Weltbörsen im Minus:Zinssenkung ohne Effekt

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Die Hauruck-Aktion der Zentralbanken verpufft wirkungslos: An den Börsen fallen die Kurse unaufhaltbar. Der Dax stürzt um fast sechs Prozent ab, auch der Dow Jones verzeichnet Verluste.

Die überraschende Zinssenkung mehrerer Zentralbanken ist an den US-Aktienmärkten am Mittwoch weitgehend verpufft. Nach anfänglichen Gewinnen tendierten die US-Märkte zum New Yorker Mittagshandel deutlich im Minus. Die Rezessionsängste der Anleger und die Furcht vor anhaltend eingefrorenen Kreditmärkten überwogen. Zu den Verlierern gehörten abermals Finanztitel. Auf die Stimmung drückten zu Beginn der neuen Berichtssaison auch schlechte Zahlen des US-Konzerns Alcoa.

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Der Dow-Jones-Index der Standardwerte fiel zum Handelsschluss um zwei Prozent auf 9258 Punkte. Im Verlauf pendelte er zwischen einem Hoch von 9628 und einem Tief von 9194 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500 gab 1,1 Prozent nach auf 984 Zähler. Der Index der Technologiebörse Nasdaq sank um 0,8 Prozent auf 1740 Stellen. In Frankfurt ging der Leitindex Dax 5,9 Prozent tiefer auf 5013 Punkten aus dem Handel. Er schloss damit auf dem tiefsten Stand seit November 2005.

US-Finanzminister Henry Paulson sprach sich angesichts der weltweiten Ausdehnung der Finanzkrise für eine enge Abstimmung der betroffenen Staaten aus. Er habe zu diesem Zweck eine Sonderkonferenz der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G20) vorgeschlagen, sagte Paulson in Washington. Dabei sollen sich die Teilnehmer untereinander koordinieren, um die Folgen der Krise und die Abschwächung der Konjunktur zu verringern. Laut Paulson ist ein baldiges Ende der Finanzkrise aber nicht absehbar. Es sei Geduld gefragt, da noch "bedeutende Herausforderungen" zu meistern seien.

In einem gemeinsamen Kraftakt senkten die Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) zunächst gemeinsam mit anderen Notenbanken ihre Leitzinsen um bis zu 50 Basispunkte. Sie wollten damit der Finanzwirtschaft Luft verschaffen und den Banken die Refinanzierung erleichtern. Doch die Anleger blieben skeptisch. Analysten werteten die Zinssenkungen zwar als wichtiges Signal, um Vertrauen zu schaffen.

Ob damit die quasi zum Erliegen gekommene Kreditvergabe der Banken untereinander aber wieder in Gang komme, sei ungewiss. "Das, was wehtut, ist die Vertrauenskrise - die Leute sind nicht bereit dazu, Geld auszuleihen", sagte Peter Jankovskis von OakBrook Investments LLC. "Es ist nicht so, dass sie die Zinssenkung nicht gutheißen, sie haben bloß eine Todesangst, ihr Geld nicht zurückzubekommen."

Frankreich und Deutschland haben unterdessen nach Angaben der französischen Regierung eine volle Zusammenarbeit in der Finanzkrise verabredet. Darauf hätten sich Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel in einem Gespräch geeinigt, teilte das Präsidialamt in Paris mit. Die beiden Regierungschef hätten zudem die konzertierte Senkung der Leitzinsen in Europa und den USA begrüßt.

Schott Solar sagt Börsengang ab

Finanzwerte gehörten deshalb erneut zu den größten Verlierern. Die Bank of America-Aktien setzten nach ihren am Vortag früher als erwartet vorgelegten Quartalszahlen ihre Talfahrt fort und fielen um mehr als sieben Prozent. Papiere der Citigroup gaben mehr als sechs Prozent nach. Gegen den Trend legten Morgan-Stanley-Papiere um ein Prozent zu. Zur Eröffnung der neuen Berichtssaison trübten auch schlechte Zahlen beim US-Konzern Alcoa das Bild. Der Preisverfall beim Aluminium und eine gesunkene Nachfrage haben seinen Quartalsgewinn überraschend um mehr als die Hälfte geschmälert. Alcoa-Aktien verloren mehr als 16 Prozent. Traditionell läutet Alcoa die Serie von US-Quartalsberichten ein, auf die Börsianer wegen der eskalierenden Finanzkrise nun mit banger Erwartung blicken.

Der deutsche Aktienmarkt war am Mittwoch trotz der gemeinsamen Zinssenkung sechs führender Notenbanken abermals eingebrochen. Der Dax schloss mit einem Minus von 5,88 Prozent bei 5013,62 Zählern. Das ist der tiefste Stand seit November 2005. Am Vormittag war der Leitindex zeitweise sogar um mehr als acht Prozent bis auf 4870 Zähler abgerutscht, hatte sich dann aber wieder gefangen und seine Verluste bis auf 5319 Punkte reduziert. Der MDax verlor 4,77 Prozent auf 5704,96 Punkte. Der TecDax fiel um 6,76 Prozent auf 534,28 Zähler.

Aktien der Commerzbank hielten sich nach ihren massiven Kursverlusten in jüngster Zeit recht stabil und schlossen mit einem Minus von 2,45 Prozent auf 9,96 Euro auf Platz Vier im Dax. Papiere von Hypo Real Estate (HRE) hielten sich zunächst ebenfalls recht gut, verloren dann aber zum Handelsende 8,04 Prozent auf 4,12 Euro. Die Aktien von Commerzbank und Hypo Real Estate seien in letzter Zeit so unter Druck geraten, dass inzwischen sämtliche Negativszenarien eingepreist sein sollten, sagten Börsianer.

Aktien der Deutschen Bank rutschten unterdessen mit Minus 10,65 Prozent auf 38,935 Euro ans Dax-Ende. Analysten zufolge spiegelten sich wohl die Ängste über Liquiditätslage und Finanzierungsmöglichkeiten wieder. Die Risiken würden bei der Deutschen Bank anscheinend am höchsten eingeschätzt.

Die Aktie von Volkswagen legte erneut 2,53 Prozent auf 294,25 Euro zu. Am Vortag hatten Händler insbesondere Derivategeschäfte für die Kursexplosion verantwortlich gemacht. Die Aktien waren am Dienstag zeitweise bis über 450 Euro gestiegen, hatten dann aber im Minus geschlossen. Daimler verloren hingegen 9,38 Prozent auf 24,83 Euro. BMW fielen um 7,66 Prozent auf 22,66 Euro. Händler verwiesen auf japanische Presseberichte, denen zufolge Toyota Motors seine Gewinnziele verfehlen könnte.

Der Solarkonzern Schott Solar sagte einen Tag vor der geplanten Erstnotiz seinen Börsengang erneut ab. "Ein sich in so kurzer Zeit derart verschlechterndes Kapitalmarktumfeld war nicht absehbar und lässt einen für alle Beteiligten erfolgreichen Börsengang momentan nicht zu", sagte Schott-Solar-Chef Martin Heming. Sollten sich die Märkte nachhaltig beruhigen, werde man das weitere Vorgehen prüfen. Die Finanzierung der weiteren Ausbaupläne sei durch den Mutterkonzern Schott gesichert.

Eigentlich sollte der Titel am Donnerstag erstmals in Frankfurt gehandelt werden. Mit einem Emissionsvolumen von bis zu 657 Millionen Euro wäre Schott Solar in diesem Jahr der bislang größte Börsenneuling am deutschen Aktienmarkt gewesen. Schon einmal hatte Schott Solar wegen der Turbulenzen an den Aktienmärkten die Pläne für das Initial Public Offering (IPO) auf Eis gelegt, war dann aber - mit Zugeständnissen - erneut an den Start gegangen.

Einige Anleger suchten aber Börsianern zufolge auch schon wieder nach Einstiegsmöglichkeiten. Die in der Vergangenheit abgestraften Aktien von SAP gewannen 0,86 Prozent auf 26,965 Euro. Gleiches galt im MDax für Krones-Papiere, die 2,94 Prozent auf 31,18 Euro zulegten.

Im MDax stiegen die Aktien von Douglas 0,59 Prozent auf 30,91 Euro. Der Handelskonzern steigert seinen Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr 2007/08 erwartungsgemäß um 4,6 Prozent auf 3,1 Milliarden Euro. GEA Group hielten sich mit minus 2,34 Prozent auf 11,26 Euro besser als der Markt. Der Maschinenbaukonzern verzeichnete entgegen dem Branchentrend im dritten Quartal mehr Bestellungen als vor einem Jahr und bestätigte zudem seine Jahresprognose.

Der EuroStoxx 50 verlor ebenfalls um 6,54 Prozent auf 2691,09 Zähler. Die Börsen in Paris und London schlossen ebenfalls mit ähnlich hohen Verlusten. Der Dow-Jones-Index stand zum Handelsschluss in Europa rund 1,5 Prozent im Minus.

Am Rentenmarkt sank die durchschnittliche Umlaufrendite der börsennotierten Bundeswertpapiere auf 3,64 (Vortag: 3,73) Prozent. Der Rentenindex Rex stieg um 1,01 Prozent auf 120,19 Punkte. Der Bund Future fiel um 0,65 Prozent auf 116,52 Zähler. Der Kurs des Euro stieg. Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte den Referenzkurs auf 1,3731 (Dienstag: 1,3632) Dollar fest. Der Dollar kostete 0,7283 (0,7336) Euro.

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