Starke Nachfrage nach Zertifikatefonds:Ein neuer Anlagemix kommt in Mode

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Noch vor einem Jahr waren Fondsindustrie und Zertifikatebranche Feinde. Nun mehren sich Fonds, die auch in Zertifikate investieren.

Thomas Öchsner

Deutschland ist das Land der Zertifikate. 100 Milliarden Euro haben die Bundesbürger bereits in diese Wertpapiere gesteckt, mit denen sich der Käufer an der Wertentwicklung von Aktien, Börsenindizes, Währungen oder Rohstoffen beteiligen kann.

Die Ertragschancen im Überblick. (Foto: SZ-Grafik)

Mehr als 110.000 verschiedene Zertifikate stehen zur Auswahl. Aus Aktienfonds zogen Anleger dagegen allein 2006 fast sechs Milliarden Euro ab, obwohl die Kurse zum Teil kräftig zulegten. Die Fondsbranche änderte deshalb ihre Strategie: Statt die Produkte der Gegenseite schlechtzumachen, bietet sie selbst Zertifikate an oder legt Fonds auf, die in diese Papiere investieren.

Das Umdenken hat sich gelohnt, zumindest für die Investmentgesellschaften: In der neuen Fondsgattung stecken bereits gut vier Milliarden Euro. Etwa 40 Zertifikatefonds buhlen um das Geld der Anleger.

Die Anbieter versprechen dabei viel: Fondskäufer sollen sowohl von möglichen Kursgewinnen an den Kapitalmärkten profitieren als auch gegen Kursverluste besser geschützt sein, jedenfalls verglichen mit herkömmlichen Fonds. Sicher ist: Die Anbieter übernehmen für den Kunden die schwierige Auswahl in einem unübersichtlichen Markt.

Das Produkt:

Zwei Varianten lassen sich unterscheiden. Bei der einen Gruppe versuchen die Fondsmanager, innerhalb eines bestimmten Anlageschwerpunkts ein Maximum an Rendite herauszuholen. Werner Hedrich, Direktor beim Fondsanalysehaus Morningstar, hält von solchen Produkten gar nichts: ,,Man versucht hier etwas zu verkaufen, was es im Prinzip schon gibt.''

Da könne der Kunde doch gleich sein Geld in Aktienfonds stecken, sagt Hedrich. Bei der zweiten Gruppe kaufen die Fondsmanager vor allem Zertifikate, um über verschiedene Konstruktionen einerseits einen Puffer gegen Kursverluste zu bieten, andererseits aber von steigenden Märkten zumindest teilweise zu profitieren.

,,Ziel dabei ist, auch in Marktphasen ohne klaren Trend oder bei sinkenden Kursen positive Erträge für den Anleger zu erzielen'', sagt Henrik Büscher, der für Allianz Global Investors zwei Zertifikatefonds managt. Matthias Niklowitz, Derivateexperte bei BNP Paribas, hält dies für das eigentlich Spannende an den Produkten: ,,Fonds können in der Regel ja nur Geld verdienen, wenn der Markt steigt. Mit dem Einsatz von Zertifikaten ist dieses ungeschriebene Gesetz der Fondsindustrie erledigt.''

Das Risiko:

Die Wahrscheinlichkeit von Verlusten ist geringer als beim Kauf einzelner Zertifikate, weil das Kapital breit gestreut ist. Fondsmanager Büscher hat beim Allianz-Dit-Bonus Barriere zum Beispiel 140 Zertifikate gekauft - mit verschiedenen Laufzeiten, Emittenten und Basiswerten, von denen die Wertentwicklung des Zertifikats abhängt (siehe Anlagelexikon).

Die Laufzeit:

Wie bei den meisten anderen Fonds haben Zertifikatefonds in der Regel keine bestimmte Laufzeit. Anleger können also flexibel ein- und aussteigen. Wer eine größere Summe investiert und den vollen Ausgabeaufschlag zahlt, sollte aber gerade bei den risikoarmen Varianten mit tendenziell geringeren Renditen ein paar Jahre Zeit mitbringen. Schließlich muss der Fonds die Kaufgebühr erst wieder erwirtschaften.

Die Kosten:

Wie üblich muss der Anleger einen Ausgabeaufschlag zahlen. Außerdem zehrt eine jährliche Verwaltungsgebühr am Gewinn. Bei Zertifikaten fallen aber zusätzliche Kosten an, so etwa für bestimmte Absicherungsinstrumente wie Optionen.

Stefan Groß, Direktor bei dem unabhängigen Vermögensverwalter Fund-Market Deutschland, ist deshalb skeptisch: ,,Die Anleger werden zweimal zur Kasse gebeten. Das bessert letztlich nur die Bilanzen der Banken auf.'' Der Experte vermisst auch die Transparenz: ,,Weil die Gebühren bei den Zertifikaten nicht zu durchschauen sind, weiß der Kunde nicht, wie viel er zahlt.''

Fondsmanager Büscher sieht dies ganz anders: Er streitet nicht ab, dass es Zusatzkosten gibt. Diese würden aber allenfalls 0,10 bis 0,20 Prozentpunkte ausmachen, weil die Kosten für den Vertrieb wegfallen würden. ,,Wir können die Zertifikate somit deutlich günstiger bekommen als der Privatanleger oder uns die Produkte maßschneidern lassen'', sagt er.

Die Wertentwicklung:

Die meisten Zertifikatefonds sind erst 2006 auf den Markt gekommen. Eine Aussage, was die Produkte langfristig bringen, ist deshalb nicht möglich. Schon jetzt zeigt sich aber, dass Zertifikatefonds wie erwartet bei steigenden Kursen der Wertentwicklung vergleichbarer Aktienfonds hinterherhinken.

Beispiel: Der DWS Europa Diskont legte 2006 gut fünf Prozent zu, der wichtigste europäische Aktienindex für Standardwerte, der Euro Stoxx 50, gewann dagegen mehr als 15 Prozent. Hinzu kommt: Im Vergleich zu Aktienfonds, bei denen Anleger die Dividenden erhalten, bekommen Zertifikatefonds-Käufer in der Regel keine Ausschüttung.

Ob die neuen Produkte dafür bei fallenden Märkten herkömmliche Fonds ausstechen können, müssen sie noch zeigen. ,,Diese Bewährungsprobe steht noch aus, weil wir seit langem keine Schlechtwetterphase an den Börsen hatten'', sagt Fondsanalyst Hedrich.

Die Vergleichbarkeit:

Die Wertentwicklung von Fonds lässt sich sehr gut vergleichen. Bei Zertifikatefonds werde dies schwierig, glaubt Hedrich. ,,Dafür sind die Konstruktionen bei den Zertifikaten zu unterschiedlich.'' Für den Anleger sei dies ein großer Nachteil, weil er deshalb nur schwer erkennen könne, ob ein Zertifikatefonds unter- oder überdurchschnittlich abgeschnitten hat.

Die Steuer:

Die besonders beliebten Garantiezertifikate sind rechtlich als Finanzinnovationen eingestuft. Die Spekulationsfrist von einem Jahr gilt deshalb für Käufer solcher Zertifikate nicht. Wer Kursgewinne beim Verkauf erzielt, muss diese unabhängig vom Entstehungszeitraum versteuern, sofern die Steuerfreigrenze von 512 Euro ausgeschöpft ist. Innerhalb eines Fonds sind die Zertifikate dagegen weitgehend steuerfrei.

Zudem gilt die für Fonds übliche Spekulationsfrist: Nach einem Jahr muss der Anleger den Kursgewinn nicht versteuern - ein großer Vorteil im Vergleich zur Direktanlage in Garantiezertifikaten.

© SZ vom 05.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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