Zockerskandal bei der Société Générale:Kerviels Helfer

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Entlastung für den Milliardenzocker Jérôme Kerviel: Ein interner Bericht zeigt, dass die These vom Einzeltäter, der Société Générale Milliardenverluste bescherte, nicht mehr zu halten ist.

Michael Kläsgen

Die Affäre Kerviel hat eine neue Wendung genommen. Die Bank widersprach sich in einem am Freitag veröffentlichten Bericht. Der ehemalige Händler Jérôme Kerviel handelte demnach nicht allein. Das heißt, die von seinem früheren Arbeitgeber bisher verfochtene These vom Einzeltäter ist obsolet. Zu diesem Ergebnis kommt, nach allem was bekannt ist, ein interner Untersuchungsbericht der Bank Société Générale, den die Bank am Freitag nach Börsenschluss freigeben wollte.

Jérôme Kerviel hat gut lachen: Ein interner Bericht der Großbank Société Générale entlastet den Milliardenzocker. (Foto: Foto: Reuters)

Die Bank hatte eine Kommission unter der Leitung des Exchefs von PSA Peugeot-Citroën, Jean-Martin Folz, eingesetzt, die bis zur Hauptversammlung am kommenden Dienstag die Verantwortlichkeiten in der Affäre Kerviel klären sollte. Kerviel hatte der zweitgrößten Bank Frankreichs im Januar mit unerlaubten Spekulationsgeschäften fünf Milliarden Euro Verlust beschert.

Kündigungen laufen

Ohne Kerviels Vorgesetze namentlich zu nennen, wirft der Bericht zwei Personen vor, ihre Kontrollpflichten verletzt zu haben. Gegen beide, Kerviels direkten Chef Eric Cordelle und den Leiter der Handelsabteilung Martial Rouyère, laufen inzwischen Kündigungsverfahren. Kerviels Anwalt Guillaume Selnet wundert das nicht: "74 Warnhinweise kann man nicht einfach so übergehen", sagt er.

Ein erster interner Untersuchungsbericht der Bank vom 20. Februar hatte ergeben, dass die Bank 74 Warnungen wegen Kerviels hochriskanten Wetten einfach in den Wind geschlagen hatte. Gewarnt hatte unter anderem die Aufsicht der Frankfurter Terminbörse Eurex, wie der Chef der Handelsüberwachung, Michael Zollweg, den französischen Ermittlern bestätigte. Eine US-Anwaltskanzlei hatte auf der Grundlage des ersten Berichts eine Sammelklage in den USA in Gang gebracht. Der zweite Bericht konkretisiert zwar die Mängel im Kontrollsystem, substantiell gibt er den Klägern aber kein neues Material an die Hand.

Den beiden Vorgesetzten Kerviels drohen nach Informationen der Süddeutschen Zeitung keine strafrechtlichen Ermittlungen. "Sie haben ihre Arbeit einfach nicht gemacht", sagte ein Insider der International Herald Tribune, die aus dem Bericht zitiert. Allerdings gehen die Untersuchungen weiter und Kerviel muss nach wie vor eine Haftstrafe wegen Vertrauensmissbrauchs und Untreue von drei Jahren sowie eine Geldbuße fürchten. Die Staatsanwaltschaft will ihre Ermittlungen bis zur Sommerpause abschließen. Offen ist aber noch, wann es zum Prozess kommt.

Überraschungen sind nicht ausgeschlossen. Von Beginn an bezweifelten die Ermittler die These vom Einzeltäter. Bisher konnten sie jedoch mögliche Komplizen Kerviels nicht ausfindig machen. Der interne Bericht könnte ihnen nun helfen. Er rückt Kerviels Assistenten Thomas Mougard ins Licht eines mutmaßlichen Mittäters. Er könnte sich unter falschem Namen auf Computern anderer Mitarbeiter eingeloggt und im Auftrag von Kerviel verbotene Geschäfte vorgenommen haben.

Bank belastet sich selbst

Bisher hatte die Bank behauptet, Kerviel habe selbst an mehreren Computern gleichzeitig Wetten auf verschiedene Aktien-Indices, darunter den Dax, abgeschlossen. Mougard bestritt jedoch wiederholt jegliche Verwicklungen in den weltweit größten Spekulationsskandal. Die Staatsanwaltschaft will ihn erneut anhören. Sollte sich der Verdacht erhärten, könnte er wie Kerviel strafrechtlich verfolgt werden.

Damit belastet sich die Bank in gewisser Weise selbst. Das erscheint ungewöhnlich, erklärt sich aber dadurch, dass sich der zweite Bericht auf eine Untersuchung der Prüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers stützt. Die Prüfer sondierten das Arbeitsumfeld Kerviels bis ins Detail und sprachen persönlich mit seinen direkten Vorgesetzten, was beim ersten internen Bericht nicht möglich war. Nun monieren sie schwere Mängel bei der Risikokontrolle des Instituts und empfehlen der Bank, mit konkreten Maßnahmen gegenzusteuern.

Die Managerebene, die über Cordelle und Rouyère arbeitet, belasten die Untersuchungsberichte nicht. Der Chef der Handelsabteilung, Pierre-Yves Morlat, und der Leiter der Abteilung für Aktien- und Derivatehandel, Luc François, schieden inzwischen aus eigener Initiative aus der Bank aus. Jean-Piere Mustier, der Chef der Investmentbank-Sparte, musste zwar um seinen Posten zittern, bisher hielt die Bank aber an ihm fest. Bankenchef Daniel Bouton gab schließlich wegen des steigenden politischen Drucks die operative Leitung ab und fungiert nun als Aufsichtsratschef. Auf der Hauptversammlung am Dienstag wird er sich kritischen Frage stellen müssen.

© SZ vom 24.05.2008/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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