T-Aktie:Tatort Börse

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Vor zehn Jahren wurde die Telekom-Aktie eingeführt - und entwickelte sich durch den Einsatz des Publikumslieblings Manfred Krug zur Volksaktie.

Thomas Öchsner

"Wenn die Telekom an die Börse geht, dann geh' ich mit." Mit diesem Slogan warb der Schauspieler Manfred Krug vor zehn Jahren für den Kauf der T-Aktie.

Vor zehn Jahren präsentierte der damalige Telekom-Chef Ron Summer stolz den Ausgabe-preis der T-Aktie. (Foto: Foto: AP)

Dem kahlköpfigen Charakterdarsteller gelang damals etwas, womit nur wenige Experten gerechnet hatten: Als Alleinunterhalter, der in einer Serie von TV-Spots die Zuschauer im direkten, persönlichen Gespräch überzeugte, entfachte er eine Jackpot-Stimmung.

Der Schauspieler, bekannt aus der Serie Liebling Kreuzberg, kam so gut an, dass Millionen Kleinanleger unbedingt die Telekom-Papiere haben wollten, obwohl für sie Aktien vorher Teufelszeug gewesen waren.

"Triumph der Werbung"

"Krug passte optimal in unser Konzept und brachte einen bedeutenden Schub", sagt Wilfried Engbrox, Kreativer der Düsseldorfer Werbeagentur SEA. Engbrox war damals an der Kampagne beteiligt. In Fachkreisen gilt Krugs Auftritt inzwischen als "Triumph der Werbung".

Normalerweise dauert es Jahre, bis Millionen Menschen ihre Meinung ändern. Die Kampagne mit Krug bewegte die Massen innerhalb weniger Monate. "Die T-Aktie wurde zu einem Markenartikel", sagt Engbrox.

Mehr als 40 Millionen Euro ließ sich die Telekom damals die Werbung und Aufklärungsarbeit für den T-Aktien-Start 1996 kosten. Nur zwei Aktien-Kampagnen waren noch teurer - zur Emission des Halbleiterherstellers Infineon und zur Platzierung der Deutschen Post. Sie sollen jeweils gut 50 Millionen Euro gekostet haben.

Bei diesen Börsengängen hatten es die Kreativen aber deutlich leichter: Die Infineon-Aktie kam auf dem Höhepunkt der Börsen-Euphorie im März 2000 auf den Markt. In einer Zeitungsanzeige hieß es: "Mit Speck lockt man Mäuse. Und mit Infineon Bullen" - also diejenigen, die auf steigende Kurse am Aktienmarkt setzen.

Deutsche Sparer als Aktionäre

Deutschland war damals im Börsenfieber. Die Privatanleger entrissen den Banken die Papiere, obwohl Experten warnten, Infineon sei ein hochriskantes Papier und keine Volksaktie.

Ähnlich gut lief die Kampagne für die Deutsche Post, obwohl die Aktienkurse im Herbst 2000 bereits nach unten gingen. Krugs Auftritte mit dem Tatort-Kommissar Charles Brauer dienten dabei als Vorbild.

Die beiden Schauspieler hatten für eine weitere Aktienplatzierung der Telekom im Sommer 1999 als Duo getrommelt: Krug als Wissender und Brauer als Wissbegieriger spielten sich in mehreren TV-Spots im Frage- und Antwortspiel schlagfertig die Bälle zu.

Nach dem gleichen Muster lief die Werbung für die Postaktie: Ein Prominenter mit hohen Sympathiewerten, der Showmaster Thomas Gottschalk, agierte als so genannter Aufschließer, der die Aufmerksamkeit wecken sollte. Sein Bruder Christoph, im wirklichen Leben Marketing-Fachmann, informierte und stellte die Verbindung zum Produkt her, der "Aktie Gelb". "Die Kampagne folgte dem gleichen Grundprinzip", sagt Engbrox heute.

Ob sich solche Werbefeldzüge in Zukunft wiederholen lassen, wird in Fachkreisen als zweifelhaft angesehen. 1996 bis 2000 waren Boomjahre gewesen. Danach verloren viele Menschen mit Aktien Geld. Die Skepsis gegenüber der Börse ist deshalb wieder gewachsen. Und ob Prominente geeignet sind, diese zu überwinden, gilt zumindest als fraglich.

Mehr Argumente

Werbung für Börsengänge müsse nun viel stärker auf die Bedenken der Bürger eingehen, meint Volker Nickel vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft: "Die Unternehmen müssen heute mehr Argumente bringen."

Es komme darauf an, die im Durchschnitt 22 Sekunden langen TV-Spots mit ausführlichen Informationen im Internet oder in der Presse zu verbinden.

Beim Börsengang von Air Berlin ging dies offensichtlich schief: Zwar legte sich im Frühjahr 2006 - erstmals seit Krug und Gottschalk - mit Talkmaster Johannes B. Kerner wieder ein Prominenter für einen Börsengang ins Zeug.

Trotzdem verschob die Fluggesellschaft die Erstnotiz am Frankfurter Aktienmarkt um fast eine Woche - wohl wegen der zu dünnen Nachfrage nach Air-Berlin-Aktien. Außerdem mussten Vorstand und Konsortialbanken Preisspanne und Emissionsvolumen senken.

Das Beispiel zeigt: Der Auftritt bekannter Fernsehstars ist keine Erfolgsgarantie. Verbindet das Publikum nicht den Prominenten mit dem Produkt, gilt er oder sie sozusagen als gekauft, ist das Geld für die Spots zum Fenster hinausgeschmissen.

Todsicherer Tipp

Selbst Krug bekam Jahre später Ärger wegen seines Einsatzes für die T-Aktie. Als der Kurs unter 30 Euro abgestürzt war, schrieb ihm ein verärgerter Aktionär: "Bei Ihnen ging ich von einem todsicheren Tipp aus."

Krugs Antwort gelangte in die Schlagzeilen: "Es liegt im Wesen der Aktien, dass sie unentwegt schwanken. Deshalb muss man sie gut beobachten." Und weiter: "Wahrscheinlich konnten Sie den Hals nicht vollkriegen und haben darauf gewartet, dass die Aktie steigt und steigt. Jetzt muss ich mir Ihr Gejammer anhören." Der Schauspieler hat diese Aussage später sehr bedauert.

© SZ vom 11.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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