Wirtschaftskrise in Russland:Putin, Pipelines, Petrodollars

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Kaukasus-Konflikt, billiges Öl und staatliche Angriffe auf Unternehmen: Die Anleger fliehen aus dem russischen Aktienmarkt.

Catherine Hoffmann

Vielleicht ist Wladimir Putin, der jüngste in einer langen Reihe autokratischer russischer Herrscher, ja bei einem Italiener in die politische Schule gegangen. Niccolò Machiavelli jedenfalls war überzeugt: "Es ist weit sicherer, gefürchtet als geliebt zu werden." Ein Satz, der Putin gefallen dürfte.

Über dem Kreml ziehen Wolken auf: Während der Konflikt mit Georgien noch immer nicht gelöst ist, brechen in Moskau die Aktienkurse ein. (Foto: Foto: dpa)

"Anleger sind in Scharen geflohen"

Der Krieg in Georgien und der bissige Wortwechsel zwischen dem Kreml und der amerikanischen Regierung haben die Anleger an der Börse Moskau verschreckt. Binnen weniger Wochen hat der russische Aktienindex RTS dramatische Einbußen erlebt. Seit Jahresanfang verlor er beinahe 30 Prozent an Wert.

"Spekulativ gesonnene Anleger sind in Scharen geflohen", sagt Odeniyaz Dzhaparov, Manager des DWS Russia Fonds. Er nimmt es gelassen. Schon oft hat er beobachtet, wie der russische Aktienmarkt gebeutelt wird von Politik und Ölpreis. Und doch hat der RTS-Index in den vergangenen acht Jahren mehr als 1000 Prozent gewonnen. Mutige, die bereits vor zehn Jahren, gleich nach der Russlandkrise, dort Geld an der Börse investiert haben, konnten im Durchschnitt gut 35 Prozent jährlich verdienen - mit dem Fonds von F&C beispielsweise, der in diesem Jahr allerdings auch etwa 25 Prozent eingebrochen ist.

Vielen Anlegern wurde wieder einmal bitter klar, dass Moskau eine riskante Schwellenlandbörse bleibt, von der sich viele professionelle Vermögensverwalter schon allein deshalb fernhalten, weil Russland die Eigentumsrechte der Unternehmen und ihrer Aktionäre regelmäßig mit Füßen tritt.

Immer wieder mischt sich der Staat in die Wirtschaft ein - politische Ereignisse haben auf dem Parkett schon oft Entsetzen ausgelöst. Und auch die Rubelkrise ist nicht vergessen: Am 17. August 1998 wertete die Landeswährung dramatisch ab, Staatsanleihen wurden praktisch wertlos und der Aktienindex stürzte in die Tiefe. Der massiven Kapitalabfluss löste eine Wirtschaftskrise aus.

Staat ohne Schulden

Heute, ein Jahrzehnt später, steht Russland unvergleichlich besser da - und das ist vor allem dem Rohstoffreichtum und dem jahrelangen Anstieg der Öl- und Metallpreise zu verdanken. Die Wirtschaft wächst mit einer gesunden Rate von rund sieben Prozent. Die meisten Unternehmen berichten steigende Gewinnen. Statt klaffender Löcher zeichnen Staatshaushalt und Außenhandel kräftige Überschüsse aus.

Der Staat ist praktisch schuldenfrei. Die Gold- und Devisenreserven sind so eindrucksvoll wie die Öl- und Gasreserven Russlands. Das Land ist zweitgrößter Erdölproduzent der Welt. Staat und Unternehmen haben kräftig vom Anstieg der Energiepreise in den vergangenen Jahren profitiert - und mit ihnen die Börse, die zu drei Vierteln von Energie- und Rohstoffwerten beherrscht wird. Zu den Schwergewichten auf dem Parkett gehören die Öl- und Gastitel von Gazprom, Rosneft und Lukoil.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Russland ist der billigste Aktienmarkt der Welt.

Härter als der Kaukasus-Konflikt hat deshalb der jüngste Preisrückgang bei Öl und anderen Rohstoffen den russischen Aktienmarkt getroffen. Der scharfe Einbruch des Ölpreises von beinahe 150 auf knapp 108 Dollar, aber auch das Tauziehen um die Macht im russisch-britischen Öl-Joint-Venture TKN-BP, die barsche Kritik von Regierungschef Putin am Stahlkonzern Mechel und die kräftig gestiegene Inflation haben Anleger zum Verkauf russischer Aktien bewogen. Damit haben die Investoren nach China und Indien die dritte von vier bedeutenden Schwellenlandbörsen fallen lassen. Nur in Brasilien läuft es noch recht gut.

Jetzt ist der russische Markt billig wie eine Flasche schwarz gebrannten Wodkas. Die Aktien werden mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 6,5 gehandelt, gemessen an den für die kommenden zwölf Monate erwarteten Unternehmensgewinnen. Damit ist Moskau nicht nur der günstigste von allen großen Schwellenmärkten, es ist der billigste Aktienmarkt der Welt. Wenn für die russische Börse normale Maßstäbe gälten, dürfte es jetzt nur klare Kaufempfehlungen geben. Nur leider ist Russland eben kein gewöhnliches Land - darauf sind seine Machthaber vermutlich sogar stolz.

Mark Mobius von Templeton, einer der Pioniere des Investierens in Emerging Markets, erkennt dennoch große Chancen in der Schwäche der russischen Börse: "Es gibt eine Menge Schnäppchen." Der Fondsmanager glaubt, dass die Auswirkungen des Georgien-Konflikts auf die Kurse "kurzlebig" sein werde. Entscheidender ist, so sieht es auch DWS-Manager Dzhaparov, wie lange der Druck auf den Ölpreis noch anhält: "Stabilisiert er sich und lockert die Regierung die hohen Steuern auf die Gewinne aus dem Ölgeschäft, werden die großen Energiekonzerne profitieren - und mit ihnen die gesamte russische Börse."

© SZ vom 4.9.2008/kim/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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