Urteil gegen Jérôme Kerviel:Und die Bank ist fein raus

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Jérôme Kerviel muss mehrere Jahre in Haft und die verzockten Milliarden zurückzahlen. Fälschlicherweise weist das Gericht dem Händler die Alleinschuld zu, dabei war sein Handeln auch systembedingt.

Michael Kläsgen, Paris

Jérôme Kerviel ist hart bestraft worden, was angesichts des Ausmaßes seiner Betrügereien angemessen erscheint. Er spekulierte am Ende mit 50 Milliarden Euro, also mit mehr Geld als die Société Générale damals an Eigenkapital veranschlagte. Er setzte damit die Existenz der zweitgrößten französischen Bank und die Stabilität des internationalen Finanzsystems aufs Spiel.

Drei Jahre Haft, zwei Jahre auf Bewährung: Börsenspekulant Jérôme Kerviel. (Foto: dpa)

Da dies kein Straftatbestand ist, wurde er des Vertrauensmissbrauchs, der Fälschung und der Eintragung falscher Daten in das Computersystem der Bank angeklagt. Auf diese recht prosaisch klingenden Vergehen stehen laut Gesetzbuch maximal fünf Jahre Haft. Die Richter schöpften das Strafmaß voll aus, setzten aber zwei Jahre auf Bewährung aus und milderten damit das harte Urteil etwas.

Sie lassen gleichwohl keinen Zweifel an der Schuld des Börsenhändlers und zwar an seiner Alleinschuld. Mehr noch: Sie sprachen die Bank von jeglicher Mitschuld frei, indem sie Kerviel zusätzlich zur Zahlung des gesamten Verlustes verpflichteten, den er der Bank einbrockte: 4,9 Milliarden Euro.

Das ist das eigentlich Überraschende an dem Richterspruch. Und: Die Richter gehen damit einen Schritt zu weit. Jetzt sieht es fälschlicherweise so aus, als sei die Bank für rein gar nichts verantwortlich gewesen. Ein so klares Urteil zugunsten der Bank entspricht nicht der Realität. Die nächste Instanz könnte die Entscheidung kassieren. Und in die nächste Instanz wird es gehen. Kerviels Anwalt kündigte sofort an, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Zu Recht.

Die Richter übersahen, dass Kerviels Handeln durchaus etwas Systeminhärentes hatte. Die Bank akzeptierte es, wenn ihre Händler hohe Risiken eingingen. Hohe Risiken versprachen hohe Gewinne. All das haben etliche Zeugen bestätigt. Und an der Praxis hat sich bis heute trotz der Finanzkrise nicht wirklich etwas verändert. Die Richter haben das nicht ausreichend berücksichtigt. Sie wollten ein Symbol setzen, erzieherisch wirken, aber nur in Richtung Händler. Diese wollten sie abschrecken, so wie Kerviel ihr Mandat über alle Maßen zu überschreiten.

Die Lehre daraus soll im Prinzip lauten: Händler, ihr haftet persönlich dafür, wenn ihr zu hohe Risiken eingeht. Es ist ein Appell an die Selbstdisziplin, was an sich kein schlechter Ansatz ist. Aber die Bank auf diese Weise von ihrer Haftungs- und Kontrollpflicht zu entbinden, geht zu weit. Es ist an der Bank, ihren Händlern klare Grenzen zu setzen.

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