Reden wir über Geld: Ruediger Dahlke:"Leichen im Keller"

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Der Psychotherapeut Ruediger Dahlke über schmutziges Geld, miese Seelenzustände - und warum man Kindern besser nichts vererbt.

H. Freiberger u. K. Läsker

Über Geld machte sich Ruediger Dahlke, 57, nie viele Gedanken. Es war einfach da in seinem bürgerlichen Elternhaus. So konnte er Medizin studieren und Psychotherapeut werden. Dann schrieb er Bücher über die seelischen Ursachen von Krankheit, die Bestseller wurden. In seiner Arbeit mit Patienten stellte er fest, welche zentrale Rolle Geld bei psychischen Problemen spielt. Seine Erfahrungen fasste er zu dem Buch "Die Psychologie des Geldes" zusammen, das vor kurzem erschien - mitten in einer Zeit, da das Geld ernsthaft erkrankt ist.

Ruediger Dahlke: "Ich brauche nicht viel Geld." (Foto: Foto: Schellnegger)

SZ: Herr Dahlke, reden wir über Geld. Macht Geld glücklich?

Dahlke: Durch viel Geld wird man selten sehr glücklich und oft sehr unglücklich. Es überwiegt die negative Seite. In der Liebe hält es sich etwa die Waage, man kann sehr glücklich oder sehr unglücklich werden. Aber die Leute, die jetzt so unglücklich sind, weil sie an der Börse viel Geld verloren, waren die denn glücklich, als die Aktien oben standen?

SZ: Es gibt Leute, die sich freuten, weil sie mit Kursgewinnen einen Porsche kaufen konnten. Macht Reichtum immer unglücklich?

Dahlke: Oft, ja. Die Menschen, die bei meinen Seminaren absagen und ganz schlecht drauf sind, das sind die, die 40 Prozent ihres Besitzes verloren haben. Also ein ganz Reicher, der von seinen 18 Millionen vielleicht sieben verloren hat. Der fühlt sich richtig schlecht.

SZ: Wenn Erfolg und Reichtum zu seelischem Unglück führen können - wie entkomme ich dem?

Dahlke: Da muss ich mir vorher Gedanken machen. Vererben etwa hat oft schlechte seelische Auswirkungen. Eine schwerreiche Patientin von mir hat beim Tod ihres Mannes das ganze Geld an ihren Sohn weitervererbt. Der hat das nicht verkraftet, er ließ sich nichts mehr sagen, hat nichts mehr gemacht, das Studium geschmissen, keine Partnerschaft durchgehalten. Heute ist er Mitte 40, ohne Beruf, ohne Partnerin, unglücklich. Die Tochter von Bekannten hat sich vom geerbten Geld ihrer Eltern eine Villa gekauft. Das hat ihr Mann nicht verkraftet. Die Ehe wäre beinahe daran zerbrochen.

SZ: Was war das Problem?

Dahlke: Im Bewusstsein vieler Männer ist der Mann der Versorger. Ich kenne Frauen, die nach 14 Jahren Kinderpause in den Beruf zurückkehren, etwa in eine Werbeagentur, und einen Kreativitätsschub haben. Und der Mann, der sie ewig genervt hat mit "Ich armer Kerl muss das ganze Geld verdienen", zu dem sagen sie jetzt: "Mach' doch einfach mal weniger, das lohnt doch sowieso kaum." Das gefährdet die Beziehung.

SZ: Darf eine Frau mehr verdienen als ihr Mann?

Dahlke: Viele Männer haben damit ein Problem. Es ist sogar schon schwierig, wenn sie nur mutiger ist. Wenn sie auf einer Bergtour eine Übung am Seil macht, die Mut erfordert, und er kann sie nicht, dann hat er ein Riesenproblem. Umgekehrt stecken Frauen das locker weg.

SZ: Warum ist das so?

Dahlke: Wenn das gesamte Selbstwertgefühl des Mannes aus dem Job kommt, und das fällt weg, dann ist das zu viel. Dann bleibt ihm nichts. Die Frau ist ja meistens über anderes identifiziert, etwa über ihre Kinder.

SZ: Wenn ich aber über Geld identifiziert wäre: Was müsste ich tun, um reich zu werden?

Dahlke: Ich müsste akzeptieren, dass ich mein Streben darauf ausrichte. Und ich muss akzeptieren, dass es kein herrenloses Geld gibt. Ich muss es mir holen, und das erfordert aggressive Energie.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie viel Geld Ruediger Dahlke pro Monat zum Leben braucht.

SZ: Es gibt kein herrenloses Geld?

Dahlke: Ganz viele Menschen klagen darüber, dass nicht genug Geld hereinkommt: Ich würde mir gerne was leisten, aber das ist ja zu teuer, mein Mann bringt nicht genug Geld nach Hause. Denen müsste man ehrlicherweise antworten: Wissen Sie was, Sie können lange drauf warten, dass das Geld kommt. Sie müssen es sich holen! Und dafür müssen Sie es jemandem wegnehmen. Aber ich würde ohnehin nicht empfehlen, am Anfang des Lebens zu sagen: Ich möchte reich werden. Besser wäre es, ich hätte etwas, das mich seelisch anspricht, und ich mache das so gut, dass ich dabei erfolgreich und reich werde.

SZ: Kann man glücklich sein und arm?

Dahlke: Ja.

SZ: Sie sind ja auch reich.

Dahlke: Na ja, ich bin gut situiert. Ich kann von meinen Büchern gut leben und arbeite nebenher als Therapeut und Seminarleiter. Ich brauche nicht viel Geld.

SZ: Wie viel brauchen Sie?

Dahlke: Wenn ich im Winter auf Bali bin, vielleicht 500 Euro im Monat.

SZ: Sie leben den ganzen Winter auf Bali?

Dahlke: Ja, seit drei Jahren. Ich mag die Stimmung dort. Auf Bali regiert das Geld noch nicht ganz. Ansonsten ist fast jede Gesellschaft vom Geld dominiert, auch jene, die es nicht haben. In Kuba spielt Geld offiziell keine Rolle, aber inoffiziell sind die Leute dort durch und durch vom nicht vorhandenen Geld besessen, gerade weil kaum jemand welches besitzt.

SZ: Was haben Sie gegen Geld?

Dahlke: Ich hab' gar nichts gegen Geld. Das ist als Tauschmittel etwas Wunderbares. Problematisch ist es nur als Ware. Heute ist Geld eine Ware, man handelt es. Nach Zahlen der Organisation Attac dienen 90 Prozent der Geldströme nicht mehr dem Warenverkehr, sondern der Spekulation. Das ist nicht gut für die Welt, das sieht man ja gerade. Wenige Investmentbanker haben es geschafft, viele Menschen in materielle und seelische Nöte zu bringen. Wenn ich den Handel mit Geld zu meiner Arbeit mache, wird es ungut.

SZ: Sie unterscheiden zwischen gutem und schlechtem Geld?

Dahlke: Geld hat Qualität, nicht nur Quantität. Ein Bauer aus Niederbayern, wo wir unser Therapiezentrum haben, wollte seine Flächen einfach nicht stilllegen, obwohl er von der EU dafür Geld bekommen hätte. Die anderen haben zu ihm gesagt: Bist deppert, du hast doch viel mehr, wenn du nicht mehr arbeitest. Aber er sagte: Nein, das Geld mag ich nicht, das kann kein gutes Geld sein. Geld, das er mit seiner Hände Arbeit erwirtschaftet, ist dagegen gutes Geld für ihn, für seine Seele.

SZ: Spüren Sie das auch bei sich selbst?

Dahlke: Ja, ich hab' zum Beispiel eine Photovoltaikanlage, deren Strom ich ins Netz einspeise. Das Geld, das ich dafür kriege, etwa 10000 Euro im Jahr, freut mich enorm. Es hat mehr Bedeutung, als wenn ich ein Unternehmenstraining mache. Und wenn ich Geld durch Anlegen verdiene, hat es noch weniger Qualität.

SZ: Haben Sie Aktien?

Dahlke: Nein, ich habe meinem Bankier gesagt, er soll das Geld risikolos und ethisch vertretbar anlegen. Er muss nicht 20 Prozent Rendite rausholen, drei, vier Prozent sind völlig in Ordnung.

SZ: Mit einer Aktie beteilige ich mich an einem Unternehmen. Wenn ich das Unternehmen gut finde, wieso ist das ethisch nicht vertretbar?

Dahlke: Wenn Sie das so sehen, gehören Sie nicht zu den Spekulanten. Richtige Spekulanten beteiligen sich nicht langfristig an Firmen, sondern kaufen und verkaufen ständig hin und her. Das tut Händlern nicht gut und auch denen nicht, die davon profitieren. Kennen Sie jemanden, der durch Spekulation an der Börse reich geworden ist und dem es richtig gut geht damit?

SZ: Der Spekulant André Kostolany machte immer einen zufriedenen Eindruck.

Dahlke: Ich hatte eine Reihe von Patienten, denen das nicht gut tut. Wenn sie schon ihrem Kind nicht mehr erklären können, woher das Geld kommt, dann wird es schwierig für die Seele. Die Banker, die jetzt so gescholten werden, denen geht es beschissen. Es haben sich auch schon welche umgebracht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Warum schlechtes Geld mies für die Seele ist.

SZ: Es gibt auch Aktien, die steigen, weil die Firma eine gute Idee hat.

Dahlke: Aber je höher die Rendite ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass Blut am Geld klebt. Ich kenne die Geschichte eines Immobilienmaklers in München, der mit brutalen, aber legalen Methoden viel Geld gemacht hat. Er entmietete die Menschen mit Strom- und Gasentzug oder hat die Treppe abgerissen, dann sanierte er die Häuser und vermietete zu viel höheren Preisen. Der kam zu mir als Patient wegen Dauerschlaflosigkeit. Seine Seele, von der er gar nichts wissen wollte, hat ihn nicht mehr schlafen lassen. Der hat dann versucht, das Geld reinzuwaschen. Er wollte die Leute in Altenheimen aufspüren, aber die waren oft schon gestorben. Dann hat er über Spenden versucht, seine Seele zu erleichtern.

SZ: Funktioniert so etwas?

Dahlke: Es gibt viele Menschen, die gnadenlos reich werden und dann eine erschütternde Krankheitsdiagnose erhalten, die ihnen nur noch wenig Zeit lässt. Die glauben häufig, dass sie nach dem Motto "Zeit ist Geld" ihr Geld wieder in Zeit zurücktauschen können. Denen muss ich als Arzt sagen: Die Gleichung, auf die Sie Ihr Leben aufgebaut haben, ist falsch. Erst dann realisieren die Leute, dass sie für ihr Geld keine Lebenszeit zurückkaufen können und verstehen, was sie mit ihrem Geld angerichtet haben. Sehr reiche Menschen haben oft "Leichen im Keller", wie man so sagt. Ihre Seele weiß, dass das nicht in Ordnung ist. Deshalb stiften und spenden viele Reiche im Alter.

SZ: Macht schlechtes Geld immer ein schlechtes Gewissen?

Dahlke: Nehmen Sie den Herrn Esser, der sich bei Mannesmann seinen Abschied mit 60 Millionen Mark vergolden ließ. Der kann auf kein öffentliches Pissoir mehr gehen. Juristisch war es offenbar okay, was er gemacht hat, aber beneiden muss man ihn nicht. Oder wenn ein Hedgefonds-Manager Firmen aufkauft, filetiert und viele Menschen werden arbeitslos - denen geht es gar nicht gut dabei. Für die Seele ist das mies.

SZ: Ist ein Millionengewinn im Lotto auch schlechtes Geld?

Dahlke: Bei vielen Gewinnern ist das Geld schnell weg, weil sie innerlich nicht bereit sind dafür. In Österreich ist man deshalb dazu übergegangen, das Geld nicht mehr auf einen Schlag auszuzahlen, sondern in monatlichen Raten.

SZ: Geld braucht jeder, um essen und wohnen zu können. Das kann doch nichts grundsätzlich Schlechtes sein. Wann schlägt es vom Positiven ins Negative um?

Dahlke: Wenn Sie als Student 400 Euro im Monat haben und später als Berufsanfänger 1800 Euro, ist das ein unheimlicher Zuwachs an Lebensqualität. Die Glückskurve steigt zunächst schnell an. Doch je mehr man hat - Stereoanlage, Auto, Haus -, umso flacher wird die Kurve. Später schafft man wie verrückt Geld heran, ohne wirklich mehr Qualität zu haben. Irgendwann weiß man nicht mehr, was man solchen Leuten schenken soll, weil sie alles haben.

SZ: Sie sind mit Büchern über Krankheit und Seele bekannt geworden. Welche Krankheit steckt hinter der Finanzkrise?

Dahlke: Dahinter steckt immer Gier. Früher hieß das Habsucht, und das Wort Sucht kommt von Suche: Wenn die Suche scheitert, kommt die Sucht, dann wird der Mensch krank. Habsucht ist neben Eifersucht, die Beziehungen ruiniert, heute die entscheidende Sucht.

SZ: Die Wirtschaftskrise ist ein Resultat der Habsucht?

Dahlke: Ja, das glaube ich. Weil die Menschen nicht mehr genug bekommen. Was hat die Banker angetrieben? Sie wollten mehr Erfolg haben. Sie wollten Geld, das sie gar nicht mehr brauchen, das einfach rumliegt, um Zinsen zu bringen. Ich sage den Leuten immer: Heben Sie das Geld nicht auf. Geben Sie es im letzten Viertel Ihres Lebens aus. Es sind wenige, die mir folgen, aber denen geht's gut damit.

SZ: Viele heben es für ihre Kinder auf.

Dahlke: Das ist fatal. Man tut den Kindern nichts Gutes damit. Die meisten Menschen vererben nicht selbstlos. Sie knüpfen Bedingungen ans Erbe, damit die Kleinen funktionieren. Stellen Sie sich vor, Sie erben 800000 Euro und geben die einfach aus. Was denken die anderen dann? Das darf man mit geerbtem Geld gar nicht, da ist man ein böser Mensch. Von daher ist Vererben selten selbstlos. Es gibt ja den Spruch von der "Ohrfeige aus dem Grab", dass die Kinder bei der Testamentseröffnung noch abgewatscht werden. Damit wird oft weiter Macht ausgeübt. Und das tut der Elterngeneration nicht gut und auch den Jungen nicht, weil sie ewig daran gebunden bleiben.

SZ: Was raten Sie stattdessen?

Dahlke: Viele Menschen könnten sich das Leben leichter machen, wenn sie nicht so hinter dem Geld her wären.

© SZ vom 13.03.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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