Vermögensnachfolge:Geerbte Schulden

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  • Stecken in einem Nachlass unter dem Strich nur Schulden, müssen die Erben aktiv darauf verzichten - sonst gehören die Miesen ihnen.
  • In der Regel bleiben sechs Wochen Zeit, um ein Erbe auszuschlagen. Jeder 14. Deutsche hat das schon einmal getan.
  • Wenn die Frist verstrichen ist, wird es kompliziert. Dann ist juristische Hilfe nötig.

Von Berrit Gräber, München

Ob Aktien, Bargeld, Schmuck oder Immobilien: Die Nachkriegsgeneration hat richtig viel Vermögen angehäuft. Etwa 130 Milliarden Euro reichen die Deutschen Jahr für Jahr an ihre Nachkommen weiter, ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA). Das heißt aber nicht, dass sich alle Erben freuen können, denn nicht jeder Nachlass macht reicher: Jeder elfte Erbe geht laut DIA leer aus - oder hat plötzlich sogar Schulden am Hals. Denn die Nachlassnehmer haften auch für ein mögliches Minus, das ihnen zufällt.

Wer die Erinnerungsstücke will, muss auch die Schulden nehmen

Ein Beispiel: Die 57-jährige Michaela M. aus Nürnberg ist Alleinerbin ihrer Mutter, die vor Kurzem gestorben ist. Wie es aussieht, hat sie ihr einen Aktienfonds, etwas Erspartes und ein paar Antiquitäten hinterlassen. Zugleich waren das Auto und die neue Waschmaschine aber noch nicht abbezahlt, einige Versandhausrechnungen sowie die Steuernachzahlung offen und das Girokonto mit 5000 Euro in den Miesen. Was also tun?

Reicht der Nachlass definitiv nicht aus, um die Schulden zu bezahlen, sollte die Erbschaft sofort ausgeschlagen werden, rät Michael Henn von der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht. Jeder 14. Deutsche hat das nach einer Analyse der Postbank schon einmal getan, in der Regel wegen geerbter Schulden.

Wer sich wie Michaela M. zum Verzicht entschließt, dem sollte allerdings klar sein, dass er damit alles aus der Hand gibt. Denn Erben funktioniert nur nach dem Prinzip: Ganz oder gar nicht. Der Erbe schlüpft vermögensrechtlich in die Rolle des Erblassers hinein - mit allen womöglich teuren Konsequenzen. Zu den unvermeidlichen Verbindlichkeiten aus einem Nachlass zählen beispielsweise die Kosten für die Bestattung, die Testamentseröffnung oder die Nachlassverwaltung, hinzu kommt die möglicherweise anfallende Erbschaftsteuer. Darüber hinaus können eventuelle Schulden, die der Erblasser an seinem Todestag hatte, abgehen, etwa aus Miet- und Kaufverträgen, überzogenen Konten oder Unterhaltsrückständen. Nur den Sparstrumpf, die Aktien und die alten Möbelstücke herauszupicken, die Schulden aber abzulehnen, geht dagegen nicht. Wer Vermögenswerte und persönliche Erinnerungsstücke behalten will, muss auch für das Minus geradestehen.

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Erben haben meist nur sechs Wochen Zeit

Steht der Entschluss, ein Erbe auszuschlagen, ist Eile geboten. Denn dafür bleibt lediglich eine Frist von lediglich sechs Wochen, die bereits beginnt, sobald ein Erbe vom Tod der Mutter, des Onkels oder der Tante erfährt. Gibt es ein Testament oder einen Erbvertrag, tickt die Uhr ab dem Zeitpunkt, an dem die Verfügung eröffnet wird. Innerhalb der knappen Frist muss der Erbe zum Notar gehen, der die Ausschlagung beglaubigt. Alternativ kann er sich auch ans Nachlassgericht wenden, das in der Regel beim Amtsgericht sitzt. Ein einfacher Brief an das Gericht genügt allerdings nicht, um die Erbschaft abzulehnen, erklärt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Wird die Frist versäumt, gilt das Erbe automatisch als angenommen. Deutlich mehr Zeit bleibt nur, wenn ein Erbe im Ausland ist oder der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz außerhalb Deutschlands hatte. Dann verlängert sich die Frist automatisch auf sechs Monate.

Wer bereits angefangen hat, die Wohnung eines Verstorbenen aufzulösen und Möbel oder Schmuck zu veräußern, kann die Erbschaft meist nicht mehr ausschlagen, warnt Fachanwalt Henn. Denn dieses Verhalten drücke klar aus, dass er das Erbe schon angetreten hat.

Verzichtet ein Erbe, rückt automatisch der nächste nach

Verzichtet ein Erbe, fällt der Nachlass an den nächsten Verwandten in der gesetzlichen Erbfolge. Im Fall von Frau M. wäre das ihr erwachsener Sohn. Will auch er die Schulden nicht haben, muss er ebenfalls das Erbe amtlich ausschlagen.

"Manchmal kann es notwendig sein, dass eine ganze Familie den Weg zum Nachlassgericht antreten muss, damit bei keinem aus der Erblinie der überschuldete Nachlass hängen bleibt", sagt Martin Langenbahn, Jurist der Caritas in Karlsruhe. Haben letztlich alle aus der Familie, auch Onkel, Tanten oder Cousins, auf das teure Erbe verzichtet, fällt es letztendlich an den Staat. Der versucht dann, das Hab und Gut des Verstorbenen zu Geld zu machen und aus dem Erlös die Schulden zu tilgen. Reicht das Geld nicht aus, gehen die Gläubiger leer aus.

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Verstreicht die Frist, wird es knifflig

Komplizierter wird es, wenn Frau M. es verpasst, die überschuldete Hinterlassenschaft ihrer Mutter rechtzeitig auszuschlagen. Aber selbst in diesem Fall gibt es noch Auswege, um das eigene Vermögen zu schützen, betont Steiner. So könnte die Erbin ihre Annahme der Erbschaft beim zuständigen Nachlassgericht oder beim Notar wegen Irrtums über die Überschuldung anfechten. "Man muss den Irrtum allerdings belegen können", gibt Henn zu bedenken.

Aber auch, wenn eine Anfechtung nicht möglich ist, muss noch nicht alles verloren sein. Niemand müsse jahrelang den geerbten Kredit der Mutter oder des Ehemanns abstottern und sich dafür den letzten Cent vom Mund absparen, betont Schuldnerberater Langenbahn: "Es gibt immer Möglichkeiten, dem überschuldeten Erbe zu entfliehen." Allerdings ist dafür in der Regel anwaltliche Beratung notwendig - und die kann kosten. Frau M. könnte beispielsweise eine Nachlassinsolvenz für die von der Mutter geerbten Schulden beantragen. Dafür zuständig ist das Insolvenzgericht am letzten Wohnort des Verstorbenen. Damit wird sie die Erbschaft dann zwar formal nicht mehr los, haftet aber wenigstens nicht mit ihrem persönlichen Vermögen für die Schulden. Das Erbe wird in dem Verfahren vom Privatvermögen des Erben getrennt. Dessen Haftung wird damit auf die Erbmasse beschränkt. Ist außer Verbindlichkeiten nichts mehr übrig, haben die Gläubiger damit das Nachsehen.

Zeichnen sich bei einer Erbschaft böse Überraschungen ab - ist also unklar, ob und wie viele Schulden im Nachlass stecken - ist eine Nachlassverwaltung ratsam, erklärt Langenbahn. Auch hier ist das Nachlassgericht zuständig. Die Erben haben dann so lange keinen Zugriff, bis die Schulden bezahlt sind. Dafür können die Gläubiger die Erben auch nicht haftbar machen. Wer Hilfe bei kniffligen Erbfällen braucht, sollte sich in jedem Fall schnell vom Fachanwalt beraten lassen. Schuldnerberatungsstellen helfen meist auch weiter. Allerdings müssen oft sehr lange Wartezeiten einkalkuliert werden.

© SZ vom 07.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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