Reform des Erbrechts:Immer Ärger mit dem Nachlass

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Die Reform des Erbrechts liegt schon in der Schublade: Insbesondere beim Pflichtteil ändert sich einiges.

Marco Völklein

Derzeit streiten sie noch in Berlin. Vermutlich erst nach der Landtagswahl in Bayern am 28. September wird die große Koalition die letzten Details der Erbschaftsteuerreform ausgehandelt haben. Eine andere Reform, nämlich die des eigentlichen Erbrechts, liegt dagegen fix und fertig in der Schublade. Das Gesetz muss nur noch beschlossen werden - dann tritt es voraussichtlich zum 1. Januar 2009 in Kraft. Insbesondere beim sogenannten Pflichtteil wird sich einiges ändern. Die SZ erläutert die wichtigsten Fragen für Erben wie Erblasser:

Nach dem Ableben der Verwandten droht häufig Streit ums Erbe. (Foto: Foto: dpa)

Was genau ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil ist ein gesetzlicher Erbanspruch, der immer dann greift, wenn der Verstorbene durch sein Testament einen nahen Angehörigen von der Erbfolge ausgeschlossen hat. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Ein Beispiel: Ein Witwer stirbt.

Ohne ein Testament würden seine drei Söhne jeweils ein Drittel des Nachlasses erhalten. Ein Sohn, so hat er es in seinem Testament festgelegt, soll aber nur den Pflichtteil bekommen, auf keinen Fall mehr. Dann erhält dieser Sohn ein Sechstel (die Hälfte von einem Drittel) des Erbes. Wichtig: "Der Pflichtteil ist stets ein Geldanspruch", erklärt Klaus Michael Groll, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Der Pflichtteilsberechtigte kann also nicht darauf drängen, dass er etwa eine von drei Wohnungen in einem Haus erhält.

Kann man Angehörigen den Pflichtteil entziehen?

"Das ist eine der meistgestellten Fragen in der Beratungspraxis", sagt Erbrechtsexperte Groll. Denn oft gehen Kinder ins Ausland und kümmern sich jahrzehntelang nicht um ihre Eltern. Oder aber die Schwiegerkinder treiben einen Keil zwischen die Eltern und den Nachwuchs.

Bisher konnte der Erblasser den Pflichtteil zum Beispiel dann entziehen, wenn der Abkömmling einen "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandel" gegen den Willen des Erblassers geführt hatte. Diese Regelung ist aber schwammig: So galten in den siebziger Jahren Prostitution und Alkoholsucht als Begründung für die Pflichtteilsentziehung, heutzutage genügt dies nicht mehr. Deshalb wird es im Gesetz neu geregelt: Künftig kann der Pflichtteil nur dann entzogen werden, wenn der Betreffende wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Haftstrafe von mehr als einem Jahr ohne Bewährung verurteilt wurde.

Wichtig ist dabei, dass diese Verurteilung auch rechtskräftig ist. Daneben gab und gibt es eine Reihe weiterer Gründe, die es ermöglichen, Angehörigen den Pflichtteil zu entziehen. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Betreffende dem Erblasser nach dem Leben trachtete.

Was passiert mit Schenkungen, die der Erblasser zu Lebzeiten macht?

Schenkungen werden zur Berechnung des Pflichtteils bisher dem Nachlass hinzugerechnet - allerdings nur, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers gemacht wurden. Verstirbt der Erblasser dagegen nur einen Tag nach Ablauf der Zehn-Jahres-Frist, zählt das Geschenk nicht mehr zur Erbmasse - und der Pflichtteil fällt dann entsprechend geringer aus.

Diese "Fallbeil-Regelung" will der Gesetzgeber ändern: Je länger die Schenkung zurückliegt, desto weniger wird zum Nachlass hinzugerechnet - und zwar pro Jahr zehn Prozentpunkte weniger. Das lässt sich am besten anhand eines Beispiels erklären: Liegt die Schenkung zwei Jahre zurück, zählen noch 80 Prozent davon zur Erbmasse, aus der sich der Pflichtteil berechnet.

Sind seit der Schenkung dagegen neun Jahre vergangen, sind es nur zehn Prozent. "Hier wird es viel Streit darüber geben, wann eine Schenkung tatsächlich erfolgte", sagt Anwalt Groll voraus: "Für Klarheit sorgt nur, wenn Erblasser und Beschenkter die Daten schriftlich festhalten."

Werden Geschenke auf den Pflichtteil angerechnet?

"Auch das ist ein Punkt, der oft für Streit innerhalb von Familien sorgt", sagt Erbrechtsanwalt Groll. Bisher gilt folgende Regelung: Hat ein Erblasser noch zu Lebzeiten etwas verschenkt, dann musste der Berechtigte sich dieses Geschenk nur dann auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen, wenn dies im Rahmen der Schenkung vereinbart wurde.

Diese Regelung ändert sich künftig mit dem neuen Gesetz: So kann der Erblasser auch nachträglich im Testament festschreiben, dass das Geschenk den Pflichtteil mindert - ohne dass er den Beschenkten darüber informieren muss. Groll: "Das kann ein böses Erwachen geben."

In Grolls Praxis kommt es oft vor, dass sich der Beschenkte zum Beispiel von Geschwistern beschimpfen lassen muss. Hätte er allerdings gewusst, dass das Geschenk später seinen Pflichtteil mindern kann, hätte er das Präsent vielleicht gar nicht erst angenommen - und wäre so Streitigkeiten aus dem Weg gegangen. Groll: "Diese Neuregelung wird noch viel Unfrieden stiften."

© SZ vom 11.08.2008/ssc/tob - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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