Villa Kampffmeyer:Klassische Schönheit sucht solventen Liebhaber

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Das Gebäude auf dem Glienicker Horn in Potsdam hat wieder zum alten Glanz zurückgefunden. Nun steht es zum Verkauf.

Von Lars Klaassen

Das ganze Eyland muss ein Paradies werden", hatte Johann Moritz von Nassau-Siegen seinem Freund Friedrich Wilhelm 1664 geschrieben. Der Große Kurfürst ließ prompt Taten folgen. Auch seine Nachfolger waren rege tätig. Rund 250 Jahre lang wuchs an der Havel bei Potsdam eine Symbiose aus Natur und Ideal heran. Peter Joseph Lenné, Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius gestalteten eine Park- und Gartenlandschaft, die den klangvollen Namen "Preußisches Arkadien" erhielt.

Einen großartigen Blick auf die Komposition von natürlicher Topografie, gärtnerischer Gestaltung und Architektur hat man vom Glienicker Horn. An der Landzunge treffen der Tiefe See und die Glienicker Lanke aufeinander. Über das Wasser blickt man gen Osten auf den Park samt Jagdschloss Glienicke. Weiter südlich, ebenfalls mitten in einem Park gelegen, sieht man das Schloss Babelsberg. Beide sind Teil des Unesco-Weltkulturerbes. An diesem idyllischen Ort bezog Kurt Kampffmeyer 1924 seine neu gebaute Villa.

Der seinerzeit größte Mühlenbesitzer in Deutschland war einer der reichsten Brandenburger. In der Nachkriegszeit war die Villa Staatseigentum der DDR. Das Haus wurde 1996 grundlegend restauriert und nach alten Plänen wieder in seinen Urzustand versetzt. Noch während der Renovierung besuchte der architektonisch interessierte britische Thronfolger Prinz Charles die Villa, im Anschluss wurde sie zum eleganten Veranstaltungsort für Festlichkeiten, Lesungen und Konferenzen. Altkanzler Gerhard Schröder feierte dort, auch der Enkel Kaiser Wilhelms II. - Wilhelm Karl Prinz von Preußen - war zu Gast. Zwischenzeitlich residierte das illustre Schweizer Botschafterehepaar Borer-Fielding in der Villa, später ein arabischer Attaché. Nun steht das mondäne Anwesen zum Verkauf.

Das aufwendig gestaltete, denkmalgeschützte Gebäude ist an den Fassaden mit Rokoko- und Barock-Elementen verziert. Den Eingang schmücken drei Grazien und Merkur, der Gott des Handels. Die Figuren wurden vom Bildhauer Ernst Vogel geschaffen, der durch seine Tätigkeit am Berliner Reichstagsgebäude bekannt wurde. Hohe, girlandenverzierte Rundbogenfenster, der mit einer Kuppel versehene Mittelrisalit an der Südfassade und der zur Vorfahrt ausgebaute Säulenportikus unterstreichen die feudalen Ambitionen des Anwesens. Ein zum Teil über hundertjähriger Baumbestand ziert das Wassergrundstück mit einer Fläche von 3600 Quadratmetern. Das Grundstück war früher noch größer. In einem Teil des Parks wurden weitere Villen gebaut. Mit der Villa Kampffmeyer bilden sie heute den geschlossenen Wohnpark "Arkadien".

Die Villa Kampffmeyer verfügt über eine Wohnfläche von 1100 Quadratmetern. Jedes der 15 Zimmer ist ein gestalterisches Unikat. Das Herz des Gebäudes ist eine Halle, die sich vom Erdgeschoss bis in den ersten Stock erhebt. Ein Blickfang ist der Kamin, dessen Sandsteinrelief unverkennbar auf das Mühlenwesen anspielt. Die Eichenholzvertäfelung, die imposante Treppe mit dem schweren, handgewebten Teppich, die umlaufende Galerie und die Holzbalkendecke mit geschnitzten Details sind im britischen Landhausstil gehalten. Diese Innengestaltung erinnert an das nahe gelegene Schloss Cecilienhof. Als dort 1945 die Potsdamer Konferenz tagte, auf der die Nachkriegsordnung Europas verhandelt wurde, beherbergte die Villa den KGB-Begleitschutz der sowjetischen Delegation. Kampffmeyer hatte den Unternehmenssitz zu dieser Zeit nach Hameln verlegt. Die Villa diente seitdem unterschiedlichen Zwecken.

Unter anderem nutzte die Vereinigung Volkseigener Betriebe das Gebäude, außerdem das Deutsche Rote Kreuz. Zeitweilig wurden im Gebäude Möbel und Haushaltsgegenstände von DDR-Bürgern gelagert und verkauft, die diese bei der Flucht in den Westen in den Wohnungen zurückgelassen hatten. Die Landesbühne Potsdam nutzte auf dem Grundstück ein Theater in Holzbauweise. Auch die Freie Deutsche Jugend (FDJ) hat zeitweise hier ihr Domizil. Der Club wurde jedoch nach dem Mauerbau "aus Sicherheitsgründen" geschlossen. Die innerdeutsche Grenze verlief seinerzeit direkt durch das Grundstück der Villa, parallel zum Seeufer. Passenderweise war auch der Arbeitsbereich Passkontrolle Potsdam, verantwortlich für 13 Grenzübergangsstellen, hier untergebracht.

Das Gebäude diente KGB und Stasi beim Austausch von Agenten als Beobachtungsposten

Trotz dieser verschiedenen Nutzungen blieb die Gebäudesubstanz bewahrt, ebenso erhalten blieben weite Teile im Inneren, wie eingebaute Holzschränke, Decken oder Böden. Elemente jüngeren Datums wurden bei der Restauration weitgehend entfernt, die Holz- und Metallteile von Altanstrichen befreit, aufgearbeitet und im Originalton neu gestrichen. Die Dachfläche entstand nach historischem Vorbild, und das Dach erhielt eine altdeutsche Deckung aus Schiefer. Von Details wie den historisch anmutenden Lichtschaltern bis hin zu den Fensterläden im Obergeschoss sowie den aufgearbeiteten original Doppelkastenfenstern und Parkettböden wurde bei der Restauration der feudale Stil der Villa Kampffmeyer wiederhergestellt.

Heute sieht das Haus wieder aus, wie vor dem Krieg - und kann erneut seine großbürgerlichen Funktionen erfüllen. Die Räume im Erdgeschoss sind um die Halle gruppiert. Sie dienen vor allem repräsentativen Zwecken. Der Salon öffnet sich mit drei bodentiefen Fenstern zur Terrasse mit Blick über das Wasser. Das Musikzimmer besticht mit seiner eleganten Seidentapete, den aufwendigen Holzarbeiten und seinem wunderschönen Intarsienparkett. Das Gartenzimmer verfügt noch über den originalen Steinboden im Schachbrettmuster. Fünf große Terrassentüren an dem halbrunden Erker lenken den Blick durch den Park aufs Wasser. Das Herrenzimmer mit Kamin, Tafelparkett und der aufwendigen Kassettendecke bietet wie der Salon mit Kamin, Tafelparkett und der eleganten Seidentapete ebenfalls einen unverbaubaren Blick auf den See.

Der private Wohnbereich befindet sich in der ersten Etage. Lediglich die Küche ist im Erdgeschoss. Dort liegt sie direkt neben dem formellen Esssaal. Ein separater Familienessbereich mit aufgearbeitetem Terrazzoboden, schlichten Farben und moderner Gestaltung setzt hier einen gelungenen Kontrast zum übrigen Haus. Eine Treppe verbindet diesen Bereich mit der Terrasse und den privaten Zimmern darüber. Das Obergeschoss arrangiert sich um die imposante Galerie. Zwischen Bädern, Arbeits- und Schlafzimmern kann man sich auch bewegen, ohne diese halböffentliche Zone mit Blick in die Halle zu betreten. Räumlich vom Privatbereich getrennt liegt der Gästeflügel. Zu diesem Bereich gehören zwei Badezimmer, davon ein Bad en suite. Auch vom Obergeschoss bietet sich ein großartiger Blick auf Preußens irdisches Paradies - und von der Ostseite her auch auf die Glienicker Brücke.

Die Nachbarschaft zu dieser "Agentenbrücke" - oder der "Bridge of Spies", wie im gleichnamigen Hollywoodfilm vom vergangenen Jahr - hat der Villa zu Zeiten des Kalten Krieges illustre Gäste der etwas anderen Art beschert. Die Villa diente KGB und Stasi beim Austausch von Agenten auf der Glienicker Brücke als Beobachtungsposten. Im Keller verbrachten Spione und politische Gefangene, die auf der Brücke ausgetauscht wurden, ihre letzte Nacht im Osten. Wer heutzutage hier nächtigt, genießt definitiv einen weit größeren Komfort. Der Vision des Johann Moritz von Nassau-Siegen kann man sich am Glienicker Horn heute recht nah fühlen.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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