Strukturwandel in München:Die Entdeckung des Mileus

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In Gebieten mit Erhaltungssatzung könnten in München Wohnraum-Spekulanten bald keine Chancen mehr haben, Mietshäuser in Eigentumswohnungen aufzuteilen und so die Sozialstruktur ganzer Viertel zu ändern.

Bernd Kastner

Dürfen in bestimmten Stadtvierteln Mietshäuser bald nicht mehr in Eigentumswohnungen umgewandelt werden? Die Stadt macht sich im Landtag stark für ein Umwandlungsverbot in Gebieten mit Erhaltungssatzung, um Mieter vor Vertreibung und damit das Milieu der Quartiere zu schützen. Auch die CSU zeigt sich offen für eine "ideologiefreie" Diskussion.

Das Viertel um den Gärtnerplatz ist mittlerweile eines der beliebtesten Münchens - und damit freilich auch Wunschgegend von Wohnraum-Spekulanten. (Foto: Foto: Rumpf/SZ)

Roecklplatz 3: Was sich in dem denkmalgeschützten Haus tut, ist typisch für begehrte Quartiere wie das Dreimühlenviertel. Der alte Eigentümer verkauft, der neue wandelt die Miets- in Eigentumswohnungen um, saniert und legt den Bewohnern einen Auszug nahe. Die meisten weichen "freiwillig".Aus finanziellen Gründen verzichtete die Stadt am Roecklplatz auf ihr Vorkaufsrecht. Immobilien-Deals wie dieser ändern langfristig das Milieu in einem Quartier.

CSU öffnet sich

Seit Jahren schon fordert die Stadt ein Umwandlungsverbot für Erhaltungssatzungsgebiete. Derzeit gibt es davon 15, in denen knapp 170.000 Menschen leben. Umwandlungen könnte der Freistaat aufgrund des Baugesetzbuches mittels Verordnung deutlich erschweren. Sie müssten dann ausdrücklich genehmigt werden, die Kommune hätte also eine Art Vetorecht.

Bislang wurde dieses Ansinnen von der CSU-Mehrheit im Landtag und der Staatsregierung immer abgewiesen. Baurecht sei nicht für den Mieterschutz da, hieß es, außerdem würde man den Wert einer Immobilie mindern.

Nun aber zeichnet sich eine neue Offenheit in der CSU bei diesem Thema ab. Auslöser war eine Petition des städtischen Mieterbeirats. Anstatt das Anliegen abzulehnen, wie es die Staatsregierung wollte, holte der Innenausschuss im Maximilianeum vor der anstehenden Entscheidung die Meinung der Stadt ein. Die bleibt dabei: Es wäre ein wichtiger Schritt, das Milieu besser zu schützen.

Joachim Unterländer, sozialpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion, ist gegenüber einem Umwandlungsverbot aufgeschlossen. Wenn die Stadt schlüssig darlege, dass es den Mietern helfe, werde er sich in seiner Fraktion dafür einsetzen. Dass solch ein Instrument potentielle Investoren abschrecken würde, wie es Gegner befürchten - "das kann ich mir nicht vorstellen".

"Milieu- und Mieterschutz gehören zusammen"

Unterländer plädiert dafür, über das Thema "ganz ideologiefrei" zu diskutieren. Er könne sich gut vorstellen, "zu neuen Wegen in der Wohnbaupolitik zu kommen" angesichts der Misere auf dem Münchner Wohnungsmarkt. In der Landtags-SPD, seit langem Verfechter des Umwandlungsverbots, zeigt sich Rainer Volkmann erstaunt ob dieser Töne. Ein solches Verbot löse zwar nicht alle Verdrängungsprobleme, "es mildert aber vieles ab".

Renate Gschwendtner, ehemalige Vorsitzende des Mieterbeirats und Initiatorin der Petition, ist "hoffnungsfroh" angesichts der neuen Offenheit bei der CSU. Das Argument, wonach Baugesetze nicht für Mieter da seien, lässt sie nicht gelten: Milieu- und Mieterschutz gehörten zusammen. "Das wäre sonst so, als wollte man den Wald schützen, ohne auf die Bäume zu achten."

Der Mieterverein fordert die Staatsregierung auf, sich zu überlegen, wessen Interessen schützenswerter seien - die der Mieter oder die der Spekulanten. Für diese, so Sibylle Färber, würden Sanierungen und Mietsteigerungen dann uninteressant, gehe es ihnen doch um den lukrativen Weiterverkauf einzelner Wohnungen.

Eine ebenso eindeutige Meinung hat der Haus- und Grundbesitzerverein - allerdings umgekehrt: Ein Umwandlungsverbot würde die Schicht der potentiellen Käufer benachteiligen, so Rudolf Stürzer. Angesichts einer Eigentumsquote von nur 20 Prozent in München wäre dies falsch. Zudem genieße ein Mieter nach einer Umwandlung zehnjährigen Kündigungsschutz, was ausreichend sei.

© SZ vom 12.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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