Rettung maroder Firmen:Einsatz in letzter Minute

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Die Tricks der Retter: Notenbanken und Regierungen sind erfinderisch, wenn es darum geht, angeschlagene Banken und Versicherungen vor der Pleite zu bewahren.

Catherine Hoffmann

Bankenkrise und kein Ende: Die amerikanische Notenbank (Fed) und die US-Regierung greifen immer tiefer in die Trickkiste, um zu retten, was zu retten ist. Den Anfang machte die Fed im August 2007, als sie überraschend den Diskontsatz senkte. Im Dezember verabreichte die Zentralbank dann zusätzlich dicke Liquiditätsspritzen.

Mit Liquiditätsspritzen und anderen Dingen bringen die Retter marode Firmen wieder auf die Beine. (Foto: Foto: AP)

Im Januar 2008 entschloss sie sich angesichts der Krise um die Société Général zu einem Zinsschritt um 75 Basispunkte und im März zur spektakulären Rettungsaktion für die Investmentbank Bear Stearns. Es folgten die Verstaatlichung der Hypothekenriesen Freddie Mac und Fannie Mae und die Hilfe für den schwer angeschlagenen Versicherer AIG. Ein Überblick über die Instrumente der Nothelfer.

Liquiditätsspritzen

Im Sommer 2007 hat die Fed erstmals zusätzliches Geld in das Bankensystem gepumpt und den Diskontsatz kräftig gesenkt. Die Notenbank leiht den Banken dabei zu einem günstigen Zins Geld - gegen Sicherheit. Diese Kredite müssen nach einem Tag oder einer Woche zurückgezahlt werden. "Die Fed verdient mit diesen Geschäften Geld", sagt David Milleker, Chefökonom von Union Investment. "Ein Problem bekommt sie, wenn eine Bank bankrott geht. Dann muss sie die Wertpapiere verkaufen und sehen, wieviel Geld sie dafür noch bekommt."

Weil die Not der Finanzindustrie so groß war, hat die Fed allerdings die Anforderungen an diese Geschäfte gesenkt. Zuerst erweiterte sie den Kreis der Finanzunternehmen, die Zugang zu diesen billigen Krediten bekommen. Dann hat sie auch wackelige Wertpapiere als Sicherheit akzeptiert. Anfangs nahm die Fed nur bonitätsstarke Wertpapiere, mittlerweile gibt sie sich auch mit Anleihen geringer Qualität und sogar mit Aktien zufrieden. So kommen die Banken an Geld und sind nicht gezwungen, diese Wertpapiere am Markt zu verkaufen, wodurch sie die Krise nur verschärfen würde. Weil die Geldnot länger dauert als erwartet, werden die kurzfristigen Kredite immer wieder erneuert. Solange die Notenbanken die Möglichkeit haben, das ausgeliehene Geld wieder einzusammeln, besteht keine Inflationsgefahr. Schwierig wird es erst, wenn dies nicht mehr gelingt.

Staatliche Garantien

Im März 2008 war offenkundig: Bear Stearns ist wegen der US-Kreditkrise in massive Schwierigkeiten geraten. Die Bank sollte mit der Übernahme durch JP Morgan vor der Pleite gerettet werden. Ein Jahr zuvor war die Aktie des Brokerhauses noch rund 160 Dollar wert, jetzt sollte der Übernahmepreis nur zwei Dollar je Aktie betragen. Auch dann war JP Morgan nur zur dem Deal bereit, wenn die New Yorker Fed die Rettung mit einer Kreditgarantie von rund 30 Milliarden Dollar unterstützte. Als Sicherheit erhielt die Fed Anleihen und Hypothekenprodukten, die bislang nicht von Zahlungsausfällen betroffen waren. JP Morgen übernimmt die erste Milliarde an möglichen künftigen Verlusten, den Rest trägt die New Yorker Fed. Die geplante Übernahme von Lehman Brothers ist am vergangenen Wochenende dagegen geplatzt, weil Fed und das US-Finanzministerium nicht bereit waren, staatliche Garantien bereitzustellen.

Solche Staatsgarantien sind durchaus normal. Man kennt sie auch in Deutschland - zum Beispiel bei Existenzgründungsdarlehen. Auch da verbürgt der Staat Kredite. Wenn der Existenzgründer nicht zurückzahlen kann, springt der Staat ein. Solche Garantien wurden auch im Fall der IKB und der Sachsen LB gewährt. "Das ist eine potentielle Belastung des Staatshaushalts", sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. "Eine solche Garantie ist leicht gegeben, wenn sie aber in Anspruch genommen wird, kann das dramatische Folgen haben. Dann wird unter Umständen viel Geld benötigt." Und das muss der Steuerzahler aufbringen.

Verstaatlichung

Im Sommer gerieten die beiden US-Hypothekenriesen Fannie Mae und Freddie Mac in Not. Die amerikanische Regierung wollte sie um jeden Preis vor dem Kollaps bewahren und verstaatlichte die beiden Unternehmen, die zusammen rund 40 Prozent aller privaten US-Immobilienkredite mit einem Gesamtwert von 5,2 Billionen Dollar verwalten. Bei einer Verstaatlichung werden die Aktionäre enteignet - im selben Augenblick wird der Staat Eigentümer und Unternehmer. Die amerikanische Regierung hat Fannie und Freddie von der Börse genommen und ist damit voll verantwortlich für ihre Geschäfte.

Bei einer Bürgschaft haftet der Staat in der Regel nur bis zu einer oberen Grenze. Wenn er selbst Eigentümer einer Firma ist, muss er Verluste in jeder Höhe tragen - oder die Insolvenz des Unternehmens zulassen. "Bei Fannie Mae und Freddie Mac kann dem Staat noch ein sehr hoher Kapitalbedarf entstehen", sagt Faust. "Dafür gibt es keine Grenze, da sitzt der Staat als Unternehmer voll im Boot." In einigen Jahren sollen die beiden Hypothekenbanken privatisiert werden. Analysten schätzen, dass die Regierung mit einem Verlust von 300 Milliarden Dollar aus dem Geschäft aussteigt. Der Betrag kann aber deutlich höher ausfallen, denn Fannie und Freddie sind ein Fass ohne Boden.

Langfristige Kredite

Die beispiellose Rettungsaktion von AIG, der weltweit größten Versicherung, ist die jüngste Eskalationsstufe in der Kreditkrise. Die US-Notenbank sagte dem taumelnden Versicherungsriesen einen dringend benötigten Kredit von 85 Milliarden Dollar zu. Im Gegenzug übernimmt die US-Regierung 80 Prozent der Anteile an AIG und die Fed erhält Zugriff auf alle Anlagen des Versicherers. AIG muss für diesen Kredit elf Prozent Zinsen zahlen. "Für diesen Kredit hat die Fed einfach Geld gedruckt, also neues Geld geschaffen. Wird das Darlehen zurückgezahlt, verschwindet die extra Geldmenge", sagt Ökonom Milleker. "Insofern besteht keine Inflationsgefahr, wenn die Notenbank jetzt so großzügig das Geld rausreicht."

© SZ vom 18.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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