kommentatoren im Netz bereits schwer, neue Worte der Begeisterung zu finden. "Phantastisch." "Unglaublich." "Ein historischer Moment", staunten mehrere Twitter-Nutzer. Überraschend an dem Jubel war der Auslöser: der britische Pharmakonzern Glaxo Smith Kline (GSK). Wird eine Pharmafirma im Netz derart mit Lob überhäuft, muss sie schon etwas ganz Besonderes geleistet haben.

Im Fall von GSK war es die Ankündigung, künftig weniger geheimniskrämerisch mit eigenen Studien umzugehen. Berichte zu klinischen Studien für bereits zugelassene Arzneien würden öffentlich zugänglich gemacht, teilte der Konzern vor wenigen Tagen mit. Auch unterstütze GSK die im Internet entstandene Kampagne "All trials". Diese fordert, alle klinischen Tests (trials) zu aktuellen Medikamenten zu erfassen und für jeden Menschen vollständig einsehbar zu machen.

Das klingt lobenswert angesichts der traditionellen Weigerung der Pharmaindustrie, unternehmensferne Forscher die eigenen Resultate nachvollziehen zu lassen. Sie könne die Begeisterungsstürme verstehen, sagt Beate Wieseler, Leiterin des Ressorts Arzneimittel am Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (Iqwig), das ebenfalls die All-trial-Petition unterzeichnet hat. "Das ist ein ganz wesentlicher Schritt. Es zeigt, was alles möglich ist. Andere Unternehmen werden begründen müssen, warum sie weniger transparent sind."

Die Daten von tausend Patienten passen nicht auf wenige Seiten

Tatsächlich könnte die neue Politik dazu beitragen, ein großes Problem der Medizin zu lösen. Patienten vertrauen schließlich darauf, dass Ärzte die am besten geeignete Therapie empfehlen. Doch worauf verlassen sich Ärzte? Vielleicht auf die Behandlungsleitlinien ihrer Disziplin, vielleicht auch auf das, was in medizinischen Fachzeitschriften steht. Das Problem jedoch ist: Dort kommen oft nur jene Informationen an, die Pharmahersteller für angebracht halten.

Zwar legen Fachzeitschriften zum Teil strenge Qualitätskriterien an die von ihnen publizierten Studien an. Auch das kann aber nicht verhindern, dass in Fachblättern nur ein verzerrtes Bild von dem erscheint, was in der klinischen Forschung tatsächlich passiert. Insgesamt wird nur jede zweite klinische Studie in einer Fachzeitschrift veröffentlicht, so lautet das Ergebnis einer Untersuchung aus dem Jahr 2010. Und statistisch ist längst nachgewiesen, dass etwa Studien mit einem positiven Resultat doppelt so große Chancen haben publik gemacht zu werden wie negative Ergebnisse.

Arzt und Patient setzen daher womöglich auf eine Therapie, von deren Wirksamkeit beide mit guten Gründen überzeugt sind, weil es dem Stand des publizierten Wissens entspricht. Doch möglicherweise kennt der Hersteller Daten, die das Mittel weniger wirksam erscheinen lassen - berichtet aber nichts davon.

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