Verbraucherschutz:Kalt erwischt

Lesezeit: 2 min

Von "Cold Calling" und "Slamming" - wie sich Verbraucher gegen unerwünschte Werbeanrufe wehren können.

Marco Völklein

Egal, welche Verbraucherzentrale man in Deutschland fragt, die Reaktion bleibt immer die gleiche: "Das ist ein riesiges Ärgernis" und "hunderte Beschwerden im Monat". Nicht nur die Verbraucher fühlen sich von unerwünschten Werbeanrufen belästigt, auch bei den Verbraucherberatungsstellen liegen die Nerven blank: Allein bei der Verbraucherzentrale Bremen gehen pro Woche rund 50 Beschwerden ein. Auch Bundesverbraucherminister Horst Seehofer (CSU) hat das Problem erkannt und arbeitet an einem neuen Gesetz.

Mitarbeiter von Call-Centern beantworten Fragen von Kunden und führen auch Werbe-Umfragen durch. (Foto: Foto: ddp)

Doch das lässt noch auf sich warten. Unterdessen gehen die Unternehmen mit ihren halb-legalen Tricks weiter auf Kundenfang: Lovis Wambach von der Verbraucherzentrale Bremen weiß von einer 87-Jährigen zu berichten, die den Begriff Internet noch nie gehört hatte, der aber am Telefon ein Vertrag für einen Internetanschluss für monatlich 50 Euro aufgeschwatzt wurde.

"Cold Calling" - überraschender Werbeanruf

Die Methoden nennen sich "Cold Calling" und "Slamming". Beim Cold Calling rufen Firmen die Verbraucher an und bieten ihnen Produkte oder Dienstleistungen an. Die Verbraucher haben dem überraschenden Werbeanruf vorher nicht zugestimmt und werden davon kalt erwischt ("cold" bedeutet im Englischen "kalt" - daher der Ausdruck).

Solche Werbeanrufe sind zwar verboten, die Anbieter schert das aber wenig. "Bis zu diesem Punkt ist es nur ärgerlich für den Verbraucher", erklärt Carmen Gahmig von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Teuer wird es, wenn der Anrufer vom Cold Calling zum Slamming (Englisch für "zuschlagen") übergeht.

"Slamming" - überraschender Vertragsabschluss

Darunter verstehen Juristen das Unterschieben eines unerwünschten Vertrags. Lässt sich der Verbraucher auf ein Cold-Calling-Gespräch ein, bietet das Unternehmen ihm zum Beispiel Infos über ein Gewinnspiel oder einen neuen Telefontarif an. Dazu fragt der Anrufer Name und Adresse des Angerufenen ab, oft auch die Kontodaten.

Und obwohl im Telefonat allenfalls über Infomaterial oder die Zusendung eines Tippscheins gesprochen wurde, erhält der Angerufene kurze Zeit später die Bestätigung für einen neuen Vertrag - zum Beispiel für einen neuen Zugang zum Internet oder einen sogenannten Preselection-Vertrag beim Telefon, sodass automatisch alle Ferngespräche eines Anschlusses über einen anderen Anbieter laufen.

Lesen Sie weiter: Was der Verbraucherschutz fordert.

"Die Gespräche verlaufen oft nur im Ungefähren, sodass vielen Angerufenen danach gar nicht klar ist, was denn nun besprochen wurde", sagt Verbraucherschützer Wambach. Das Paradoxe an der Situation: Während Anrufe ohne vorherige Zustimmung des Angerufenen seit Sommer 2004 verboten sind, sind dabei geschlossene Verträge rechtswirksam. "Diese Einladung zum Rechtsbruch muss unterbunden werden", fordert Gerd Billen, Vorstand des Verbraucherzentrale Bundesverbands.

"Vielen Leuten ist gar nicht klar, dass man auch am Telefon einen rechtskräftigen Vertrag schließen kann", sagt Verbraucherschützerin Gahmig. Wem dieser Vertrag nicht passt, muss innerhalb von 14 Tagen schriftlich widersprechen. Die Verbraucherzentrale Bremen bietet im Internet unter www.verbraucherzentrale-bremen.de einen Musterbrief zum Ausfüllen an. Außerdem helfen bundesweit die Verbraucherzentralen in ihren Beratungsstellen weiter (Adressen finden sich im Telefonbuch oder unter www.verbraucherzentrale.de).

Bußgeld von 50.000 Euro

Allerdings gibt es auch Fälle, in denen die Kunden den Vertrag überhaupt nicht widerrufen können. Das ist dann der Fall, wenn sich der Vertragswert auf weniger als 200 Euro beläuft, erläutert Verbraucherschützerin Gahmig. Oft würden Anbieter von Zeitschriftenabos oder Lotterie-Teilnahmen die Laufzeiten so konstruieren, dass diese Bagatellgrenze nicht überschritten wird. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert daher einen Wegfall dieser Grenze.

Verbraucherschutzminister Seehofer handelt mit seiner Justizkollegin Brigitte Zypries (SPD) derzeit Details eines neuen Gesetzes aus, das Verbraucher besser vor unerwünschten Werbeanrufen und untergeschobenen Verträgen schützen soll. Seehofer will unter anderem das Bußgeld für Anrufer auf 50.000 Euro erhöhen und ein generelles 14-tägiges Widerrufsrecht einführen.

Verbraucherschützer fordern zusätzlich, dass die Unternehmen verpflichtet werden, zu einem telefonisch vereinbarten Vertrag eine Bestätigung einzuholen - per Brief, Fax oder E-Mail. Dagegen sperre sich aber noch das Justizministerium, heißt es beim Verbraucherzentrale Bundesverband. "Frau Zypries sollte nur mal einen Tag bei uns als Praktikantin arbeiten und am Telefon sitzen", sagt Verbraucherschützer Wambach. "Dann wüsste sie, was im Gesetz stehen muss." Dieser Mann ist wirklich genervt.

© SZ vom 24.04.2008/sme - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: