US-Immobilienkrise:Allianz der Hoffnung

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Banken und die Regierung wollen den klammen Hausbesitzern in Amerika helfen. Doch das Rettungspaket ist umstritten - und die Krise längst zu einem Thema im Präsidentschaftswahlkampf geworden

Nikolaus Piper

Die Zahlen jagen manchen an der Wall Street Schauer über den Rücken: Bei über zwei Millionen zweitklassiger Hypothekendarlehen werden im nächsten Jahr die Zinsen steigen, teils dramatisch. Viele Hausbesitzer werden sich Zins und Tilgung nicht mehr leisten können und mit ihren Zahlungen in Rückstand kommen. Dabei geht es um Kredite von insgesamt 362 Milliarden Dollar, eine Summe, die ungefähr dem Bruttoinlandsprodukt von Dänemark entspricht.

Was mit den kritischen Hypotheken geschieht, ist zu einer Schlüsselfrage für die amerikanische Wirtschaft geworden. An ihr hängt nicht nur das Schicksal von zwei Millionen Familien, sondern auch die Konjunktur des Landes.

Je mehr Familien zahlungsunfähig werden, desto größer sind die Verluste an der Wall Street und desto größer das Risiko, dass die Vereinigten Staaten doch noch in eine Rezession rutschen. Weil dies so ist, hat sich die Regierung George Bush nach monatelangem Zögern jetzt massiv in die Hypothekenfrage eingeschaltet.

Pause bei den Zinsen

Finanzminister Hank Paulson verhandelt mit einer Gruppe von Banken und Wertpapier-Spezialisten über einen Plan, nach dem die Zinsen für bedrängte Schuldner bis zu sieben Jahre lang eingefroren werden sollen. Die Koalition aus Regierung und Finanzbranche trägt den Namen "Allianz Hoffnung jetzt" und wird die Details des Plans noch in dieser Woche veröffentlichen.

Im Zentrum steht dabei ein fragwürdiges Kreditinstrument, das die Geldverleiher besonders 2005 und 2006 millionenfach verkauft haben: Hypotheken mit anpassbarem Zinssatz. Dabei handelte es sich um Hausdarlehen an weniger solvente Kunden, die entsprechend riskant und teuer sind.

Das Besondere daran ist, dass die wahren Kosten verdeckt werden durch eine meist zweijährige Phase, in der die Schuldner nur einen niedrigeren Lockzins zahlen müssen. Wenn der ausläuft, wird der Kredit umso teurer.

Typischerweise beginnt so ein Darlehen bei sieben bis acht Prozent und springt dann auf 9,5 bis elf Prozent, die 30 Jahre lang zu zahlen sind. Hohe Gebühren, die im Falle einer vorzeitigen Kündigung fällig werden, hindern die Kunden daran, zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln.

Solche Kredite haben viele ärmere Familien aufgenommen, besonders Einwanderer aus Lateinamerika. Die Geldverleiher haben die Zinsen mit dem anpassbaren Zinssatz aber auch Kunden aufgedrängt, deren Solvenz eigentlich für eine ganz normale, billigere Hypothek gereicht hätte. Schließlich sind auch Wohlhabende in die Zinsfalle getappt: Sie spekulierten auf weiter steigende Immobilienpreise und kauften Häuser praktisch ohne Eigenkapital, um sie hinterher teurer weiterzuverkaufen. Nun ist die Spekulationsblase geplatzt und die Kreditnehmer verlieren viel Geld.

Bei dem Plan von Finanzminister Paulson und den Banken geht es darum, für bestimmte Familien die Festzinsphase zu verlängern. Dabei sollen möglichst nur jene begünstigt werden, die gerade noch zahlungsfähig sind, die aber durch zwei oder drei Prozentpunkte Zinsunterschied in Not geraten. Ob dies gelingt und wie groß die Gruppe der Begünstigten sein wird, hängt von den noch unveröffentlichten Details des Plans ab.

Bereits jetzt schon ist das Rettungsprojekt an der Wall Street heftig umstritten. Einige Kritiker halten den Plan lediglich für einen Trick, der es den Banken erlaubt, den Tag der Wahrheit hinauszuschieben, an dem sie die Kredite in ihren Büchern abschreiben müssen. Andere halten genau dies für sinnvoll, denn auf diese Weise gewinnen alle Beteiligten Zeit. So oder so wird der Hilfsplan innovativ sein müssen.

Wertpapiere in aller Welt verstreut

Das entscheidende Problem: Die Kredite liegen überwiegend nicht bei den Instituten, die sie einst verkauft haben, sondern wurden in Wertpapiere verwandelt und rund um den Globus verkauft. Es ist daher unmöglich, alle Gläubiger an einen Tisch zu bekommen. Wenn die Großen des Geschäfts, von Citigroup über Countrywide bis zu Wells Fargo, über eine Zinspause reden, verhandeln sie auch über das Geld nicht beteiligter Aktionäre und Investoren.

Hier können schwierige Rechtsfragen auftreten. Entscheidend wird sein, dass die beiden großen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac bei der Allianz mitmachen. Sie haben zusammen ungefähr 15 Prozent aller US-Hypotheken aufgekauft.

Andererseits stehen alle Beteiligten unter großem ökonomischen und politischen Druck. Die Hypothekenkrise ist längst zu einem Thema im Präsidentschaftswahlkampf geworden. Die demokratische Favoritin Hillary Clinton hat weitreichende Eingriffe in den Markt gefordert. Sollte sich die Branche jetzt nicht mit Hank Paulson einigen, dürfte der Kongress eine Reform des Konkursrechts beschließen, die es einzelnen Richtern überlassen würde, für bedrängte Schuldner Zinssenkungen anzuordnen. Vermutlich würde dies für die Finanzbranche wesentlich teurer.

© SZ vom 4.12.2007/sho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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