SZ-Serie: 1x1 der Geldanlage (1):Die eigenen Finanzen in den Griff bekommen

Lesezeit: 4 min

Wie Privatleute systematisch zu mehr Geld kommen: Erst eine Notreserve bilden, dann an die Altersvorsorge denken - und möglichst einfache Produkte nehmen.

Thomas Öchsner

Wenn es ums Geld geht, handeln viele Menschen ziemlich widersprüchlich. Sie gehen in drei verschiedene Geschäfte, um eine möglichst günstige Kaffeemaschine zu finden. Sie haben aber noch nie die Angebote von verschiedenen Banken oder Versicherungen verglichen.

(Foto: Foto: AP)

Eine ganze Reihe von Leuten wissen ganz genau, um wie viele Cent das Pfund Butter in ihrem Lieblingssupermarkt teurer geworden ist - sie haben aber noch nie genau ausgerechnet, wofür ihre monatlichen Einnahmen eigentlich draufgehen.

Der Blick für das Wesentliche

"Neun von zehn haben keinen Überblick über ihre Ausgaben", sagt Arno Gottschalk, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen. Und die wenigsten Bundesbürger sorgen nach seinen Erfahrungen systematisch für Anschaffungen oder fürs Alter vor.

Dabei ist das gar nicht so schwer. "Man muss sich nur seine eigenen Gedanken machen und mit System an die private Finanzplanung herangehen", sagt Andreas Beck, Vorstand des Instituts für Vermögensaufbau in München.

Doch womit beginnen? Am Anfang, da sind sich die Experten einig, gilt es, den Ist-Zustand zu erfassen und alles auf den Prüfstand zu stellen: Wofür wird eigentlich das Geld ausgegeben? Wann kann ich über welche Einnahmen verfügen? Ist der Haushalt richtig versichert? Welche Risiken sind noch abzudecken? Fehlt eigentlich am Monatsende immer Geld? Wofür wird gespart? Wie viel liegt schon auf der hohen Kante?

Manche führen deshalb ein Haushaltsbuch, in dem sie alle Einnahmen und Ausgaben monatlich aufschreiben, um ihre Finanzen besser in den Griff zu bekommen. "Für eine Bestandsaufnahme reicht es jedenfalls nicht, seine Kontoauszüge durchzublättern", sagt Thomas Bieler, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Kardinalfehler

Er rät, anschließend Schritt für Schritt vorzugehen und dabei zunächst zwei Kardinalfehler zu vermeiden: Erstens sparen manche Menschen, statt zunächst ihre Schulden zu tilgen. Bieler hält dies für unsinnig. "Schuldzinsen sind höher als die Sparzinsen. Deshalb bringt es gar nichts, zum Beispiel ständig das Girokonto zu überziehen und gleichzeitig einen Sparvertrag zu bedienen", sagt der Finanzexperte.

Zweitens legen manche Menschen Geld für das Alter zurück, vielleicht auch weil sie ein Finanzberater dazu überredet hat, doch ihre existentiellen Grundrisiken haben sie nicht abgedeckt. Werden sie dann berufsunfähig, oder richten etwa ihre Kinder einen großen Schaden an, tritt der Supergau ein: Weil der Versicherungsschutz fehlt, stehen sie vor dem Ruin.

Sind diese beiden Klippen umschifft, empfiehlt Verbraucherschützer Gottschalk als nächsten Schritt, eine Notreserve anzulegen. Je nachdem wie hoch das Nettoeinkommen ist, sollten dies 5000 bis 10.000 Euro sein. "Ob das Auto kaputtgeht oder eine neue Waschmaschine her muss - jeder Haushalt sollte für unvorhergesehene Ausgaben Geld zur Verfügung haben", sagt Gottschalk.

Er warnt aber davor, diese eiserne Reserve auf dem Sparbuch anzulegen, weil die Zinsen hier teilweise unter einem Prozent liegen. Der Finanzexperte favorisiert Tagesgeldkonten: Hier gibt es bis zu 4,0 Prozent Zinsen, das Geld ist täglich verfügbar und zumindest bei deutschen Banken hundertprozentig sicher angelegt.

Sicherheitspolster

Nach Ansicht von Gottschalk reicht dies als Liquiditätspolster für einen Privathaushalt jedoch nicht aus. Der Verbraucherschützer rät, sich zusätzlich eine Anschaffungsreserve aufzubauen - vergleichbar mit einem Investitionsetat. "Hier wird für fest geplante Anschaffungen Geld zurückgelegt, etwa für den nächsten Urlaub, eine neue Einbauküche oder den Auslandsaufenthalt der Kinder", sagt der Finanzexperte. Als letzten wichtigen Schritt empfiehlt der Verbraucherschützer den Aufbau einer Altersreserve - genauso wie Experte Beck. Er rät, dabei fünf Faustregeln zu beachten:

Der Beginn: Sind die existentiellen Risiken durch Versicherungen abgedeckt und eine eiserne Reserve vorhanden, sollten Anleger Geld für den Ruhestand zurücklegen - je früher, desto besser. Das liegt am sogenannten Zinseszinseffekt, der häufig unterschätzt wird. Beispiel: Ein 30-Jähriger legt jeden Monat 100 Euro 37 Jahre lang in einem Fonds an. Die durchschnittliche Wertentwicklung wird mit vier Prozent im Jahr bewusst vorsichtig angesetzt. Mit 67 Jahren kommt er so auf 100.154 Euro, vor Abzug der Abgeltungsteuer. Hätte er als 35-Jähriger angefangen zu sparen, kämen nur 76.862 Euro zusammen.

Die Disziplin: Am besten ist es, per Dauerauftrag zu sparen. "Wer dies nicht tut, läuft Gefahr, gar nichts zurückzulegen, weil vorhandenes Geld erfahrungsgemäß sehr schnell ausgegeben wird", sagt Beck.

Die Einfachheit: Der Experte rät gerade Anlageamateuren zu einfachen Produkten, weil komplizierte Angebote oft mit hohen versteckten Gebühren überfrachtet seien. So zählen zu seinen Anlagefavoriten sichere Bundesschatzbriefe, die Privatanleger auch monatlich kaufen können. Oder kostengünstige Indexfonds, die die Wertentwicklung eines Aktien- oder Anleihenindex widerspiegeln und inklusive Gebühren meist mehr Rendite bringen als herkömmliche Fonds. Außerdem kommt die Riester-Rente infrage, schon wegen der hohen staatlichen Zulagen und Steuervorteile.

Die Flexibilität: Beck warnt davor, sich von provisionshungrigen Beratern in Verträge drängen zu lassen, aus denen der Kunde nicht mehr oder nur noch mit Verlusten herauskommt. "Die persönliche Situation kann sich ja innerhalb von 20, 30 Jahren sehr schnell ändern", sagt der Experte. Zum Beispiel könne der Wunsch nach eigenen vier Wänden aufkommen, "und dann ist es schlecht, wenn die Familie, die von einem Eigenheim träumt, nicht an ihr Geld herankommt".

Die Moden: Beck hält nichts davon, sich von gerade aktuellen Anlagemoden beeinflussen zu lassen und Stimmungen an der Börse zu überschätzen. "Wer langfristig anlegt, sollte keine einseitigen Wetten eingehen. Das zeigen zum Beispiel der Aufstieg und Fall von EM.TV und der Niedergang des Neuen Marktes nach der Jahrtausendwende." Die Devise des Experten lautet: Lieber die Anlage mit Indexfonds breit mischen, als auf Spezialitäten wie etwa asiatische Internetfonds zu setzen. "Gerade junge Anfänger meinen aber, wenn ich etwas anlege, muss es etwas Prickelndes sein, was sich richtig rentiert", sagt Beck. "Aber leider ist das Gegenteil richtig. Eine gute langfristige Anlage ist langweilig."

© SZ vom 26./27.01.2008/sho/mah - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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