Regierung bleibt auf Reformkurs:Der süße Lockruf des Geldes

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Die Regierung tut gut daran, trotz günstiger Konjunkturdaten auf Reformkurs zu bleiben. Denn die Jubelmeldungen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass etwa die Perspektiven für Langzeiterwerbslose weiter miserabel sind.

Claus Hulverscheidt

Die Wirtschaft brummt, die Steuereinnahmen steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt. Selbst die notorisch pessimistischen Wirtschaftsforschungsinstitute sind ins Lager der Konjunkturoptimisten gewechselt und verbreiten eitel Sonnenschein.

Grund genug also für die Große Koalition, einmal kräftig durchzuatmen und über die Verteilung des Geldsegens nachzudenken?

Mitnichten. Sicher ist es schön, dass die Zahl der Arbeitslosen bis Ende 2008 auf durchschnittlich 3,5 Millionen sinken soll. Aber sind 3,5 Millionen Jobsuchende nicht immer noch ziemlich viele?

Natürlich ist es erfreulich, wenn Bund, Länder und Gemeinden weniger Kredite aufnehmen. Aber sieht der Stabilitätspakt nicht eigentlich vor, dass die EU-Staaten in konjunkturell guten Zeiten Haushaltsüberschüsse erwirtschaften?

Auf den ersten Blick plausibel

Und in der Tat klingt es auf den ersten Blick plausibel, wenn die Gewerkschaften jetzt kräftige Lohnerhöhungen verlangen. Aber war es nicht gerade die moderate Lohnpolitik der vergangenen Jahre, die das Comeback der deutschen Unternehmen mit ermöglicht hat?

Auf dem Arbeitsmarkt sind trotz aller Jubelmeldungen vor allem die Perspektiven für Langzeiterwerbslose weiter miserabel. Viele Betroffene werden mangels Qualifikation nicht einmal in Branchen einen Job finden, in denen Arbeitskräftemangel herrscht.

Die Regierung muss deshalb den Niedriglohnsektor grundlegend reformieren und das Durcheinander von Mini-, Midi- und Ein-Euro-Jobs beseitigen. Am erfolgversprechendsten erscheint dabei das Konzept der sogenannten negativen Einkommensteuer, das auch Arbeitsminister Franz Müntefering in einer abgewandelten Form verfolgt.

Noch auf Jahre hinaus hohe Defizite

Im Bereich der Haushaltssanierung ist vor allem der Bund gefordert, der - anders als Länder und Gemeinden - noch auf Jahre hinaus hohe Defizite einplant.

In der Pflicht steht dabei nicht allein Finanzminister Peer Steinbrück, sondern die gesamte Regierung: Bislang sind sich die Ressorts nämlich nur dann schnell einig, wenn mehr Geld für ,,Zukunftsaufgaben'' ausgegeben werden soll.

Steinbrück verlangt zu Recht, dass das Kabinett nicht nur vorrangige, sondern auch nachrangige Aufgaben definiert, für die künftig weniger Mittel bereitgestellt werden.

Verschiebebahnhöfe, wie sie der Finanzminister jetzt zwischen Arbeitslosen- und Krankenversicherung plant, sind dagegen der falsche Weg: Sie führen nur dazu, dass im nächsten Abschwung das Geld an anderer Stelle fehlt.

Auf ewig ein Geheimnis

Bleiben die Gewerkschaften: Wie IG-Metall-Chef Jürgen Peters zu seiner Aussage kommt, er fühle sich durch das Gutachten der Institute bestätigt, wird auf ewig sein Geheimnis bleiben.

Denn die Konjunkturforscher warnen ausdrücklich vor Lohnabschlüssen, wie sie ihm vorschweben. Zu Recht: Zwar sollten die Arbeitnehmer tatsächlich von der guten Ertragslage der Unternehmen profitieren. Tariferhöhungen um gleich vier oder fünf Prozent könnten den Aufbau der Beschäftigung aber rasch wieder stoppen.

© SZ vom 20.04.07 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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