RAG-Pläne:Gefährlicher Börsengang

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Könnten sich Union und SPD nicht auf einen Ausstieg aus der Kohle einigen, droht der RAG-Börsengang zu kippen. Die Risiken wären zu hoch.

Michael Bauchmüller und Hans-Willy Bein

Ein mit öffentlichen Mitteln subventionierter Bergbau habe keine Zukunft, sagte Glos auf einem Energiekongress in Berlin. Sollte die SPD aber darauf bestehen, einen Restbergbau fortzuführen, könne dieser nur aus privaten Mitteln gefördert werden. "Dann müsste man das Vermögen der RAG heranziehen", sagte Glos. Der Börsengang sei dann unmöglich.

Das Symbol des Bergbaus, Eisen und Schlegel, thront über der Zahlhalle des Bergwerks West der Deutschen Steinkohle in Kamp-Lintfort. (Foto: Foto: ddp)

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte angekündigt, sich aus der Förderung der Steinkohle zurückzuziehen. Damit dürfte Glos mit Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) auf einer Linie liegen. Auch sein Haus schließt aus, dass der Bund in die Bresche springen könnte, wenn Nordrhein-Westfalen die Förderung einstellt.

Politische Diskussion um Sockelbergbau

Seit Monaten suchen Union und SPD eine Lösung im Kohlestreit. Während die Union sich bis spätestens 2018 vom hochsubventionierten Steinkohle-Bergbau verabschieden will, möchte die SPD zumindest auf geringem Niveau am Bergbau festhalten, am "Sockelbergbau". Dies könne helfen, technologisch nicht den Anschluss zu verlieren, argumentieren die Sozialdemokraten.

Mehrere Kohlegipfel zwischen großer Koalition, den Ländern NRW und Saarland, der Gewerkschaft IGBCE und der RAG blieben bisher ergebnislos. Der letzte Kohlegipfel, geplant für die vorvergangene Woche, war deshalb kurzfristig abgesagt worden.

Für kommenden Sonntag ist eine weitere Gipfelrunde angesetzt. Anschließend wollen CDU und SPD in einer Koalitionsrunde aufs Neue versuchen, eine Lösung zu finden. Die Einigungschancen sind aber mager. "Ich kann keinerlei Bewegung erkennen", sagte ein IGBCE-Sprecher am Dienstag.

Hochsubventionierte Steinkohle

Wegen der ungünstigen geologischen Lage ist Steinkohle in Deutschland annähernd drei mal so teuer wie Importkohle. Im vergangenen Jahr waren Subventionen von 2,5 Milliarden Euro notwendig, um deutsche Kohle überhaupt verkaufen zu können.

Vereinbart sind die öffentlichen Zuschüsse derzeit nur bis 2012, allerdings mit deutlich sinkender Tendenz. Das christliberale Kohleland Nordrhein-Westfalen will die Zahlungen Ende 2008 einstellen, sofern kein festes Datum für ein Auslaufen des Bergbaus fixiert wird. Dann würde sich trotz bereits geplanter Schließung von Zechen und einer gedrosselten Förderung schon 2012 eine Finanzlücke von über vier Milliarden Euro auftun.

Doch der Koalitionsstreit über die Zukunft des Bergbaus bremst den geplanten Börsengang des Essener RAG-Konzern, zu dem die deutschen Kohlezechen gehören. RAG-Chef Werner Müller will den Industrieteil des Konzerns mit dem Chemieunternehmen Degussa, dem Stromunternehmen Steag und der Immobiliensparte an den Aktienmarkt bringen.

Risikoreiche Bergbau-Altlasten

Geplant war bisher die Einrichtung einer Stiftung, die mit den Erlösen aus dem Börsengang Folgekosten und Altlasten des Bergbaus übernehmen soll. Die CDU im Bund sowie der Regierungspartner FDP in Nordrhein-Westfalen wollten dieses Modell aber nur mittragen, wenn spätestens im Jahr 2018 die letzte der acht deutschen Kohlezechen ihren Betrieb einstellt.

Es bestand Einvernehmen zwischen allen Parteien darüber, dass es dann auch keine Kündigungen im Bergbau geben wird. Derzeit sind noch 34.000 Kumpel im Bergbau beschäftigt.

Die SPD lehnte dieses Modell zuletzt ab. Parteichef Kurt Beck spricht im Zusammenhang mit dem Kohle-Ausstieg von einem "Irrweg". Er sieht es als Fehler an, den "sicheren heimischen Rohstoff Kohle" aufzugeben.

Höhere Rendite bei steigenden Energiepreisen

Dahinter steht die Überlegung, dass deutsche Steinkohle bei einem steigenden weltweiten Energie- und Kohlebedarf in einigen Jahren wieder wettbewerbsfähig sein könnte.

Die Gründe dürften auch in der Landespolitik liegen. In Düsseldorf baut sich derzeit die neue SPD-Chefin Hannelore Kraft auf. Zuletzt hatte sich dort CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers als Arbeitnehmerfreund profiliert. Die Sozialdemokraten wollen sich nun wieder stärker als Sachwalter der Interessen der Bergleute darstellen. Dieser Schuss könnte nach Einschätzung von Experten und auch nach Meinung der Gewerkschaft IGBCE aber nach hinten los gehen.

Setzt sich die SPD mit der Forderung nach einem Weiterbetrieb des Bergbaus durch und steigt NRW aus der Finanzierung aus, würden die Erlöse aus einem RAG-Börsengang wahrscheinlich zur Deckung der Lücken aus dem laufenden Betrieb eingesetzt werden müssen. Sie stünden dann für die Bergbaurisiken und zur Abfederung des Personalabbaus nicht zur Verfügung.

Vermögen rasch aufgezehrt

Scheitert der Börsengang, haftet im Zweifel der RAG-Konzern mit seinem Industriegeschäft für die Lasten des Bergbaus. Denn zwischen dem Bergbau und dem so genannten weißen Geschäft aus Industriebeteiligungen gibt es einen Haftungsverbund.

Allerdings ist absehbar, dass das auf neun bis zehn Milliarden Euro geschätzte Vermögen des Industriebereichs der RAG angesichts der notwendigen Zuschüssen in Milliardenhöhe zum laufenden Geschäft und der Alt- und Ewigkeitslasten schnell aufgezehrt sein dürfte.

© SZ vom 23.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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