Steinbrück und die Hypo Real Estate:Es kommt, was kommen muss

Lesezeit: 3 min

Die Hypo Real Estate wird spätestens im Herbst dem Staat gehören. Daran lässt der Finanzminister keinen Zweifel - während die Kanzlerin Karneval feiert.

Thorsten Denkler, Berlin

Die Kanzlerin hat gerade andere Sorgen. Während Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) der deutschen Öffentlichkeit erklärt, wie und warum der Staat die ziemlich angeschlagene Immobilienbank Hypo Real Estate retten will, steht der Empfang von Karnevalisten im Kanzleramt auf Angela Merkels (CDU) Terminplan. Man muss eben Prioritäten setzen.

Gute Laune sieht anders aus - Peer Steinbrück am Mittwoch in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

Steinbrück macht das ja auch nicht schlecht. Von Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos ist überliefert, die Kanzlerin habe immer an den Lippen des Finanzministers gehangen. Jetzt hängt die Nation an seinen Lippen.

Steinbrück will mitreden

Peer Steinbrück hat einiges zu erklären. Mit mehr als 80 Milliarden Euro engagiert sich der Staat schon jetzt bei der Bank. Dazu kommt das Geld von Privaten. Eine gewaltige Summe. Dagegen steht der gegenwärtige Börsenwert des Unternehmens: knapp 250 Millionen Euro. Die akute Gefahr ist, dass die Bank ohne staatlichen Eingriff einen "exorbitant hohen" Kapitalisierungsbedarf erwirtschaften könnte, sagt Steinbrück. Den müsste wohl wieder der Staat befriedigen. Nur will Steinbrück diesmal in der Bank mitreden können.

Es sei eine "Selbstverständlichkeit", dass der Staat versuche, Kontrolle über die Verwendung des eingesetzten Steuergeldes zu bekommen, sagt Steinbrück. In Bezug auf die HRE bedeutet Kontrolle: 75 Prozent plus eine Aktie.

Steinbrück lässt keinen Zweifel: Spätestens im Oktober wird die Bank dem Staat gehören. Entweder die Aktionäre stimmen möglichst noch im März einer Kapitalerhöhung durch den Bund zu, der damit zum Mehrheitseigener wird - oder sie stimmen nicht zu oder verzögern das Verfahren durch Klagen über den Oktober hinaus. Dann wird enteignet. Oder zwangsverstaatlicht, je nach Sichtweise.

Steinbrück rechnet schon heute mit Klagen. Die 211 Millionen HRE-Aktien sind zum großen Teil im Streubesitz. Es wird nicht jedem der Aktionäre gefallen, das Papier zum Bruchteil des Kaufwertes an den Bund abgeben zu müssen. Sie könnten etwa gegen einen Mehrheitsbeschluss der Hauptversammlung klagen. Oder auch später gegen eine Enteignung. Dann muss das Bundesverwaltungsgericht entscheiden. Vier Wochen hat es Zeit. Maximale Verzögerung für die Übernahme: Ende November.

Enteignen ist immer noch ein Unwort in der deutschen Debatte. Einen Dammbruch sehen FDP und Wirtschaftsverbände, sie befürchten den Anfang vom Niedergang der sozialen Marktwirtschaft.

Die allerletzte Möglichkeit

Der neue Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will deshalb zum Zwangsmittel nur als "ultissima ratio" greifen, als allerletzte Möglichkeit. Als gäbe es bei der HRE noch irgendetwas zu retten ohne staatliche Übernahme. Nicht unwahrscheinlich, dass die HRE ohne staatliche Hilfe schon jetzt pleite wäre. Mit dramatischen Folgen für die Weltfinanzmärkte.

Steinbrück wünscht sich mehr "Pragmatismus" und "mehr Sachlichkeit". Die HRE sei eine systemrelevante Bank. Die vor die Wand fahren zu lassen, wäre unverantwortlich. Genauso verständlich müsse sein, dass der Staat nicht immer wieder Garantien in Milliardenhöhe übernehmen kann, ohne im Aufsichtsrat etwas zu sagen zu haben.

Der Einstieg des Bundes sei zudem so etwas wie der letzte Rettungsanker für die HRE. Der Kapitalbedarf würde dramatisch sinken, weil der Staat als Eigentümer erheblich kreditwürdiger sei als die jetzigen Aktionäre. Kredite wären billiger zu bekommen. Das Ziel sei, dass die Bank "wieder Wind unter die Flügel" bekomme, sagte Steinbrück.

Gespräche mit Flowers

Dennoch scheint die Enteignung eine ziemlich wahrscheinliche Variante. Wohl auch, weil die heutigen Aktionäre von einem möglichen Höhenflug dann nicht mehr profitieren würden. Es gebe intensive Gespräche mit dem US-amerikanischen Hauptaktionär J. Christopher Flowers, berichtet Steinbrück. Der hält mit 24,9 Prozent eine Sperrminorität an der HRE.

Steinbrück will zu den Gesprächen inhaltlich nicht viel mehr sagen. Nur so viel: Sie gingen in eine Richtung, die ihn nicht veranlassten, Abstand vom Rettungsübernahmegesetz zu nehmen.

Manche unken schon, was es da eigentlich noch zu enteigenen gebe. Die Bank habe inzwischen einen Negativwert erreicht. Im Grunde müssten also die Aktionäre Steinbrück Geld geben, damit er die Aktionsmehrheit übernimmt.

Investor Flowers scheint das noch anders zu sehen. Er will offenbar seine Verluste minimieren. Steinbrück rechnet vor, dass der Finanzspezialist von seiner einst eingesetzten eine Milliarde Euro im Fall einer Entschädigung nicht viel mehr als 25 Millionen Euro zurückbekommen dürfte. Eine ziemlich miserable Rendite.

Das aber, sagt Steinbrück trocken, "ist nicht mein Problem".

© sueddeutsche.de/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: