Steuerschätzer erwarten Milliarden-Geldsegen:Steinbrück provoziert Kabinettskollegen

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Finanzminister Peer Steinbrück will seinen Kabinettskollegen in den nächsten vier Jahren trotz enormer Steuermehreinnahmen kaum zusätzliches Geld zur Verfügung stellen.

Claus Hulverscheidt

Nach der Vorlage der neuen Steuerschätzung bot Steinbrück den Ministerien acht Milliarden Euro an. Diese verlangen aber 28 Milliarden Euro.

Damit steht der Großen Koalition neuer Ärger ins Haus, zumal die Steuerschätzer Bund, Ländern und Gemeinden Mehreinnahmen in einer noch nie dagewesen Größenordnung in Aussicht stellen: Nach ihren Angaben kann der Staat bis 2011 mit zusätzlich 180 Milliarden Euro rechnen. Allein auf den Bund entfallen davon 87 Milliarden Euro.

Steinbrück betonte jedoch, die Bundesregierung müsse ihren Kurs der Haushaltskonsolidierung konsequent fortsetzen und die Neuverschuldung bis spätestens 2011 auf null verringern.

"Historische Trendwende"

Da Länder und Gemeinden schon früher mit ausgeglichenen Haushalten oder gar Überschüssen rechnen könnten, werde der Gesamtstaat spätestens 2010 ohne neue Schulden auskommen. ,,Das ist eine historische Trendwende: Der Einstieg in den Abbau des aufgelaufenen Schuldenbergs von über 1500 Milliarden Euro wäre endlich möglich'', sagte Steinbrück.

Der Finanzminister begründete die zusätzlichen Steuereinnahmen mit der guten Konjunkturentwicklung. Nun müsse es darum gehen, die Wachstumskräfte weiter zu stärken. ,,Dafür werden wir jährlich zwei Milliarden Euro in der Finanzplanung zur Verfügung stellen'', sagte er.

Sie sollten in die Bereiche Bildung und Forschung, Familie, Klimaschutz, Infrastruktur, Entwicklungshilfe sowie innere und äußere Sicherheit fließen.

Merkel grundsätzlich einverstanden

Steinbrück wird nun versuchen, beim Treffen der Koalitionsspitzen am kommenden Montag die gesamte Führung von Union und SPD für seinen Kurs zu gewinnen. Ob ihm dies in vollem Umfang gelingen wird, ist ungewiss: Zwar hieß es in Unions- wie in SPD-Kreisen übereinstimmend, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sei mit der grundsätzlichen Linie des Ministers einverstanden.

Die Frage sei aber, ob es Merkel und Vizekanzler Franz Müntefering gelingen werde, die Ausgabenwünsche der Fachressorts und Fraktionen tatsächlich zum überwiegenden Teil vom Tisch zu wischen.

Nach Darstellung des Finanzministeriums stehen von den 87 Milliarden Euro, die die Steuerschätzer dem Bund zusätzlich in Aussicht gestellt haben, bis zu 79 Milliarden schon gar nicht mehr zur Verfügung: So koste der beschlossene Bundeszuschuss an die Krankenkassen bis 2011 allein 19 Milliarden Euro.

Zusätzliche Ausgabenwünsche

Die Arbeitsmarktpolitik schlage mit zusätzlich 20 Milliarden, die Unternehmensteuerreform mit weiteren 12 Milliarden Euro zu Buche. Hinzu kämen die zusätzlichen Ausgabenwünsche der Ministerien in Höhe von 28 Milliarden Euro.

Merkel und Steinbrück hatten sich sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag getroffen, um ihr Vorgehen abzustimmen. Dabei vereinbarten sie unter anderem, dass die Regierung mit dem Jahr 2011 erstmals ein Zieldatum für einen ausgeglichenen Bundeshaushalt nennt. Dies hatte Steinbrück zuvor abgelehnt. Angesichts der Zahlen sah er sich jedoch gezwungen, seinen Kurs zu ändern.

Rückendeckung erhielt der Minister von den Finanzexperten der Koalition. Der Unions-Haushälter Steffen Kampeter (CDU) sagte mit Blick auf die Zinszahlungen des Bundes von jährlich 40 Milliarden Euro: ,,Wir schwimmen nicht im Geld, wir versinken in Schulden.''

Glos bekräftigt Forderung nach Steuersenkungen

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) bekräftigte dagegen seine Forderung nach Steuersenkungen. Die Bürger müssten an den Früchten der Haushaltskonsolidierung beteiligt werden, ,,denn es ist ihr Geld'', sagte er.

Die Gewerkschaften verlangten, die Kürzung der Pendlerpauschale zurückzunehmen, die Linkspartei forderte einen Verzicht auf die Unternehmensteuerreform. Grüne und FDP plädierten für eine geringere Neuverschuldung.

© SZ vom 12.05.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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