US-Finanzkrise:Die nackte Angst

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Anleihen gelten in normalen Zeiten als sichere Anlage - doch die Zeiten sind aufgrund der Finanzkrise alles andere als normal.

Markus Zydra

Das mussten Tausende Investoren erleben, die ihr Geld in Auction Rate Securities (ARS) gesteckt hatten. Diese Anleihen werden traditionell von amerikanischen Städten und von Studentenbanken begeben, die so ihre langfristige Geldnachfrage zu günstigen Konditionen decken. Investmentbanken wie Goldman Sachs, Lehman Brothers, Merrill Lynch, aber auch Citi und die Schweizer Bank UBS hatten die Produkte als Alternative zum Geldmarkt beworben, mithin als sehr sichere Investition. Im Februar brach der Markt jedoch komplett zusammen. Die Finanzkrise hatte die Nachfrage erstickt. Die Anleger kamen nicht mehr an ihr Geld.

Verunsicherte Wall Street: Die Finanzkrise hat die Verbraucher massiv verunsichert. (Foto: Foto: AP)

Jetzt haben sich die US-Banken Citi und Merrill Lynch dazu bereit erklärt, die umstrittenen Anleihen in Milliardenhöhe von Zehntausenden Kunden zurückzukaufen. Das war keine noble Geste, sondern nackte Angst vor Sanktionen durch die US-Finanzaufsicht SEC. Die Ermittler waren gerade dabei, gegen die Banken wegen irreführender Vermarktung und betrügerischen Verhaltens vorzugehen. Die Institute haben daher jetzt einem Vergleich zugestimmt.

Markt einfach so zusammengebrochen

ARS sind Anleihen mit Laufzeiten von 20 Jahren. Das Besondere dieser Konstrukte: Der Zinssatz ist variabel und wird alle sieben bis 49 Tage neu festgelegt, und zwar in einem Bieterverfahren. In der Vergangenheit war dieser 330 Milliarden Dollar schwere Markt sehr liquide. Anleger konnten zum Auktionstag ihre Anleihe problemlos verkaufen, sei es, weil sie das Bargeld brauchten; sei es, dass sie mit der Zinsentwicklung nicht zufrieden waren. Doch Mitte Februar kollabierte der Markt: Niemand machte mehr ein Angebot, alle horteten ihr Geld - ein Albtraum für jeden Auktionator.

Hintergrund des Käuferstreiks ist die bis heute andauernde Kreditkrise und der gewachsene Unwille der Investoren, überhaupt Geld abzugeben. Besonders pikant: Auch die vermittelnden Investmentbanken gaben im Februar im Rahmen der Auktionen keine Angebote mehr ab und ließen die Anleger hängen. Ein Milliardenmarkt stand plötzlich ohne Käufer da. Betroffen sind neben Unternehmen offenbar auch viele Kleinanleger, wie die SEC-Ermittler mitteilten.

Einigung ein Präzedenzfall

Nun haben die beiden amerikanischen Investmentbanken eingelenkt. Die Einigung ist ein Präzedenzfall, da Behörden landesweit gegen Banken und Brokerhäuser wegen der umstrittenen Praxis bei der Vermarktung von ARS ermitteln.

Der Marktführer Citi wird ARS im Volumen von mehr als sieben Milliarden Dollar zurückkaufen. Davon würden landesweit etwa 40.000 Kunden profitieren. Die Bank zahlt außerdem 100 Millionen Dollar Strafe, um den Streit mit den US-Behörden in der Sache zu beenden.

Merrill Lynch will ab dem 15.Januar2009 ein Jahr lang die Anleihen von seinen Kunden zurückkaufen. Das Volumen wird auf zwölf Milliarden Dollar geschätzt. Konkurrent Morgan Stanley wird eine Entschädigung in Höhe von 1,5 Millionen Dollar an zwei Städte zahlen, die in ARS investiert hatten. Zudem wurde die Bank of America von Behörden des Bundes und einzelner Bundesstaaten um mehr Informationen über ARS gebeten. Das Finanzinstitut erklärte am Donnerstag, entsprechende Vorladungen erhalten zu haben. Man arbeite mit den Behörden zusammen, hieß es weiter.

Schweizer Bank verklagt

Nach einem Bericht der Zeitung Boston Globe soll auch die Schweizer Großbank UBS sich zum Rückkauf von ARS- Anleihen bereit erklärt haben. Es gehe um ein Volumen von 19,4 Milliarden Dollar. Für UBS könnte ein solcher Schritt weitere Abschreibungen bedeuten. Bereits am 24. Juli hatte der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo UBS wegen der Handhabung von ARS verklagt und ihr einen "Multi-Milliarden-Dollar-Betrug" vorgeworfen. "Wir arbeiten nach wie vor eng mit den Behörden zusammen, um Lösungen zu finden", sagte eine Sprecherin der Schweizer Bank.

Unterdessen hat der amerikanische Technologiekonzern STMicroelectronics gegen die zweitgrößte Schweizer Bank, Credit Suisse, Klage erhoben. Das Institut verwaltet offenbar Geld für das Unternehmen und soll ohne Berechtigung 450 Millionen Dollar in ARS-Anleihen angelegt haben. Bei STMicro sei man davon ausgegangen, dass Credit Suisse die Summe in sichere Anlagen stecke, zitierte die Nachrichtenagentur Reuters aus der Klageschrift, die die Firma am Mittwoch vor dem Bundesbezirksgericht Brooklyn in New York eingereicht hatte.

© SZ vom 09./10.08.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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