Erste Hilfe bei Verbrennungen:Zehn brandgefährliche Irrtümer

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Am Herd verbrennt sich ein Kind den Finger, beim Kochen spritzt heißes Wasser auf den Arm, im Extremfall fängt die Wohnung Feuer. Doch bei der Versorgung von Brandwunden waltet nicht selten gefährlicher Aberglaube. Fehler, die Sie unbedingt vermeiden sollten.

Kinder sollten in der Nähe von Flammen nie unbeaufsichtigt bleiben. (Foto: dpa)

Das Wichtigste zuerst: Wenn irgendwo offene Flammen lodern, sollten Ersthelfer die Gefahr möglichst schnell bannen: Also ein kleineres Feuer löschen oder bei einem größeren Brand sich selbst und andere in Sicherheit bringen. Ist das Feuer größer oder sind Menschen verletzt, muss sofort der Notruf 112 gewählt werden. Verletzte mit größeren Wunden befinden sich in akuter Lebensgefahr und dürfen nie unbeobachtet gelassen werden.

Wie Sie ansonsten vorgehen, ist abhängig von der Situation - und leider mitunter von Fehlannahmen begleitet. Zehn verbreitete Irrtümer:

1. Erst bei sehr hohen Temperaturen verbrennt man sich

Aus der Dusche kommt heißes Wasser, aus dem Inhalationsgerät sehr heißer Dampf: Wer ein bis drei Sekunden Temperaturen von 65 bis 70 Grad ausgesetzt ist, kann sich bereits Verbrennungen oder Verbrühungen zuziehen. Bei Kindern ist die Schwelle noch niedriger. Schon bei Temperaturen um 50 Grad kann ihre Haut Wunden davontragen. Ein Grund ist, dass ihre Haut dünner ist und damit schon nach wenigen Sekunden Hitzeeinwirkung schwer geschädigt werden kann.

2. Heiße Kleidung immer entfernen

Wem beim Kochen heißes Wasser über den Ärmel läuft, sollte den Pulli tatsächlich schnell ausziehen. Dies verhindert, dass die Hitze weiter auf die Haut einwirkt.

Bei Verbrennungen gilt dies nicht in jedem Fall. Es kann sein, dass angesengte Kleidung am Körper klebt. Sie sollte nur von medizinischem Personal entfernt werden. Ansonsten drohen weitere Verletzungen und Infektionen. Brennende Kleidung sollte gelöscht werden: durch kaltes Wasser oder indem man die Flammen erstickt.

3. Verbrennungen immer möglichst lange kühlen

Wer sich den Finger am Herd verbrannt hat, sollte ihn sofort unter kaltes Leitungswasser halten. Kleinere Verbrennungen an anderen Körperteilen können mit feuchten Umschlägen gekühlt werden. Die Methode soll verhindern, dass die Hitze weiter ins Gewebe eindringt. Allerdings kommt dieser Effekt Studien zufolge nur in den allerersten Minuten nach einer Verbrennung zum Tragen. Danach hilft die Kälte vor allem, leichtere Schmerzen zu lindern. Wie lange Haut gekühlt werden sollte, ist selbst unter Experten umstritten. Fachgesellschaften verschiedener Länder empfehlen mal zehn, mal 20 Minuten. Wesentlich länger sollte das Wasserbad allerdings nicht anhalten. Ansonsten drohen Kälteschäden.

Doch Achtung: Diese Regeln gelten nur für kleine Verbrennungen. Die Faustregel lautet: Wenn die geschädigte Haut größer als etwa zwei DIN-A-4-Blätter ist, sollte sie nicht gekühlt werden. Man riskiert in diesem Fall, dass der Körper zu viel Wärme verliert und auskühlt.

4. Cool-Packs und Eis helfen am besten

Die meisten Experten raten davon ab, die Haut zu stark zu kühlen. Die Wirkung von Eis und Kühlpacks ist nicht besser als die von kaltem Leitungswasser. Dafür besteht bei den Eispackungen das Risiko von lokalen Erfrierungen.

5. Hausmittel sind schonende Alternativen

Mehl, Essig, Öl, Zahnpasta: Viele Menschen haben einen Tipp auf Lager, wie Brandwunden garantiert besser heilen. Doch keine der zweckentfremdeten Haushaltsutensilien ist wirksam. Dafür können sie schädlich sein: Der Arzt kann die derart zugeschmierte Wunde schlechter einschätzen. Und sie kann sich infizieren. Die Erste-Hilfe-Regeln sagen ganz klar: Keinerlei Hausmittel bei Verbrennungen!

6. Immer Brandsalben auftragen

Bei kleinen, oberflächlichen Verbrennungen spricht nichts gegen kühlende Salben. Für tiefergehende und größere Verletzungen gilt das gleiche wie für Hausmittel. Salben können die Wunde infizieren und die Diagnose erschweren - und sollten deshalb weggelassen werden.

7. Brandblasen immer öffnen

Brandblasen heilen nicht besser, wenn sie geöffnet werden. Im Gegenteil: Es besteht die Gefahr, dass Keime in die Wunde geraten. Wenn eine Blase schmerzt, kann ein Arzt Flüssigkeit absaugen.

8. Möglichst viel frische Luft an die Wunden lassen

Oberflächliche Brandwunden kann man gut an der Luft abheilehn lassen. Ist die Haut dagegen schwerer geschädigt, soll sie abgedeckt werden, um Infektionen vorzubeugen.

Die Haut ist eine mächtige Barriere gegen Umweltkeime. Wird sie großflächig geschädigt, eröffnen sich Krankheitserregern riesige Eintrittspforten. Um dies zu verhindern, sollte verletzte Haut am besten mit sterilen Wundauflagen zugedeckt werden, wie es sie im Verbandskasten gibt. Zur Not tut es auch ein sauberes Handtuch oder Kleidungsstück.

9. Bei Verbrennungen für kühle Umgebungstemperatur sorgen

Bei Bagatell-Brandwunden ist die Umgebungstemperatur egal. Doch bei größeren Verbrennungen droht der Körper zuviel Wärme zu verlieren und damit auszukühlen. Daher sollte, so paradox es klingt, ein Verbrennungsopfer warm gehalten werden. Am günstigsten ist die gold-silberne Rettungsdecke aus dem Verbandskasten. Alternativ kann der Verletzte auch mit einer herkömmlichen Decke oder warmer Kleidung zugedeckt werden.

10. Habe ich die Wunden abgedeckt, brauche ich nichts weiter zu tun

Für größere Wunden können Laien tatsächlich nichts tun. Ihre Versorgung bleibt medizinischem Personal überlassen. Trotzdem sind Ersthelfer weiter wichtig. Ein Mensch mit großflächigen Verbrennungen befindet sich in akuter Lebensgefahr. Er sollte nie allein gelassen werden. Wichtig ist, seine Atmung regelmäßig zu kontrollieren.

Eine Gefahr ist der Schock. Man erkennt ihn an Blässe, Unruhe, Zittern und kaltem Schweiß. Der Betroffene sollte daher warm gehalten und beruhigt werden. Die Beine werden etwas erhöht gelagert, so dass mehr Blut in Richtung lebenswichtiger Organe fließen kann.

Ein Schockopfer kann das Bewusstsein verlieren. In diesem Fall legen Sie ihn in die stabile Seitenlage. ( Wie das geht, sehen Sie in diesem Video). Bei einer Ohnmacht erschlaffen alle Muskeln, auch die Zunge. Sie kann damit in Richtung Rachen rutschen und die Atemwege blockieren. Die stabile Seitenlage, bei der immer der Kopf weit in den Nacken gelegt wird, verhindert diese Blockade.

Atmet der Betroffene nicht mehr, muss sofort mit der Wiederbelebung begonnen werden. Das Wichtigste dabei ist die Herzdruckmassage. ( Wie Sie Herzmassage und Beatmung durchführen, erfahren Sie in diesem Video)

(Quellen: Deutsches Rotes Kreuz, Leilinien der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin, Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin)

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