Zweifel am Zwischenergebnis:Hektik im Quartal

Lesezeit: 2 min

Offenbar wird der Kapitalismus müde. Die Marktwirtschaft made in USA ist nicht mehr sicher, ob sie dem Rest der Welt den letzten Schluss der ökonomischen Weisheit gebracht hat.

Karl-Heinz Büschemann

Zunehmend wachsen auch in den Vereinigten Staaten die Zweifel an den Quartalsberichten, die lange Zeit als Ausdruck besonders moderner Unternehmensführung galten.

Jetzt wird das kurzfristige Denken in den Führungsetagen gegeißelt. Anstatt Aktionäre im Dreimonatsrhythmus zu informieren, sollten börsennotierte Unternehmen lieber auf fünf Jahre planen und ihre Eigentümer regelmäßig über das Fortschreiten auf diesem Weg informieren.

In Deutschland sind Vierteljahresberichte noch jung. Sie sind erst seit dem Jahr 2001 für die Unternehmen verpflichtend, die in den wichtigen Börsenindizes notiert sind. Als sie eingeführt wurden, gab es zunächst viel Widerstand.

Quartalsberichte fördern Quartalsdenken

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking ist bis heute der wichtigste Gegner dieser Neuerung. Wie zum Trotz bewies er, dass Porsche auch ohne Vierteljahresberichte erfolgreich sein kann. Nach ein paar Jahren der Erfahrung kann man ernstlich fragen, ob Quartalsberichte und die damit verbundenen kurzfristigen Prognosen auch nur einen einzigen Vorteil gebracht haben.

Der Korruptionsskandal bei Siemens beispielsweise wurde nicht aufgedeckt, weil der Konzern seinen Berichtszeitraum verkürzt hätte, sondern weil Staatsanwälte das Unternehmen auf den Kopf stellten. Vielmehr drängt sich der Gedanke auf, dass Quartalsberichte auch das Quartalsdenken fördern.

Das aber ist in jedem Unternehmen ein Fehler. Manager, die nur noch auf die nächsten Monate schauen, verlieren die kommenden Jahre aus den Augen - und erst recht die kommenden Jahrzehnte. Sie werden dafür sogar mit höherem Einkommen belohnt, weil sie ihre kurzfristigen Börsenkursziele erreichen.

Die Vierteljahresberichterstattung ist natürlich nicht allein die Ursache für die zunehmend kurzfristigen Strategien vieler großer Unternehmen. Sie ist vor allem Ausdruck eines Denkens, dessen Sinn vielfach missverstanden wurde.

Die Theorie des Shareholder-Value, wie sie von Alfred Rappaport in den achtziger Jahren aufgestellt wurde, besagt nicht, dass der Aktienkurs per se möglichst hochgetrieben werden müsse, sondern dass ein Unternehmen maximale Wettbewerbsfähigkeit anzustreben hat, was sich am Ende auch an der Börse auszahlt.

Wird der Erfolg dagegen nur noch am Aktienkurs gemessen, sind Fehlentwicklungen programmiert. Der Kurs lässt sich kurzfristig leicht nach oben peitschen, auf Kosten der Zukunft. Wer Investitionen oder Entwicklungsaufwendungen drückt, um den Gewinn zu erhöhen, kann seine kurzfristigen Ziele höher legen, aber ebenso leicht die Zukunft des Unternehmens gefährden.

Dem zunehmend kurzfristigen Denken auch in deutschen Unternehmen liegt ein Missverständnis zu Grunde. Zum Beispiel haben die Analysten der Investment-Banken einen viel zu hohen Einfluss auf die Unternehmen.

Das liegt nicht an den genialen Investment-Bankern, sondern an dem mangelnden Selbstbewusstein von Managern, die es kaum noch wagen, eine Strategie zu vertreten, die den smarten jungen Herren in London oder New York missfällt. Das Bild des Managers, der mutig Entscheidungen trifft und die Investment-Banker beeindruckt, wird in der Praxis konterkariert vom Duckmäuser im Nadelstreifen, der von den Analysten betrieben wird.

Der zunehmende Streit um die Quartalsberichte belegt wachsendes Bewusstein dafür, dass Unternehmen weiter reichende Strategien brauchen. Die Frage, wie die Welt von morgen mit Energie versorgt werden kann und vor einer Klimakatastrophe bewahrt werden kann, macht das deutlich.

Die Lösung braucht mit Sicherheit Jahrzehnte. Kurzsicht-Strategien können so zu wesentlichen Menscheitsfragen nichts beitragen. Unternehmen und Marktwirtschaft gefährden sich selbst, wenn sie diese langfristige Perspektive aus den Augen verlieren.

© SZ vom 19.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: