Blutvergiftung:Neue Tests helfen im Kampf gegen Sepsis

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Etwa 160 Menschen sterben in Deutschland täglich an einer Sepsis, die meist als Folgeerkrankung nach einem Unfall auftritt. Ihre Behandlung ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Das macht neue Tests zur Identifizierung der Erreger so wichtig.

Von Christoph Behrens

Bei Thomas Brille (Name geändert) begann es mit Fieber und starken Gliederschmerzen. Vielleicht die Nachwirkungen seiner Lungenentzündung? Der 44-Jährige entschloss sich, die Nacht im Krankenhaus zu verbringen.

Als er wieder aufwachte, lag er auf der Intensivstation, "vier oder fünf vermummte Ärzte und Pfleger zerrten an mir herum", berichtet Brill. Wochenlang kämpften die Ärzte um sein Leben, versetzten ihn in ein künstliches Koma. Elf Wochen später wurde er entlassen. " Septischer Schock", erfuhr er, eine Art Blutvergiftung ausgelöst von Streptokokken-Bakterien.

Fälle wie diese haben in den letzten Jahren zugenommen. In Deutschland sterben 160 Menschen täglich an einer Sepsis, schätzt die Deutsche Antisepsis Stiftung. Meist ist die Bakterieninfektion eine Folgeerkrankung etwa nach einem Unfall. Sie zu entdecken, ist für Ärzte eine enorme Herausforderung: Ein Milliliter Blut enthält Milliarden Blutzellen - aber unter Umständen nur zehn unbekannte Bakterien.

"Das ist wie ein Schwimmbecken voller roter Smarties, aber mit nur fünf blauen", sagt Klemens Wassermann vom Austrian Institute of Technology in Wien. "Im Blut gibt es extrem viel Hintergrundrauschen, das ist wie die Suche im zellulären Heuhaufen."

Der Forscher werkelt an einer Lösung: ein Modul so groß wie eine Batterie, in die eine Blutprobe gespritzt wird. Wenn Wassermann an die Probe ein elektrisches Feld anlegt, platzen die Blutzellen auf, "aber die Bakterien kitzelt das nur". So können die Keime in Sekunden herausgefiltert und dann identifiziert werden. 2014 möchte Wassermann einen Prototyp präsentieren.

Die Methode hätte den Vorteil, dass Ärzte schneller wüssten, gegen welchen Keim sie kämpfen. Bislang warten sie bis zu drei Tage auf den Laborbefund. In der Zwischenzeit setzen sie eine breite Palette an Antibiotika wie ein großflächiges Bombardement ein, um die Infektion in Schach zu halten. Die vielen Antibiotika könnten aber Resistenzen bei den Bakterien hervorrufen und ihre Bekämpfung auf lange Sicht erschweren.

Auch die US-Firma bioMérieux beschreibt im Fachblatt mBio, wie man Erreger schneller identifizieren könnte. Die Forscher regen die infizierte Blutprobe mit Licht an. Das entstehende Lichtmuster ist für jedes Bakterium so einzigartig wie ein Fingerabdruck, ein Abgleich mit einer Datenbank geht sekundenschnell. "Eine rasche Identifizierung verhilft den Patienten eher zu den richtigen Antibiotika", sagt der Koautor der Studie John Walsh.

Nicht alle teilen diese Sicht. "Bei einem Patienten mit Verdacht auf Sepsis interessieren uns die Namen der Keime erst mal nicht", sagt der Notfallchirurg und Infektiologe Eugen Faist von der Münchner Uniklinik. Wichtiger: schnell reagieren und mit Antibiotika alle Erreger abdecken. "Durch eine frühere Identifikation des Erregers ist noch keiner weniger gestorben."

Auch Faist sieht die Sepsis als große Herausforderung. Denn trotz großer Anstrengungen gelinge es nicht, die Todesrate von 20 bis 40 Prozent wesentlich zu senken. Ein Grund: Immer ältere und schwerer verletzte Patienten würden operiert, zunächst auch mit Erfolg. "Doch irgendwann holt die Patienten ihr geschwächtes Immunsystem ein, und sie werden zur Beute für Infektionen", sagt Faist.

Die Münchner verfolgen einen anderen Ansatz: Sie messen die Anzahl bestimmter Bakteriengifte, sogenannter Endotoxine, und anderer Biomarker im Blut. "So können wir die Schwere und Komplexität der Infektion ablesen", sagt Faist. Nicht der Name des Erregers ist für ihn maßgeblich, sondern eher der Verlauf der Infektion. Bei Bauchfellentzündungen setzt die Uniklinik München das Verfahren schon standardmäßig ein.

© SZ vom 09.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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