Überraschender Vorstoß:Moskau sucht Pakt mit Opec

Lesezeit: 2 min

Russland baut seine Macht in der Energiepolitik massiv aus: Das Land will die Beziehung zur Opec vertiefen. Der Westen ist besorgt.

Andreas Oldag u. Sonja Zekri

Der russische Vizepremier Igor Setschin überraschte jetzt bei der Tagung des Ölkartells Opec in Wien mit einem Memorandum.

Alles deutet daraufhin, dass Russland in der nächsten Dekade seine Schlüsselposition ausbauen wird (Foto: Foto: Reuters)

Darin bietet Moskau der Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) eine "intensive Zusammenarbeit" an. Im Westen wächst die Sorge, dass Russland langfristig eine volle Mitgliedschaft in der Organisation anstreben und die Abnehmerländer seiner Energieexporte erpressen könnte.

Die Ölpreise sind am Mittwoch nach der überraschenden Förderkürzung der Opec leicht gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) mit Auslieferung im Oktober kostete 103,61 US-Dollar und damit 35 Cent mehr als am Vortag.

Die Opec hatte eine Senkung von 520 000 Barrel pro Tag angekündigt. Das ist allerdings nur eine geringe Menge angesichts der bisherigen Gesamtförderung von etwa 30 Millionen Barrel täglich. Am Dienstag war der Ölpreis zeitweise unter 100 Dollar gefallen.

"Regelmäßige Treffen"

Setschin war mit einer 20-köpfigen Delegation in Wien erschienen, der größten, die nach Einschätzung von Beobachtern je von einem Nicht-Opec-Staat nach Wien geschickt wurde. Die Opec kontrolliert 40 Prozent der globalen Ölproduktion. Russland, das kein ständiges Mitglied ist, aber die Treffen regelmäßig besucht, kommt auf einen Anteil von elf Prozent.

Würden beide Seiten enger zusammenarbeiten, könnten sie über die Hälfte des weltweiten Erdöls beherrschen. Nach dem Kaukasuskrieg und der russischen Anerkennung der abtrünnigen georgischen Republiken Abchasien und Süd-Ossetien hatte sich das Klima zwischen Russland, dem zweitgrößten Öl-Exporteur nach Saudi-Arabien, und dem Westen stark abgekühlt.

Die EU betrachtet die Abhängigkeit von russischen Ressourcen mit Sorge, obwohl Russland bislang allen Lieferverpflichtungen nachgekommen ist.

Russland habe der Opec "regelmäßige Treffen" vorgeschlagen, einen "Energie-Dialog", um in Fragen der Energiesicherheit und globaler Marktprognosen zusammenzuarbeiten, sagte Setschin in Wien. Die Opec habe den russischen Vorstoß "positiv" aufgenommen", erklärte Setschin.

Nun hoffe man auf eine Antwort bis Oktober, wenn sich die Vertreter des Energie-Kartells in Moskau treffen. Setschin ist Aufsichtsratsvorsitzender des staatlich kontrollierten Öl-Unternehmens Rosneft, dem größten Erdöl-Produzenten Russlands, ein enger Vertrauter des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin und gilt als eher kritisch gegenüber dem Westen.

Ölanalysten in London werteten den Vorstoß Moskaus als geschickten Schachzug, um den Westen an die Bedeutung der russischen Ölexporte zu erinnern.

Dies könne die Verhandlungsmacht Russlands auch bei den Preisen für sein Erdgas stärken, hieß es. Allerdings ist fraglich, ob die Opec mehrheitlich überhaupt an einer engeren Zusammenarbeit oder sogar an einer vollen Aufnahme Russlands in das Kartell interessiert ist.

Auf der nächsten Seite: Was Saudi-Arabien tun wird

Zudem tut sich die Organisation mit ihren 13 Mitgliedsstaaten ohnehin schwer, in politisch sensiblen Fragen einen gemeinsamen Standpunkt zu finden. Vor allem Saudi-Arabien als enger Verbündeter der USA und weltweit größter Ölexporteur wird es nicht zulassen, dass Moskau der Organisation seinen Stempel aufdrückt. Eine andere Position könnten allerdings die Opec-Hardliner wie Iran und Venezuela einnehmen, die ohnehin schon engere politische Beziehungen zu Russland pflegen.

Der Vorstoß des russischen Vizepremier Setschin in Wien könnte auch die Debatte in der Europäischen Union über die Gefahren einer zu starken Abhängigkeit der Gemeinschaft von Russlands Energieimporten anfachen. Der britische Premierminister Gordon Brown hatte vor kurzem eindringlich davor gewarnt, dass die EU erpressbar werde. Brown forderte die Gemeinschaft auf, sich von Moskau unabhängiger zu machen. Russland ist der größte Erdgaslieferant für die EU.

Alles deutet daraufhin, dass Russland in der nächsten Dekade seine Schlüsselposition dank seiner sibirischen Gas-, aber auch Öl-Reserven ausbauen wird. Im gleichen Zeitraum gehen für die EU die eigenen Gas- und Öl-Quellen in der Nordsee Quellen immer stärker zur Neige.

© SZ vom 11.09.2008/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: