Stille Post an der Börse:Vergebliche Jagd nach flüchtigen Gerüchten

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Wer gezielt Meldungen streut, will damit Geschäfte machen. Und die Behörden sind machtlos.

Caspar Dohmen

Die Finanzaufsicht untersucht die jüngsten Spekulationen um den angeblichen Übernahmeplan des französischen Energiekonzerns EDF für seinen deutschen Konkurrenten RWE.

Die Behörde werde sich den Aktienhandel im Zusammenhang mit den Übernahmespekulationen genau anschauen, sagte eine Sprecherin der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) am Montag. Gebe es Anzeichen für Marktmanipulationen oder Insiderhandel, dann werde die Behörde eine formelle Untersuchung einleiten.

Die Übernahmespekulationen waren durch einen Bericht des Südwestrundfunks am vergangenen Freitag ausgelöst worden. Nachdem der Sender meldete, der französische Konzern habe schon im Bundeskanzleramt wegen seines Interesses an RWE vorgesprochen, stieg der Aktienkurs des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns gleich um sieben Prozent. Bundesregierung und EDF wiesen die Meldung zurück.

RWE äußerte später den Verdacht, die Meldung könnte gezielt gestreut worden sein, um den Aktienkurs des Energiekonzerns zu beeinflussen. Seinen Verdacht begründete das Unternehmen allerdings nicht näher.

Für die Finanzaufsicht ist es schwer, die Urheber von Gerüchten ausfindig zu machen. ,,Gerüchte und deren Quellen sind sehr flüchtig'', sagte Vizepräsident Karl-Burkhard Caspari bei der Jahrespressekonferenz der Behörde in Bonn.

Dingfest gemacht werden könnten die Verantwortlichen solcher Manipulationen eigentlich nur, soweit es schriftliche Dokumente gebe. Dies sei beispielsweise immer dann der Fall, wenn Fehlinformationen über Spam-Mails verteilt würden, mit denen Anleger zum Kauf bestimmter Aktien animiert werden sollten.

Strafen sind selten

Vergangenes Jahr hat die Finanzaufsicht nur geringfügig mehr Untersuchungen wegen Marktmanipulationen eingeleitet als in den beiden Vorjahren. Nur selten kommt es am Ende tatsächlich zu einer Bestrafung.

So ergingen 2006 gerade einmal drei Strafbefehle wegen Marktmanipulation, davon einer wegen Untreue. Im Normalfall ermittelt zunächst die Aufsicht bei dem Verdacht auf Marktmanipulation oder Insiderhandel, anschließend übergibt sie ihre Untersuchungsergebnisse an die Staatsanwaltschaft, die wiederum von vorne beginnt. Hand in Hand arbeiten die beiden Behörden dagegen nun im Fall um Aktienspekulationen bei der WestLB mit der Folge von Millionenverlusten zusammen. Dieses ,,Tandem'' könnte ein Modell für künftige Untersuchungsfälle sein, sagte Bafin-Präsident Jochen Sanio. So könnte die Dauer solcher Verfahren deutlich verkürzt werden.

Die WestLB hatte selbst zwei Händler angezeigt und entlassen. Sie sollen jahrelang entgegen der Anweisungen des Vorstandes in großem Umfang mit VW-Wertpapieren spekuliert haben. Dadurch verursachten sie einen Schaden von angeblich bis zu 100 Millionen Euro. Im Auftrag der Finanzaufsicht untersuchen Wirtschaftsprüfer von KPMG nun die Vorgänge. ,,Die Prüfung wird noch ein paar Monate dauern'', sagte Sanio.

Ursprünglich sollte sie Ende Juni abgeschlossen werden. Bis Jahresende werde es aber auf jeden Fall so weit sein, sagte Sanio, der einräumte, dass die Behörde bereits frühzeitig Hinweise auf die Vorgänge bei der WestLB erhalten hatte. Dabei habe es sich aber um eine Publikumsanzeige gehandelt, wie sie täglich vielfach eingingen. Solche Anzeigen bearbeite die Behörde langsamer, als solche, die von den Handelsüberwachungsstellen der Börsen an die Wertpapieraufsicht gemeldet würden. Angesichts begrenzten Personals müsse die Behörde Prioritäten setzen, verteidigte Sanio das Vorgehen seines Hauses.

Mit ihren Geschäftspraktiken stehen die ehemaligen Händler der WestLB möglicherweise nicht alleine da. Unter die Lupe nehmen die Finanzfahnder nun auch die Dresdner Bank. Sie untersuchen eventuelle Marktmanipulation mit Vorzugsaktien des Lkw-Herstellers MAN . Dies bestätigte eine Sprecherin der Finanzaufsicht. Sie wollte sich allerdings nicht zu möglichen Verdächtigen äußern.

Nach Angaben des Nachrichtenmagazins Der Spiegel soll die Allianz-Tochter große Bestände an MAN-Vorzugsaktien aufgebaut haben. Die Papiere sind, im Gegensatz zu den Stammaktien, nicht im Dax enthalten. ,,Zehn Millionen Euro an unrealisierten Verlusten sollen bereits jetzt in den Büchern stehen'', schreibt das Blatt. Mitte April hätten Händler der Dresdner Bank den Vorstand über ihre Pläne informiert, um die Risiken wieder in den Griff zu bekommen.

© SZ vom 15.05.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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