Zu Gast bei der Commerzbank:Die Interpreten des Euro

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Das Analysten-Team der Frankfurter Großbank erklärt täglich die Welt der Währungen - und bleibt auch bei großen Summen ganz gelassen.

Helga Einecke

Um sieben Uhr morgens beginnt der Arbeitstag für Antje Praefcke. Dann klickt sich die 36-jährige Devisenanalystin durch fünf Bildschirme vor ihrem Schreibtisch. Der steht im riesigen Handelsraum der Commerzbank in Frankfurt, in dem 500 Finanzmarktspezialisten Platz haben. Noch ist es ruhig. Sie schreibt in Deutsch und Englisch auf, wie sich die wichtigsten Währungen in naher Zukunft entwickeln könnten. Die Morgen-Mail nennt sie diesen Job.

(Foto: Foto: dpa)

Filialen, Kunden und Mitarbeiter wollen rechtzeitig informiert werden, Devisenhändler benötigen Grundlagen für ihre Strategien. Ihr Kollege Carsten Fritsch trifft eine Stunde später ein, sitzt neben ihr an seinem ebenfalls dicht mit Computern bestückten Platz. Der 34-Jährige ist Spezialist für Osteuropa, die Türkei oder Südafrika, kennt sich aber genauso gut in Dollar, Euro und Yen aus.

Auffällig ist ein Bildschirm mit ganz großen Zahlen. Das sind die aktuellen Kurse wichtiger Paare wie Euro/Dollar, Euro/Yen, Dollar/Yen. Groß erscheint aber nur die dritte und die vierte Stelle hinter dem Komma. Um deren Veränderungen geht es im alltäglichen Devisenhandel. Wenn sich die großen Zahlen schnell bewegen, dann sind Käufer und Verkäufer von Währungen am Werk.

Keine Blender

Die beiden Analysten füttern den ganzen Tag den Apparat der Großbank mit ihren Recherchen und ihrem Wissen. Sie müssen sich fortlaufend informieren, speichern, was in der Wirtschaft und Politik passiert und Einfluss auf Devisenkurse haben könnte.

Sie zählen die wichtigsten Zutaten für ihre Einschätzungen auf: fundamentale Daten wie Wachstum, Inflation, Beschäftigung, Staatsschulden, Zinserwartungen, außerdem Technik, Psychologie und Trends. Das alles holen sie aus dem Netz, in Telefonaten und im Gespräch mit Volkswirten des eigenen Hauses heraus. Der ständige Umgang mit Daten klingt nicht sehr spannend, aber die beiden sehen das anders.

Praefcke begreift ihren Beruf als ideale Verbindung zwischen Theorie und Praxis. Sie hat in Paris an der Sorbonne Ökonomie studiert, sich schon damals für Währungen und Volkswirtschaften interessiert. Sie war selbst Devisenhändlerin, erst drei Jahre in New York, später bei einer französischen und einer deutschen Bank in Frankfurt.

Die neun Jahre als Händlerin haben sie geprägt, sie redet und reagiert schnell, weiß genau, wie ihre Handelskollegen ticken, die nur ein paar Schreibtische weiter sitzen. Fritsch ist der Ruhigere des Teams. Der studierte Volkswirt startete im Commerzbank-Research und arbeitete dann für die Nachrichtenagentur Bridge News, einem Konkurrenten von Reuters und Bloomberg. Als Finanzjournalist sei der Zeitdruck größer gewesen, erzählt er, und die Arbeit werde schlechter bezahlt.

Entlohnt fühlen sich die beiden Singles gut, es gibt auch Boni, aber dafür verbringen sie viele Stunden in dem fensterlosen Händlersaal. Zehn bis zwölf Stunden täglich sind es in der Regel. Mit dem Abschalten funktioniert das während Freizeit und Urlaub nicht immer.

Fritsch schaute beim letzten Urlaub in Thailand schon mal in der Bangkok Post nach, wie die Kurse so stehen. Praefcke braucht nach den Ferien immer ein bis zwei Tage, um wieder reinzukommen. Schließlich habe sie "einen Sack voll Daten" verpasst. Auch in der Freizeit ist sie ehrgeizig, macht einen Trainerschein im Schwimmen. Fritsch genießt eher Eishockey und Fußball im Fernsehen.

Die generelle Kritik an Analysten, die nach dem Kurssturz der Aktienbörsen als einfältig und überbezahlt kritisiert wurden, prallt an den beiden ab. Devisenanalysten seien gut ausgebildet und keine Blender.

Offenbar gibt es zwischen den einzelnen Handels- und Analysebereichen des großen Saales feine Abstufungen. Mit Aktien ist am meisten Geld zu verdienen, aber auch zu verlieren, dann folgen die festverzinslichen Wertpapiere und erst zuletzt der Devisenhandel.

Die hohen Summen, die mit Währungen weltweit bewegt werden, lassen die Analysten kalt. Zu den Klischees über das Treiben der Märkte äußern sie sich mit Distanz. Fritsch kennt natürlich den Herdentrieb und die "pure Gier".

Aber diese Vokabeln gehören nicht in den Sprachgebrauch ihrer Analysen. Als der größte Devisenspekulant aller Zeiten, der Amerikaner George Soros, das britische Pfund aus dem europäischen Währungsverbund trieb, waren die beiden noch lange nicht im Job. Als ein Vorbild sehen sie ihn nicht, eher als eine Figur, die Angst macht.

Stecken Analysten auch eigenes Geld in Devisen? Diese Frage löst bei Praefcke Heiterkeit aus. Verboten sei das nicht, sagt sie, aber ihr fehle einfach die Zeit, sich umfassend um die eigene Geldanlage zu kümmern. Öffentliche Auftritte dagegen gehören zum Job. Wenn das Fernsehen anruft, sie um einen Kommentar zum Euro bittet, greift sie in die Schublade. Dort liegt die Perlenkette, über dem Stuhl hängt der Blazer. Organisation ist alles, sagt sie.

© SZ vom 27.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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