Serpentine-Pavillon 2009:Dämon ist aufgegangen

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Die Wolkenbauer sind wieder da: Das Team "Sanaa" baut den diesjährigen Pavillon der Londoner Serpentine Gallery. In Form von Schwaden.

Gerhard Matzig

Der Wald steht schwarz und schweiget, heißt es in Matthias Claudius' berühmtem Abendlied ("Der Mond ist aufgegangen"), und aus den Wiesen steiget der weiße Nebel wunderbar - et cetera et cetera.

Man weiß nicht recht, was die Architektengruppe Sanaa zu ihrem jüngsten Entwurf inspiriert hat. Es könnte Claudius gewesen sein. Aber auch das Klima-Manifest der deutschen Architekten, das vor ein paar Tagen dem Bundesbauminister überreicht wurde. Denn das Manifest geht den Sanaa-Architekten Kazuyo Sejima und Ryue Nishizawa aus Tokio offenbar nicht weit genug. Laut Manifest wollen die Architekten in Zukunft dem Klima mit größerem Respekt begegnen und sich auf nachhaltige und energieeffiziente Bauten konzentrieren.

Sanaa aber will, wenn nicht das Klima, so doch das Wetter selber bauen. Vor kurzem wurde bekannt, dass der Entwurf, den die Planer selbst als "zwischen den Bäumen des Parks hin- und hertreibende Schwaden" beschreiben, als diesjähriger Serpentine-Pavillon in London realisiert wird. Von Juli bis Oktober sollen 750.000 Menschen diese temporäre Heimstatt der Kunst in Kensington Gardens besuchen.

Es ist immer interessant, wer den Serpentine-Pavillon bauen darf. Denn hinter der frühjährlichen Verlautbarung steckt einerseits ein aussagekräftiger Beitrag zum internationalen Architektenranking, andererseits ein Hinweis auf aktuelle Tendenzen der Baukunst. Einige Serpentine-Architekten der letzten Jahre: Rem Koolhaas, Toyo Ito, Daniel Libeskind, Zaha Hadid.

In solchem Umfeld sind die Sanaa-Aktien nun sprunghaft gestiegen. Aber auch das nebelhaft Ephemere ihrer Aluminiumdachkonstruktion, die sich wellenförmig durch den Park schlängelt, besser: verflüchtigt und "die Grenzen zum Himmel auflösen" soll, ist höchst angesagt. Zuletzt hatten sich etwa auch Graft-Architekten in Berlin eine gebaute "Wolke" für ihr letztlich gescheitertes Projekt einer temporären Kunsthalle am Schlossplatz gewünscht.

Und in München haben die Architekten von Coop Himmelb(l)au, die den Himmelbau ja schon im Namen führen, die BMW-Welt als "Tornado" inszeniert. Die Marketingleute von BMW haben dann daraus lieber eine "Wolke" gemacht.

Zur Erde zurückschweben

Man fragt sich, was die Architekten veranlasst, statt Häuser aus Stein und Stahl, aus Glas und Beton oder Holz, lieber Wolken zu bauen - und was ihr Baumaterial sein könnte. Neu ist das Anliegen nicht. Schon Haus-Rucker-Co und Archigram träumten in den 1960er-Jahren von schwereloser Architektur. Lissitzkys "Wolkenbügel" stammt aus dem Jahr 1924. Pneumatische Konstruktionen sind alt.

Neu sind womöglich nur die Möglichkeiten der Computersimulation in den jungalten Architekturbüros. Würde man ihnen die Rendering-Programme für "Nebel" oder "Wolke" wegnehmen, könnte sich die Szene beruhigen - und endlich zur Erde zurückschweben.

© SZ vom 02. 04. 2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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