Unisex-Tarife:EU-Kommission will Preiserhöhungen für Frauen verhindern

Lesezeit: 3 min

Versicherungen dürfen nach dem 20. Dezember keine Tarife mehr verkaufen, bei denen Frauen und Männer unterschiedliche Preise zahlen. Die EU-Kommission will verhindern, dass die Anbieter generell die Prämien erhöhen, wenn sie nicht mehr nach Geschlecht unterscheiden dürfen. Was Verbraucher bei der Umstellung beachten müssen.

Von Alexander Hagelüken und Uwe Schmidt-Kasparek

Die EU-Kommission wendet sich scharf gegen Ankündigungen der Versicherer, dass durch neue Brüsseler Regeln generell die Preise steigen. "Die Versicherungsindustrie ist kompetitiv und innovativ. Sie sollte in der Lage sein, den Kunden attraktive Unisex-Tarife anzubieten, ohne dass es zu ungerechtfertigten Wirkungen auf das allgemeine Preisniveau kommt", heißt es in einem Arbeitspapier von Justizkommissarin Viviane Reding, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Ab diesem Freitag dürfen in der EU keine Auto-, Lebens- oder andere Versicherungen mehr verkauft werden, bei denen Männer und Frauen aufgrund ihres Geschlechts unterschiedliche Preise zahlen. Die neuen Unisex-Tarife gehen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs zurück, der damit Diskriminierung verhindern will. Reding kündigt an, dass sie genau überwachen will, wie die Versicherer die neuen Regeln umsetzen: "Die Branche hatte 21 Monate Zeit, den Übergang zu Unisex-Tarifen vorzubereiten." Falsch seien Meldungen, wonach die neuen Regeln zum Beispiel automatisch zu Preiserhöhungen für Frauen führen müssten. Zwar müssten sie womöglich mehr für Autoversicherungen zahlen, aber weniger für Gesundheits- oder Lebensversicherungen, bei denen sie bisher höhere Beiträge gezahlt hätten.

Die Unisex-Tarife kommen also trotzdem, obwohl der Bundesrat ein entsprechendes Gesetz erstmal auf Eis gelegt hat. In anderen Fällen bleibt es dagegen erstmal beim alten Recht: Eine Übersicht.

Unisex-Tarife

Die Assekuranzen dürfen nach dem 20. Dezember keine Tarife mehr verkaufen, bei denen Frauen und Männer unterschiedliche Preise zahlen. Die Verzögerung des deutschen Gesetzgebers verhindert die Einführung nicht, betont die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Gleichzeitig droht sie: Für Versicherungen, die danach noch sogenannten Bisex-Tarif anböten, gebe es "große Rechtsrisiken". Verbraucherschützer sind hingegen skeptisch. Axel Kleinlein vom Bund der Versicherten (BdV) aus Hamburg erklärt, Verbraucher sollten sich sicherheitshalber schriftlich bestätigen lassen, dass sie einen Unisex-Tarif erhalten haben.

Bisex-Tarife

Noch können vor allem Männer durch den Kauf von Bisex-Tarifen Geld sparen. So ist Schutz gegen Berufsunfähigkeit sowie die private Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung derzeit für sie günstiger.

Bewertungsreserven

Für Lebensversicherungen bleibt es erst einmal beim alten Recht. Demzufolge müssen die Kunden, die kündigen oder deren Verträge auslaufen, mit 50 Prozent an allen Bewertungsreserven beteiligt werden. Eine Neureglung kann frühestens Ende Februar 2013 in Kraft treten. Diese Reserven entstehen, wenn der Marktwert eines Wertpapiers über dem Buchwert liegt. Dabei kann es für die Kunden um viel Geld gehen. "Je nach Versicherer und Vertrag reichen die Beteiligungen an den Bewertungsreserven von Null bis über zehn Prozent des ausgewiesenen Rückkaufswert", heißt es Cashlife aus Pullach. So soll beispielsweise Marktführer Allianz im Schnitt Bewertungsreserven von sieben bis zehn Prozent des Rückkaufswerts auszahlen. Bei der Debeka wären es aktuell hingegen nur vier Prozent.

Kündigung

Kunden sollten genau prüfen, ob eine vorzeitige Kündigung sinnvoll ist, um die Bewertungsreserven nach heutigem Recht mitnehmen zu können. Bei der Aachen-Münchener Versicherung gibt es beispielsweise auf Anfrage eine Wertmitteilung, die auch den Anteil der Bewertungsreserven ausweist. Ähnlich informieren andere Assekuranzen. Die meisten Kunden können, wenn sie monatlich ihre Prämie zahlen, noch bis Ende 2012 vorzeitig kündigen. Dies bestätigen Aachen-Münchener, Allianz und R+V. Fristgerecht, so die Allianz, ist die Kündigung, wenn der Posteingangsstempel bis 31. Dezember auf dem Schreiben ist. Scheinbar gibt es aber auch andere Kündigungsregelungen. So besteht die Ergo Lebensversicherung auf einer Kündigungsfrist von einem Monat. Frühestens können Ergo-Kunden, die monatlich zahlen, daher zum 1. Februar 2013 aussteigen.

Unerwartet deutlich warnt die Aufsichtsbehörde vor einer vorschnellen Kündigung von Lebensversicherungen. So erhielten die Versicherungsnehmer bei einer Kündigung geringere Schlussüberschüsse und müssten einen so genannten Stornoabzug hinnehmen. Die R+V und die Ergo weisen daraufhin, dass Kunden damit die Option auf eine lebenslange Rente verlieren würden. Außerdem könnten Kunden den Schutz für Hinterbliebene und gegen Berufsunfähigkeit gefährden. Neue Policen können meist nur zu deutlich schlechteren Bedingungen abgeschlossen werden. Zudem müsse die derzeitige Verzinsung an den Märkten berücksichtigt werden.

Die Streichung der 50-prozentigen Beteiligung an den Bewertungsreserven, die nur für festverzinsliche Anlagen gelten soll, ist nach Meinung von Experten sinnvoll und notwendig. "Diese Ausschüttung schädigt die verbleibenden Kunden nachhaltig", sagt Reiner Will, Geschäftsführer der Rating Agentur Assekurata aus Köln.

Die bisherige Regelung war 2008 vom Gesetzgeber eingeführt worden. Dabei war nach Meinung von Will aber die Auswirkung einer Niedrigzinsphase nicht bedacht worden. So führten stark sinkende Zinsen zu steigenden Bewertungsreserven auf festverzinsliche Wertpapiere, die die Versicherer noch aus Zeiten höherer Zinsen im Bestand haben. Laut GDV entstehen diese Bewertungsreserven aber nur fiktiv. "Sie lösen sich im Zeitablauf durch die Auszahlungen der jährlichen Zinsen oder bei einem Zinsanstieg wieder vollständig auf." Entsprechend stehe den Versicherern kein zusätzliches Kapital zur Verfügung. Geplant ist nun eine Neuregelung, die besondere Härten für aktuell ausscheidende Kunden abmildern soll.

© SZ vom 20.12.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: