Zinsentscheidung der EZB:Codewort: Große Wachsamkeit

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Händler und Anleger rechnen fest mit einer Erhöhung der Leitzinsen seitens der Europäischen Zentralbank. Vor der Entscheidung am Mittwoch ist die Spannung plötzlich groß - viele treibt die Frage um, wie es mit der Zinspolitik weiter geht.

Helga Einecke

So viel Einigkeit herrscht selten unter den Notenbank-Beobachtern. Sie sind überzeugt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) an diesem Mittwoch die Leitzinsen von 3,75 Prozent auf 4,00 Prozent erhöhen wird und damit auf ein Niveau, das es zuletzt vor sechs Jahren gab. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet selbst nährte diese Erwartung. Er nutzte das Codewort "Große Wachsamkeit", mit dem er in der gesamten Phase steigender Zinsen seit Dezember 2005 die Märkte vorbereitete.

Für die Händler scheint die anstehende Zinserhöhung abgehakt oder "eingepreist", wie es in ihrer Fachsprache heißt. Für die Anleger sieht das anders aus: Sie müssen warten, bis ihre Kreditinstitute mit Verzögerung die steigenden Zinsen weitergeben. Für Kreditnehmer und Schuldner könnte ein Warten teurer werden. Weil die Banken das sehr unterschiedlich handhaben, lohnt ein Vergleich.

Die Volkswirte treibt die Frage um, wie es mit der Zinspolitik nach dem Mittwoch weitergeht. Was wird Trichet sagen oder andeuten? Wird er die Geldpolitik als neutral einstufen, also weder förderlich noch bremsend für den Aufschwung? Wird er weiteren Zinserhöhungen das Wort reden? Es ist noch nicht lange her, da vermuteten viele den Zinsgipfel in der Währungsunion bei vier Prozent. Diese Sicht gilt wegen der immer besser werdenden Aussichten für die Konjunktur in Europa und speziell in Deutschland als überholt.

Inzwischen halten die Experten Zinsen von 4,25 Prozent im September und von 4,50 Prozent zum Jahreswechsel für wahrscheinlich. "Die gute Konjunktur und die berechtigten Lohnforderungen geben der Europäischen Zentralbank freie Hand", sagt WestLB-Analyst Alexander Krüger. Er will die eigene Zinsprognose auf 4,5 Prozent heraufsetzen und beruft sich dabei auf ein Mitglied aus dem Rat der EZB. Bundesbankpräsident Axel Weber hatte vor wenigen Tagen weitere Zinserhöhungen angedeutet.

Unter Umständen müsse die Notenbank die Wirtschaft sogar aktiv bremsen, meinte er. Weber erwähnte Risiken für die Preisstabilität, die von dem robusten Aufschwung, überhöhten Tarifabschlüssen und längerfristig von dem kräftigen Wachstum der Geldmenge ausgehen könnten. Die EZB wird am Mittwoch neue Vorhersagen für das Wirtschaftswachstum und die Teuerung in der Eurozone vorlegen. Bisher war sie von einer Inflationsrate von 1,8 Prozent sowie einem Wachstum von 2,5 Prozent in diesem Jahr ausgegangen. Sollte sie beide Zahlen nach oben korrigieren, wäre auch dies ein Argument für steigende Zinsen.

Unter Umständen aktiv bremsen

Die Aktienmärkte schreckt die Aussicht auf vier Prozent Zinsen nicht. "Der Zinsschritt dürfte die Aktienmärkte wenig beeinflussen", meint Stefan Bielmeier von DB Research. Wann genau es für Anleger lohnt, von Aktien auf festverzinsliche Wertpapiere umzuschwenken, lasse sich seriös nicht beziffern. Krüger wird deutlicher. Erst Leitzinsen von 4,75 Prozent könnten die Aufwärtsbewegung der Aktienkurse stoppen. Zwar sind nach einer alten Börsenregel steigende Zinsen Gift für den Aktienmarkt. Der aktuelle Zinszyklus in Europa startete jedoch von einem Niveau von zwei Prozent und damit von einem historisch niedrigen Niveau.

Auch der Blick in Richtung USA zeigt, dass dort neue Höchststände der einschlägigen Kursanzeiger wie Dow Jones und S&P-Index erreicht wurden, obwohl die amerikanische Notenbank bereits seit einem Jahr Leitzinsen von 5,25 Prozent verlangt. Auch die Bank von England ist angesichts einer hartnäckigen Inflation deutlich auf die Bremse getreten. Sie verlangt von den Banken bei der kurzfristigen Geldleihe Zinsen von 5,5 Prozent. Von einer Fünf vor dem Komma ist die Europäische Zentralbank noch weit entfernt. Am Tag vor dem Feiertag Fronleichnam steht erst einmal die Vier auf der Tagesordnung.

© SZ vom 05.06.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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