Siemens-Aktie:Hochfliegende Erwartungen

Lesezeit: 2 min

Aktienexperten rechnen mit einem weiterem Kursplus durch den umfassenden Konzernumbau.

Markus Balser

Nach fast zwölfstündiger Aktionärsversammlung trafen sich die Siemens-Aufsichtsräte am späten Donnerstagabend zur Manöverkritik. Heinrich von Pierer, Chef des Gremiums, sei erschöpft gewesen, sagt ein Teilnehmer - das historisch schlechte Ergebnis von 34 Prozent Nein-Stimmen bei der Abstimmung über seine Entlastung habe Spuren hinterlassen.

Wenigstens sei das Aktionärstreffen ohne die angesichts von Schmiergeldskandal und BenQ-Pleite befürchteten Tumulte abgelaufen, hieß es aus dem Gremium. Und ein kleiner Coup sei dem Konzern schließlich auch gelungen. Denn mit der Ankündigung von Milliardentransaktionen habe Siemens Kritikern unter den Großinvestoren Wind aus den Segeln genommen. Seit Monaten schon forderten sie von der Konzernspitze weitere Umbauten.

Kursziele angehoben

Der starke Anstieg des Aktienkurses hatte auch in der Münchner Olympiahalle ein Raunen ausgelöst. Um zeitweise acht Prozent stiegen die Papiere, nachdem Siemens den Börsengang der Autozulieferer-Sparte VDO und die Übernahme der US-Softwarefirma UGS bekannt gegeben hatte.

Zwar gaben die Papiere am Freitag rund ein Prozent ihrer Gewinne wieder ab. Dennoch sehen Analysten die Entscheidung von Siemens-Chef Klaus Kleinfeld als Garantie für steigende Kurse. Siemens habe endlich Beweise geliefert, ein effizientes Konglomerat zu sein.

Kapital werde dort eingesetzt, wo der Konzern hohes Wachstum und Erträge erziele, erklären beispielsweise die Analysten der Großbank Société Générale. Über allem aber, glauben Analysten, drohe weiter ein Damoklesschwert: Das größte Risiko für die Aktie sei der anhaltende Bestechungsskandal, sagte JP-Morgan-Analyst Andreas Willi am Freitag.

Nach den starken Zahlen aus dem laufenden Geschäft haben viele Investmentbanken ihre Kursziele für die Siemens-Aktie angehoben. So erhöhte die US-Investmentbank JP Morgan das Ziel für Siemens-Aktien von 84 auf 89 Euro. Die Aktie werde sich in den kommenden sechs bis zwölf Monaten deutlich besser entwickeln als die Branche. Die Citigroup geht wegen erwarteter höherere Gewinne 2007 und 2008 von 95 Euro aus.

Die Société Générale erhöhte ihr Kursziel sogar auf 100 Euro. Die Restrukturierung nähere sich nach besseren Ergebnissen angeschlagener Sparten dem Ende, erklärte Analyst Simon J. Smith. Die meisten Sparten hatten sich beim Gewinn verbessert. Allerdings erreichen noch immer erst sechs von zehn Bereichen die geforderten Gewinnmargen des Konzerns.

Der geplante weitreichende Umbau des Konzerns löste an den Finanzmärkten Erstaunen aus. Die Siemens-Spitze will noch in diesem Jahr mehr als ein Viertel der Anteile an VDO auf dem Kapitalmarkt anbieten. "Es wird wahrscheinlich der größte Börsengang des Jahres in Deutschland", sagte Finanzchef Joe Kaeser am Donnerstag.

Analysten schätzen den künftigen Börsenwert von VDO auf fünf bis sieben Milliarden Euro. Mit einer Emission vor April sei wegen der nötigen juristischen Vorbereitungen wohl nicht zu rechnen, sagte ein Analyst am Freitag. "Danach aber kann es schnell gehen", sagte er weiter.

Siemens könne mit VDO eine etablierte Marke an die Börse bringen, sagte Analyst Roland Pitz von der HypoVereinsbank. Das Geld aus der Platzierung könne für den 3,5-Milliarden-Dollar-Kauf von UGS verwendet werden, sagte er weiter. UGS ist spezialisiert auf computergestützte Konstruktionen und gehörte bislang den drei Investoren-Gruppen Bain Capital, Silver Lake Partners und Warburg Pincus.

Sie hatten das Unternehmen 2004 für 2,05 Milliarden Dollar übernommen. Nach Siemens-Angaben erzielte UGS 2005 knapp 1,2 Milliarden Dollar Umsatz und ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 241 Millionen Dollar. Analyst Frank Rothauge von Sal. Oppenheim beurteilt den Zukauf von UGS zurückhaltend. 3,5 Milliarden Dollar sein ein stolzer Preis; es müsse sich noch erst zeigen, ob er gerechtfertigt sei, sagte er.

Aktionärsvertreter werteten die Hauptversammlung des Konzerns am Freitag unterdessen als Fortschritt bei der Aufklärung der Korruptionsaffäre. Die niedrigen Ergebnisse bei der Entlastung für Pierer und Konzernchef Klaus Kleinfeld seien ein bisher einmaliger Vorgang in der Siemens-Geschichte, sagte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. "Das war ein eindeutiger Denkzettel", fügte sie hinzu.

© SZ vom 27.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: