Viele Versicherungsfälle durch Kyrill:Vom Winde verweht

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Die Versicherer leiden deutlich stärker unter dem Orkan "Kyrill" als erwartet. In Zukunft rechnen sie mit mehr Winterstürmen und kalkulieren daher ihre Prämien neu.

Caspar Busse

Vor genau zwei Wochen fegte der Orkan Kyrill über Europa. Die Zerstörungskraft war groß. Aber erst nach und nach zeigt sich, dass Kyrill immense Belastungen auch für die Versicherungswirtschaft mit sich bringt.

Ein vom Orkan Kyrill zerstörter Hochspannungsmast in der Nähe von Magdeburg. (Foto: Foto: ddp)

Der Wintersturm wird auch in der Ertragsrechnung manches Versicherers tiefe Spuren hinterlassen. So meldete die Allianz am Mittwoch, dass mit einer Netto-Schadenbelastung - also unter dem Strich - von immerhin 350 Millionen Euro gerechnet werde. Zum Vergleich: Der geschätzte Gesamtgewinn für 2006 liegt bei mindestens sechs Milliarden Euro.

Fünf bis sieben Milliarden Euro Gesamtschaden

Die Münchener Rück, zweitgrößter Rückversicherer der Welt, schätzt den gesamten versicherten Schaden durch Kyrill auf fünf bis sieben Milliarden Euro, davon entfallen bis zu 600 Millionen Euro auf den Konzern. Es handele sich nur um eine erste Schätzung, teilte die Münchener Rück mit. Die Schadenerhebung sei wegen der außerordentlich hohen Zahl an kleineren und mittelgroßen Schäden sehr aufwändig und werde noch einige Zeit dauern. Die Prognosen seien deshalb noch mit "erheblicher Unsicherheit" verbunden.

Das bedeutet aber auch: Der Gesamtschaden könnte noch wesentlich höher ausfallen. Der Branchenverband GDV rechnete zunächst mit Schäden von einer Milliarde Euro. Swiss Re, der größte Rückversicherer der Welt, veröffentlichte eine Schätzung von 3,5 Milliarden Euro, jetzt hat die Münchener Rück dies nochmal verdoppelt.

Kyrill hatte eine Windstärke von deutlich mehr als 100 Stundenkilometer, in der Spitze sogar das Doppelte. Ungewöhnlich war nicht nur die Intensität, sondern auch die lange Dauer von 24 Stunden in manchen Regionen. Mindestens 39 Menschen fielen dem Orkan zum Opfer.

Deutschland am stärksten betroffen

Am schwersten von dem Wintersturm betroffen waren Deutschland und damit auch die deutschen Versicherer. "Wir rechnen mit etwa 230.000 Schäden bei Privatkunden in Deutschland. Dies entspricht einer voraussichtlichen Netto-Schadensumme von rund 180 Millionen Euro", sagte Thomas Pleines, Chef der Allianz Sachversicherung, zur Lage in Deutschland. Am häufigsten betroffen sei die Gebäudeversicherung.

An zweiter Stelle stünden die Schäden an Kraftfahrzeugen durch umgestürzte Bäume, herabgefallene Äste und andere Gegenstände. Aber auch in den umliegenden Staaten entstanden zum Teil erhebliche Schäden. Betroffen sind unter anderem Großbritannien, die Benelux-Länder, Österreich, Polen, Tschechien und teilweise die Schweiz.

Geschädigt wurden aber auch Unternehmen. Allein die Industrieversicherung der Allianz rechnet mit Nettoschäden von bis zu 50 Millionen Euro. Der größte Einzelschaden für die Münchener Rück war die Havarie des Container-Frachters "Napoli" vor der südenglischen Küste. Der Konzern erwartet allein dadurch eine Belastung im niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbereich.

Versicherer kalkulieren neu

Für die Zukunft rechnen die Versicherer nun mit einer Zunahme solcher verheerender Winterstürme. Kyrill habe erneut das hohe Schadenpotenzial aufgezeigt, teilte Münchener-Rück-Vorstand Torsten Jeworrek dazu mit. Der Klimawandel gilt als der Hauptverursacher. Die Versicherer kalkulieren deshalb neu, Versicherungsschutz wird damit tendenziell immer teurer.

Der bisher teuerste Wintersturm in Europa war Lothar vom Dezember 1999, der vor allem in Frankreich und Deutschland tobte. Der versicherte Schaden betrug damals 7,2 Milliarden Euro. Kyrill könnte also ungefähr diese Größenordnung erreichen. Deutlich größere Schäden verursachen dagegen die Hurrikane in der Karibik. Katrina beispielsweise zerstörte New Orleans weitgehend und verursachte einen Schaden von mehr als 60 Milliarden Euro.

© SZ vom 01.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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