Straßen in München:Landsberger Straße

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Münchner Stadtplaner wollen die Landsberger Straße zur Top-Geschäftsadresse umbauen und stapeln Büros in die Luft. Nur wenige können sich das Angebot leisten, dafür kommen Autofahrer voll auf ihre Kosten.

Bernd Kastner

Die Landsberger Straße ist zum Fahren da. 6575 Meter lärmende Lebensader für Autos. Hervorgehend aus der Bayerstraße, um in Pasing in der Bodenseestraße zu enden. Kerzengerade, immer gleich, immer nervig. Langweilig, ohne Konturen. Es sei denn, man tut, was keiner tut: man wandert, und zwar westwärts. Dann bekommt das so gesichtslose graue Band mit einem Mal ein Gesicht. Charakterzüge gar. Linker Hand die verrußten Häuser für den Mensch, rechter Hand die blitzenden Kathedralen für das Auto. Dazwischen Drive-In' fürs Kind, Supermarkt für die Frau und Erotik für den Mann.

Autofahrer kommen in der Landsberger Straße auf ihre Kosten. Auf kurzer Strecke bieten Händler, Werkstätten und Tanktempel ihre Dienste an. (Foto: / Fotos: sueddeustche.de)

Sprache der Hupe

Die Straße, die sich Bundesstraße 2 nennen darf, pulsiert im Takt der Ampeln. Das Hupen ist Symptom ihrer permanenten Rhythmusstörungen, es stockt und hupt alle paar Meter, alle paar Sekunden, und wer genau hinhört, der beginnt, irgendwann in Laim, die Sprache der Autos zu verstehen. Sie reden in Forte und Fortissimo miteinander, merkt der Wanderer, und wenn ein Mercedes einem Mazda die Meinung trötet, klingt es anders, als wenn ein BMW einem Polo zuhupt: Fahr zu, du Idiot!

Wachsender Leerstand

Man ist einsam als Spaziergänger. Zu Beginn, auf Höhe der Hackerbrücke, mischt sich Bierdunst aus der Augustiner Brauerei in die abgasgeschwängerte Luft, verleiht ihr schweres, bayerisches Flair, das so gar nicht zum Europäischen Patentamt gegenüber passen will. Und auch nicht zum Munich Tower, den sie an der Donnersberger Brücke hochgezogen haben. Hinter seiner Glasfassade ist viel leere Luft eingesperrt. Es gibt zu viel Büroraum in dieser Stadt, und die Zahl der leeren Quadratmeter wächst immer mehr. Gerade zwischen City und Pasing.

Automeile Münchens

Glaspaläste schießen aus dem Boden. Der Wanderer ist geblendet von Stahl und Glas und polierten Firmenschildern. Man will Brachland zu Büroland veredeln, doch die wirtschaftlichen Wachstumsstörungen düngen an einigen Stellen eher das Unkraut auf den leeren Schotterflächen zwischen Straße und Gleistrasse. Und fördern den Verkauf billiger Gebrauchtwagen, die seit Jahren die freien Flächen entlang der Landsberger Straße okkupiert haben. "Kaufe jedes Fahrzeug. Sofort Bargeld". Solche Plakate locken Käufer aus ganz Europa an, aus Dänemark und Russland. Die Landsberger Straße ist neben der Wasserburger Landstraße die Automeile Münchens. In den besten Zeiten haben hier mehr als 80 Händler Second-Hand-Kisten verhökert.

Tempel zum Auftanken

Aber jetzt putzt sie sich heraus, die Landsberger. Für ihre Lieblinge. Gebrauchtwagen weichen Neuwagen, die man heute mit Vorliebe in Glastürmen stapelt. Der Mensch hat dem Auto, da hat die Straße längst Pasing erreicht, auch einen Tank-Tempel errichtet, der so hoch und hell ist, dass dem nach Benzin lechzenden Cabrio beinahe die Motorhaube offen bleibt. Auf der anderen Straßenseite menschenleere Balkone.

Wohnen ist keine Freude

Die schöne neue Autowelt wächst auf alter Brache, hinterlassen von der Bahn. Die hat damit die Stadtplaner glücklich gemacht. "Neue Münchner Adressen" sagen sie zu den sechs Kilometern zwischen Hauptbahnhof und Pasing. Oder "Entwicklungsgebiet". Und sie toben sich aus in ihm, skizzieren auf großen Plänen urbane Zukunft. So heftig werkeln sie am Morgen, dass den Bürgern entlang der Landsberger Straße heute Angst und Bange wird; die Planer könnten vor lauter Entwickeln das Planen vergessen.

Für die Menschen, die hier noch leben wollen. Viele wohl, weil sie müssen. Weil sie sich München nur hinter schmutzigen Fassaden und in eintönigen Wohnsilos leisten können. Ihnen garantiert der stockende Autostrom bezahlbare Mieten. Dafür nehmen sie in Kauf, sich hinter langen Lärmschutzwänden zu verstecken.

Nur eine Bewohnerin dieser Straße würde sich nie verkriechen. Sie steht immer da. Aufschauen muss der Wanderer zu ihr, ganz am Ende, wo die Trambahn ihre Schleife zieht. Gravitätisch blickt sie von ihrer Säule herab. Maria, Mutter Gottes, ist die einzige, die hier nicht weg will.

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