Promis in der Provinz:Hollywood, bitte kommen!

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In der Gemeinde Etzelwang in der Oberpfalz hat Oscarpreisträger Nicolas Cage ein Schloss gekauft - jetzt warten die Bewohner auf ein Lebenszeichen des Stars.

Christian Mayer

Ach, es ist ein Jammer, dass der Schlossbesitzer Nicolas Cage nicht den alten Spitzweg behalten hat. Vor kurzem stand das biedermeierliche Gemälde "Der Festungskommandant" beim Auktionshaus Neumeister in München für 400.000 Euro zum Verkauf. Eines von vielen Kunstschätzen aus Schloss Neidstein, das der Schauspieler vor einigen Monaten zum Erstaunen der internationalen Klatschpresse erworben hat.

Schloss Neidstein in Etzelwang wartet auf seinen Herrn. (Foto: Foto: ddp)

Aber Cage, der in der Filmwelt gelegentlich als wunderlich beschrieben wird, hatte kein Interesse am Inventar. Er wollte die 28 Räume seines Besitztums lieber besenrein und leer.

Und so flog auch der "Festungskommandant" raus: das Bildnis eines alten Soldaten, der sich mit der Decke auf den Beinen, den Hund zu Füßen und der Zeitung vor der Nase in seiner Verschrobenheit verschanzt - ein müder Krieger, der sein Gemäuer gegen imaginäre Feinde verteidigt.

Diese Geschichte würde ganz gut in ein Hollywood-Drehbuch passen: Die Freiherren von Brand, seit 1513 Eigentümer eines uralten Anwesens, wollen ihr Schloss verkaufen, weil sie längst in Amerika leben. Leider ist Neidstein stark sanierungsbedürftig; die Gemeinde Etzelwang in der Oberpfalz hat kein Geld für finanzielle Abenteuer, die Immobilienfirma stellt sich bereits auf endlose Verhandlungen ein.

Dann taucht plötzlich im Januar und Februar 2006 ein sagenhafter Interessent auf: der amerikanische Filmstar Nicolas Cage, der mit Bodyguards und ein paar schwarzen Limousinen auf dem Schlossberg vorfährt und sofort zuschlägt. Etwa zwei Millionen Euro legt der 42-Jährige angeblich auf den Tisch, dafür bekommt man in Los Angeles gerade mal ein besseres Apartment.

In Etzelwang reicht die Summe für ein verwunschenes Schloss samt 165 Hektar Wald und Wiesen. Dass die frühere Burg im 14. Jahrhundert Kaiser Ludwig dem Bayern gehörte, macht die Sache für Cage noch romantischer. Vielleicht hat seine 22-jährige Ehefrau Alice Kim, die früher als Bedienung in einem Sushi-Lokal jobbte, ja ein Faible für Märchen.

Oder aber der vielseitig begabte Darsteller ("Leaving Las Vegas", "World Trade Center") liebt Luftschlösser. Auf Neidstein hat er sich jedenfalls länger nicht mehr sehen lassen. Kein Mensch weiß, was er für tolle Pläne hat und ob demnächst ein paar Innendesigner aus Amerika aufkreuzen.

Ein paar Monate ist es nun her, seit der Verkauf publik wurde, und seitdem wartet der Bürgermeister Ludwig Heinl auf ein Lebenszeichen des neuen Besitzers. Heinl ist erstens ein sehr freundlicher Oberpfälzer und zweitens ein geschickter PR-Manager seiner Heimatgemeinde. "Ich habe ihm schon einen Brief geschrieben und ihn im Namen der Gemeinde willkommen geheißen. Geantwortet hat er nicht."

Dabei steht alles bereit, sogar an die Abwasseranlage sei das Schloss angeschlossen, "Mr. Cage" muss also nur noch kommen: "Wir würden ihm auch einen ländlichen Empfang mit allen Vereinen bereiten, wenn er das wünscht."

Von Ludwig Heinls uraltem Bauernhof mit seinen meterdicken Wänden bis zum Schloss sind es nur zehn Minuten mit dem Geländewagen - klar, so ein Gefährt braucht man, wenn man so gerne zum Jagen geht wie der Bürgermeister.

Aber zuvor ruft Heinl noch beim Schlossverwalter Heinz Breitfelder an, der früher bereits für die Vorbesitzer, die Freiherren von Brand, tätig war, wenn sie mal für ein paar Wochen aus Amerika kamen. Überraschende Mitteilung: Breitfelder darf keine Besucher mehr vorlassen, Befehl von ganz oben. Vor kurzem stand ja diese Geschichte mit dem Blockheizkraftwerk in der Zeitung - angeblich brauche Nicolas Cage eine eigene Anlage, um sein Schloss beheizen und illuminieren zu können. Breitfelder, der lebenslanges Wohnrecht im alten Brauereidepot am Schlossberg hat, darf jetzt nichts mehr sagen.

Nicht mal die Story will er erzählen, wie Cage bei seinem geheimen Besuch in der mittelalterlichen Stadt Amberg saure Würste verspeiste, was in der Oberpfalz mit lokalpatriotischer Begeisterung kolportiert wurde.

Neidstein liegt mitten in einem Naturschutzgebiet, darauf legt Bürgermeister Heinl wert - nicht mal ein Oscarpreisträger kann dort machen, was er will. Wer durch den vergitterten Torbogen in das Anwesen blickt, sieht nicht sonderlich viel, außer einer Fassade, an der schon der Putz abblättert.

Das Schloss nehm' ich: Der Schauspieler Nicolas Cage weiß, was er will. (Foto: Foto: AP)

"Das Schloss hat nur einen einzigen Zugang und ist durch Wald und Felsen geschützt - vor Paparazzi wäre Cage sicher", sinniert der Bürgermeister. Sogar über einen Hubschrauberlandeplatz könne man reden, wenn das Luftfahrtamt mitspiele.

Bürgermeister Heinl zeigt dem Gast gerne seine Heimat, das würde er auch für Nicolas Cage tun, mit dem er sich vorstellen könnte, auch mal auf die Jagd zu gehen - zum Schloss gehört ja auch ein kleines Jagdrevier. Hasen, Rehe und Füchse kann man in der Gegend schießen.

Manche Ortsteile von Etzelwang sind seit 1000 Jahren besiedelt. Tradition gilt viel, "die Leut" sind stolz drauf, wenn sie ihren Hof an die Söhne weitergeben können." Wenn man mit Ludwig Heinl über Schotterwege fährt, seine Spargelfelder und die Familiengruft in Kirchenreinbach besichtigt, grüßen die Menschen am Wegrand. Der Bürgermeister, seit 1990 im Amt, gilt als Respektsperson, in der Grafenloge der St. Ulrichskirche sitzt er am Sonntag traditionsgemäß neben lauter Männern.

Löst der neue Nachbar bei den Ureinwohnern nicht eine Art Kulturschock aus? Ludwig Heinl sieht das ganze Theater gelassen, auch wenn seine Frau beim Kaffeetrinken den Kopf schüttelt über die Hysterie im Ort. "Neunzig Prozent der Leute haben mit dem Namen Cage gar nichts anfangen können", sagt Heinl.

Er selbst habe von seinen Söhnen erfahren, dass der Schlossherr bereits als Killer, Schatzsucher, FBI-Agent, Lebensretter und Liebhaber brillierte. "Stadt der Engel" hat sich der Bürgermeister kürzlich im Fernsehen angeschaut: eine Herzschmerzgeschichte, in der Cage einen himmlischen Begleiter gibt, "er ist ja ein begnadeter Schauspieler".

Im wahren Leben kennt sich Nicolas Cage gut aus mit Märchenschlössern. Seine Villa im Tudor-Stil am Sunset Boulevard in Bel-Air, dem teuersten Viertel an der Westküste, steht gerade zum Verkauf. Es handelt sich um ein fürstliches Domizil mit sieben Bade- und Schlafzimmern, Zierbrunnen, Kino, einem "olympischen Pool", Weinkeller und Gästehaus. 35 Millionen Dollar sei "Cage Castle" wert, berichten US-Medien.

Mal sehen, wann sich Cage mit Ehefrau Nummer drei wieder blicken lässt in der Oberpfalz. "Wir haben einiges zu bieten", verspricht der Bürgermeister. "Aber nervös werden wir nicht." Und dann muss er doch wieder lächeln, weil seine Gemeinde so weitsichtig war, ein hübsches Baugebiet namens "Schlossblick" ganz in der Nähe von Neidstein auszuweisen: 17 Parzellen für angehende Hausbesitzer, die sich nun im Glanz eines Hollywoodstars sonnen könnten.

© SZ vom 27.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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