Probleme mit Cholesterin-Medikament:Todesfälle bringen Pfizer in Bedrängnis

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Der US-Pharmakonzern hat die Entwicklung des Mittels Torcetrapib gestoppt. Die Aktie stürzt ab.

Silvia Liebrich

Todesfälle in Zusammenhang mit dem Cholesterin-Mittel "Torcetrapib" haben den weltgrößten Pharmakonzern Pfizer in schwere Bedrängnis gebracht. Der Aktienkurs brach am Montag zum Handelsstart in New York um 16 Prozent ein. Der Börsenwert schmolz damit um 30 Milliarden auf 171 Milliarden Dollar.

Für den Pharmakonzern, der hierzulande vor allem durch sein Potenzmittel Viagra bekannt wurde, ist dies ein weiterer schwerer Rückschlag. Erst im vergangenen Jahr musst er das Rheumamittel Bextra nach einigen Todesfällen vom Markt nehmen.

Völlig überraschend verhängte Pfizer nun am Wochenende einen Forschungsstopp für sein neues Cholesterin-Medikament Torcetrapib, nachdem in der klinischen Testphase 82 Patienten von insgesamt 7500 Probanden gestorben waren. Sie hatten das Mittel mit einem zweiten Cholesterin-Präparat namens Lipitor oder Sortis - ein bereits auf dem Markt befindliches Pfizer-Produkt - eingenommen. In einer Vergleichsgruppe gab es dagegen nur 52 Todesfälle.

In die Entwicklung des Medikaments, das vor allem das sogenannte gute Cholesterin HDL im Körper erhöhen soll, wurden nach Firmenangaben bisher mehr als 800 Millionen Dollar (604 Millionen Euro) investiert.

Von dem Mittel hatte man sich bei Pfizer viel versprochen: Torcetrapib sollte Einnahmeverluste in Milliardenhöhe ausgleichen, die dem Konzern in den nächsten Jahren entstehen, weil gleich für mehrere umsatzstarke Präparate der Patentschutz ausläuft.

Fällt dieser Schutz weg, können Wettbewerber - meist wesentlich günstigere - Nachahmermedikamente auf den Markt bringen. Bei Pfizer geht man davon aus, dass dies in den nächsten zwei Jahren erhebliche Einbußen in Milliardenhöhe verursachen wird.

"Wir werden schnell und aggressiv auf die neue Situation reagieren", versprach Pfizer-Chef Jeffrey Kindler. Das Unternehmen werde trotz des Rückschlages an den Umsatzzielen für 2007 und 2008 festhalten. Diese waren von ihm erst Ende Oktober nach unten korrigiert worden. Spätestens 2009 sei wieder mit steigenden Erlösen zu rechnen.

Sechs neue Produkte geplant

Ziel sei es nun die Produktpalette noch schneller zu erweitern und die Kosten noch stärker zu reduzieren, ergänzte er. Außerdem kündigte er den Zukauf weiterer Produkte an. Bis 2010 werde der Pharmahersteller wie geplant mindestens sechs neue Produkte auf den Markt bringen. Mit Cholesterin-Mitteln setzt die Pharmabranche so viel um, wie mit keiner anderen Produktgruppe.

Allein in den USA wurden nach Angaben des Branchendienstes IMF Midas von Juli 2005 bis Juni 2006 Medikamente im Wert von 32,4 Milliarden Dollar verordnet. In Deutschland habe das Volumen bei knapp einer Milliarde Dollar gelegen. Pfizer zählt mit seinem Medikament Lipitor/Sortis (Wirkstoff: Atorvastatin) zu den führenden Herstellern auf diesem Gebiet. 2005 lag der Jahresumsatz bei 12,2 Milliarden Dollar. Der Patentschutz für dieses Mittel läuft voraussichtlich im Jahr 2010, spätestens 2011, aus. Allein in Deutschland nehmen 4,37 Millionen Patienten regelmäßig Medikamente ein, die den Cholesterinspiegel im Blut senken.

Nach dem frühzeitigen Scheitern des Hoffnungsträgers Torcetrapib muss Pfizer nun intensiver nach Ersatzprodukten suchen. Das Unternehmen habe ohnehin schon nach Übernahmegelegenheiten gesucht, die dem Konzern neue Produkte und Technologien sichern sollten, meinte Mike Ward von der Investmentbank Nomura Code Securities. Nun könne sich das Volumen solcher Zukäufe deutlich erhöhen. "Statt einer Milliarde bis vier Milliarden Dollar für Akquisitionen, wie es bisher oft der Pfizer-Politik entsprach, wird jetzt darüber spekuliert, dass so ziemlich alles möglich wäre", ergänzte Ward. Mögliche Übernahmeziele seien Wyeth oder Amgen, die sich auf die Entwicklung von Impfstoffen und Antikörpern konzentrierten. Beides seien für Pfizer wichtige neue Bereiche.

Pfizer ist nicht das erste Pharmaunternehmen, das mit einem seiner blutfettsenkenden Präparate Schwierigkeiten hat. Vor fünf Jahren sorgte der Leverkusener Bayer-Konzern mit dem Lipobay-Skandal für großes Aufsehen. Die US-Gesundheitsbehörde hatte das Bayer-Präparat mit dem Wirkstoff Cerivastatin mit etwa 50 Todesfällen in Verbindung gebracht. Der wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen beläuft sich nach Angaben von Bayer bislang auf 1,157 Milliarden Dollar. Noch sind allerdings nicht alle Prozesse abgeschlossen. Allein in den USA seien noch mehr als 2000 Verfahren, darunter mehrere Sammelklagen, anhängig, sagte ein Firmensprecher.

Viele Bankhäuser, darunter JP Morgan, Lehman Brothers und die Deutsche Bank stuften das Papier von Pfizer am Montag zurück. Der Aktienkurs erholte sich nach den erheblichen Verlusten zum Auftakt des Börsenhandels wieder etwas. Deutlich zulegen konnten dagegen die Papiere des britischen Konkurrenten AstraZeneca, der nach Ansicht von Analysten am stärksten von Pfizers Rückschlag profitiert.

© SZ vom 5.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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