Vermieter und Integration:Diese Fremden sind nicht von hier

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Der deutsche Städtetag hat erkannt: Das Ideal vom Nebeneinander von Inländern und Ausländern in Wohnquartieren ist längst von der Wirklichkeit überholt.

Roland Preuß

In seinem Film "Der Mieter" spielt Roman Polanski den zurückhaltenden Bankangestellten Trelkovsky, der in ein Pariser Mietshaus einzieht. Bei jeder seiner Bewegungen klopfen seine Nachbarn an die Wände, um ihn zur Ruhe zu mahnen, bald gehen anonyme Anzeigen bei Hausverwaltung und Polizei ein. Das Werk trägt autobiographische Züge, der Pole Polanski zog 1959 selbst nach Paris. Der junge Trelkovsky fühlt sich terrorisiert und stürzt sich schließlich aus dem Fenster. Im wirklichen Leben geht es weniger dramatisch, aber doch oft heftig zu: Verfeindete Nachbarn streiten sich jahrelang, bevor einer schließlich auszieht.

Wenn es nach Thomas Dilger geht, sollte auch nicht jeder Mieter in jedes Haus einziehen, weil in manchen Fällen Ärger vorhersehbar ist. Der Chef des Großvermieters Nassauische Heimstätte, die 64.000 Wohnungen verwaltet, hat dafür plädiert, dass Menschen aus ähnlichen Kulturkreisen in einem Mietshaus und sogar Blocks zusammenleben und erntet dafür viel Kritik, aber auch Zuspruch. "Wenn wir Integration wollen, dann dürfen die Leute nicht aufgespaltet werden, etwa nach Religionszugehörigkeit", sagt der SPD-Innenexperte Sebastian Edathy. Dilger habe Recht, sagt dagegen der Soziologieprofessor Jens Dangschat, Mitautor einer Studie des Bundesbildungsministeriums: "Es geht um gemeinsame Werte." Wenn die Kluft zwischen den Nachbarn als zu groß empfunden werde, gebe es Probleme. Sind Häuser voller Muslime oder voller Spätaussiedler also friedlicher als gemischte Nachbarschaften, die Vermeidung des Kulturkampfes im Quartier gar ein Integrationsmodell?

Unter Landsleuten

Ob sich eine türkische Rentnerin wirklich seltener mit einer lauten türkischen Großfamilie zankt als eine deutsche Seniorin, ist umstritten. Die Deutsche Annington etwa, mit 220.000 Wohnungen einer der größten Vermieter, hält nichts von "Milieuhäusern". Die Herkunft spielt bei der Wohnungsvergabe nur in Ausnahmefällen eine Rolle, etwa wenn ein Israeli in ein von vielen Arabern bewohntes Haus einziehen will. Genauso skeptisch ist man bei dem Großvermieter jedoch, wenn Studenten in einem Haus voller Rentner eine Wohngemeinschaft gründen wollen. Mit dieser Linie hat das Unternehmen gute Erfahrungen.

Hinter den unterschiedlichen Ansätzen steht die Grundsatzfrage, ob die Politik letztlich die Aufteilung der Städte zulassen oder sogar fördern soll. Großvermieter und Experten sehen durch ethnische Gruppen geprägte Häuser oder Straßenzüge längst als Realität an. Dies hat mehrere Gründe. Erstens wollen viele Zuwanderer unter ihren Landleuten wohnen, weil die neue Umwelt dann weniger fremd erscheint. Zudem haben die Städte weniger Einfluss auf eine Durchmischung der Nationalitäten wie noch vor zehn Jahren. Viele haben ihre Wohnungen an Privatinvestoren verkauft und können deshalb nur noch indirekt mitreden bei der Vermietungspraxis. Zugleich verzichten immer mehr Kommunen und Großvermieter auf eine starre Höchstquote an Ausländern - als Faustregel gelten 15 Prozent - , sagt Gudrun Kirchhoff von der Schader-Stiftung.

Neue Studie

Die Einrichtung hat im Frühling in Zusammenarbeit mit dem Städtetag und großen Wohnungsunternehmen die Integrations-Studie "Zuwanderer in der Stadt" vorgelegt. Die Experten sind sich weitgehend einig: Die Abtrennung von Ausländergruppen, die Segregation, ist nicht mehr umkehrbar, sondern lediglich gestaltbar. Sie weisen die weitverbreitete Kritik an "Ghettos" und "Parallelgesellschaften" zurück. Türkisch oder sonst wie geprägte Viertel haben demnach den Vorteil, dass sich die Zuwanderer leichter zurechtfinden, etwa in der deutschen Bürokratie und bei der Jobsuche erfolgreicher sind. Die Abspaltung fördern will allerdings niemand, denn auch die Nachteile sind unübersehbar: Zuwanderer-Viertel könnten zu Armutsfallen werden, in denen Ausländer nur schwer Deutsch lernen und deshalb auch keinen Weg in die Gesellschaft der Mehrheit finden.

Der Lösungsvorschlag, den der Städtetag und Wissenschaftler für diese Probleme anbieten, ist fundiert, aber nicht billig: Die Ausländerviertel brauchen ausländische Ansprechpartner in den Verwaltungen - und Investitionen, vor allem in die Bildung. Und die Schulen müssten so attraktiv werden, dass auch einheimische Eltern aus gutbürgerlichen Kreisen ihre Kinder dorthin schicken wollen.

© SZ vom 23.11.2007/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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