Wirkungen der Steuerreform:Eine Frage der Gerechtigkeit

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Viele Geringverdiener zahlen gar keine Steuern mehr und viele Topverdiener wurden kräftig entlastet. Ist das nun gut für die Wirtschaft?

Nikolaus Piper

Jeder soll gemäß seiner Leistungsfähigkeit zu den Aufgaben der Gemeinwesens beitragen - das ist der Anspruch des deutschen Steuerrechts.

Dessen Defekte zeigen sich darin, dass sich die meisten Steuerbürger, fast unabhängig davon, wie viel sie verdienen, als ungerecht besteuert empfinden: Der ehrliche Steuerzahler ist der Dumme oder kommt sich so vor.

Steuerlast steigt rasch

Nimmt man den Anteil der Steuern an der gesamten Wirtschaftsleistung, ist der Zugriff des deutschen Fiskus auf das Einkommen der Bürger im internationalen Vergleich durchaus moderat, nur ist das Steuersystem eben so aufgebaut, dass gerade bei mittleren Einkommen die Steuerlast mit jedem zusätzlich verdienten Euro sehr schnell steigt. Und diese Erfahrung nährt das Empfinden der Deutschen, in einem Hochsteuerland zu leben.

Die neuen Zahlen des Bundesfinanzministeriums deuten nun an, dass sich die Struktur durch die Steuersenkungen der rot-grünen Ära kräftig verschoben hat. Viele Geringverdiener zahlen gar keine Steuern mehr, vor allem aber wurden viele Topverdiener kräftig entlastet. Ist das nun gut für die Wirtschaft und ist es gerecht?

Vor zu schnellen Schlüssen sei gewarnt: Die Senkung der Spitzensteuersatzes, den nahezu alle Ökonomen in Deutschland für gut geheißen haben, war vor allem durch zwei Dinge motiviert: Steuersparen sollte unattraktiver gemacht werden, die Bürger sollten sich beim Sparen, Konsumieren und Investieren weniger von steuerlichen und mehr von realwirtschaftlichen Überlegungen leiten lassen.

Und der niedrigere Steuersatz sollte die Unternehmen stärken. Für viele mittelständische Unternehmen ist der Spitzensatz der Einkommensteuer die relevante Unternehmensteuer. Hier muss sich der deutsche Fiskus auf den internationalen Wettbewerb einstellen - wie bei der Senkung der Sätze bei der Körperschaftsteuer, um die es jetzt in der Koalition geht.

Die Gerechtigkeitsfrage kann im Steuerrecht nie nur unter reinen Verteilungsaspekten gesehen werden. Sorgt eine Steuersenkung für mehr Wirtschaftswachstum und höhere Einnahmen des Staates, dann ist damit auch den Geringverdienern geholfen. Der Effekt tritt sicher nicht immer ein, aber doch erstaunlich oft, wie das Beispiel Österreich zeigt.

Und es liegt nahe, dass Schröders und Eichels Steuersenkung heute mit Zeitverzögerung den Aufschwung stützt. Außerdem, was die reine Verteilungsgerechtigkeit betrifft: Noch immer zahlen jene acht Prozent der Steuerpflichtigen, die unter den Spitzensteuersatz fallen, fast 44 Prozent des gesamten Aufkommens.

© SZ vom 31.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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