Steuern:Geschenkt ist geschenkt

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Wenn sich Unverheiratete Geld geben, müsste der Fiskus Schenkungsteuer kassieren. Tut er aber nicht - dies wäre mit hohem Zeit- und Kostenaufwand verbunden.

Hans Leyendecker

Vor ein paar Monaten ging im Kanzleramt folgende Mail ein: "Werden von der Finanzverwaltung zwei Drittel aller steuerpflichtigen Fälle und die Hälfte des potentiellen Steueraufkommens der Erbschaft- und Schenkungsteuer nicht erfasst und nicht besteuert?", fragte der Wirtschaftsprüfer Eckhard Thode.

Beim Erheben der Schenkungsteuer sind die Finanzverwaltungen oft sehr lax. (Foto: Foto: ddp)

Der Niedersachse, Jahrgang 1928, der sich seit 50 Jahren mit Steuerrecht beschäftigt und Minderheitsgesellschafter einer niedersächsischen Steuerberatungsgesellschaft ist, hatte ein Erläuterungsschreiben beigefügt. Auch das Bundesfinanzministerium bekam eine Kopie. Reaktionen gab es keine.

Dem Staat entgehen vermulich Milliarden

In diesen Tagen erhielten die Präsidenten aller deutschen Rechnungshöfe Post von dem Mitherausgeber der Zeitschrift für Steuern & Recht, dem Eppelheimer Fachanwalt Uwe Karsten-Reschke. Unter Verweis auf diverse Fachaufsätze Thodes zum Thema mahnte der Anwalt ein "Vollzugsdefizit der Schenkungsteuerhebung" an.

Weil sich die Finanzverwaltung besonders bei außerehelichen Lebensgemeinschaften nicht um steuerpflichtige Schenkungen kümmere, würden dem Staat vermutlich Milliarden Euro jährlich entgehen. Die "vieljährige nachhaltige Nichtanwendung gesetzlicher Vorschriften" werfe angesichts des "Vollzugsdefizits" auch strafrechtliche Fragen wie Begünstigung und Untreue auf.

Im deutschen Steuerrecht, einem undurchsichtigen System von Steuerklassen, Freibeträgen, Ausnahmen und Sonderregelungen sind manche Vorschriften so kompliziert, dass sie nur noch der Computer beherrscht. Der Steuerbürger blickt oft nicht durch.

Beispiel Schenkungsteuer: Die im Rahmen gesetzlicher Ehepflichten erbrachten Leistungen, so wird der Alltag im Steuerjargon beschrieben, unterliegen keiner Schenkungsteuer.

In einschlägigen Steuer-Kommentaren wird darauf hingewiesen, dass "eine Besteuerung sämtlicher Vermögensverschiebungen" dem "Wesen der Ehe ... widersprechen" würde. Von "Innengemeinschaften" ist die Rede.

Fein unterschieden wird zwischen sogenannten "nicht steuerbaren Vermögensverschiebungen" und schenkungsteuerpflichtigen Zuwendungen. Freiwillige Leistungen an den Gespons beispielsweise sind schenkungsteuerpflichtig, wenn der Freibetrag, der in der Steuerklasse I immerhin 307.000 Euro beträgt, innerhalb von zehn Jahren überschritten wird.

Studie legt Defizite offen

Wenn einer also sein Schwarzgeldkonto in Liechtenstein auflöst und der Lieben gleich für ein paar Milliönchen in der Alpenrepublik Geschmeide kauft, damit er mit dem Baren nicht über die Grenze muss, fällt, theoretisch, Schenkungsteuer an. Dieser Fall wird aber nicht die Regel sein.

Typisch ist ein ganz anderer Fall: In nichtehelichen Lebensgemeinschaften der Steuerklasse III, auf deren Steuerschicksal sich Thode und Reschke so kaprizieren, schiebt der wirtschaftlich stärkere Partner häufig dem anderen monatliche Zuwendungen in vierstelliger Höhe rüber.

Dabei entsteht natürlich ein Steuerproblem, weil der Freibetrag für solche Gemeinschaften nur einen Bruchteil des Freibetrags für Verheiratete beträgt: derzeit 5200 Euro für den Zeitraum von zehn Jahren.

Wirtschaftsprüfer Thode hat in einer Modellrechnung einmal ermittelt, wie viel Schenkungsteuer anfiele, wenn der finanziell Stärkere dem Schwächeren zehn Jahre lang monatlich 500 Euro zukommen ließe.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Konsequenzen Steuerexperten einfordern.

Die dann zu zahlende Steuer liegt bei satten 10.240 Euro, die der Beschenkte zahlen müsste: "Übernimmt der Schenker diese Steuer, entsteht daraus zusätzlich Schenkungsteuer auf Schenkungsteuer", sagt Fachmann Thode. Diese Steuerform verjährt überdies erst fünf Jahre nach dem Tod des Schenkers.

Ein weites Feld also. Dass es im Bereich der Schenkungsteuer erhebliche Defizite gibt, zeigt auch eine Studie der Universität Mannheim mit dem Titel "Zusammensetzung und Diskrepanz der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer 2002". Die Verfasser fanden heraus, dass Schenkungsteuer weit seltener veranlagt wird als Erbschaftsteuer.

Dass der Staat bei der Schenkung ziemlich außen vor bleibt, im Großen wie im Kleinen, zeigt die Statistik des Jahres 2002. Von den rund 800.000 Nachlässen in Deutschland gingen die meisten ohnehin am Finanzamt vorbei: 123.365 Erbschaftsfälle standen 29.424 Schenkungsteuerfällen gegenüber. Davon wiederum geht der größte Teil (25.301 Fälle) auf das Konto der Schenkungen in Familien.

Hintergedanken der Steuerfüchse

Für nichteheliche gleich- und verschiedengeschlechtliche Partnerschaften wurden nur 4123 Fälle mit lächerlichen 36 Millionen Euro Steuern registriert. Angesichts der etwa zweieinhalb Millionen Lebensgemeinschaften scheint also das Dunkelfeld, von dem Kriminologen in solchen Zusammenhängen gern reden, gigantisch zu sein.

Schenkungsteuerliche Probleme können auch bei Gaben an Vereine entstehen. Beispielsweise können privat übernommene Ablösesummen für Spieler schenkungsteuerpflichtig sein.

Was machen also die rund 50 Finanzämter in Deutschland, die sich mit den Spezialitäten der Erbschaft -und Schenkungsteuer beschäftigen? Schauen Sie weg, kümmern sie sich nicht, halten sie die Regelung gar für kleinkariert? Dass Schenkungen intransparent sind und sich dadurch der Kontrolle des Fiskus entziehen, liegt in der Natur der Sache.

Die "Ermittlung der vielfältigen freigebigen Zuwendungen und deren Besteuerung" sei "naturgemäß außerordentlich schwierig und mit großem Arbeits- und Kostenaufwand verbunden", räumt Fachanwalt Reschke in den Schreiben an die Präsidenten der Rechnungshöfe ein. Und weiter: "Dies kann aber rechtsstaatlich keine Begründung sein, die gesetzlich vorgeschriebene Besteuerung zu unterlassen."

Warum verlangen Steuerfüchse wie Thode und Reschke eine solch aufwändige, von den Finanzämtern kaum zu leistende konsequente Ermittlung der Schenkungsteuer? Die Antwort fällt genregemäß aus - die Herren haben Hintergedanken.

Ihnen missfällt die Dauer-Diskussion über die Reform der Erbschaftsteuer. Reschke: "Der einzig gangbare Weg, das Problem zu entschärfen, ist die endgültige Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer". Steuerleute kennen (fast) immer einen Ausweg.

© SZ vom 31.07.2008/jpm/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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