Privatkunden statt Investmentbanking:Das Ende der Knechtschaft

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Warum der angelsächsische Kapitalismus ausgedient hat und das traditionelle Bankgeschäft wieder en vogue ist.

Markus Zydra

Große Veränderungen schlagen sich manchmal in kurzen Nebensätzen nieder. Bei der Pressekonferenz zur Übernahme der Dresdner Bank machte Commerzbank-Chef Martin Blessing deutlich, dass die Zukunft des neuen Kreditinstituts weniger im Investmentbanking als vielmehr im Privatkundengeschäft liege. Vor zwei Jahren noch wäre Blessings Aussage sehr schlecht bei Analysten angekommen.

Autobankschalter aus der Fünfziger Jahren: "Die Rückbesinnung auf das klassische Bankgeschäft ist en vogue." (Foto: Foto: AP)

Einlagen sind bequem

Doch seit Ausbruch der Finanzkrise ist vieles anders geworden. Die Rückbesinnung auf das klassische Bankgeschäft ist en vogue. "Früher wollten Großbanken ihre Kunden oft loswerden, jetzt schätzt man die Einlagen wieder", sagt Reza Darius Montassér, Vorstand der österreichischen Alpenbank. Da die Kunden ihr Kapital selten abzögen, kämen Banken auf diese Art bequem an Geld.

"Das klassische Shareholderprinzip ist überholt", meint der Manager. Alles für den Aktionär, den Shareholder, war jahrelang das Motto, in jedem Geschäftsquartal mussten es neue Rekordgewinne sein. Rasant steigende Aktienkurse waren das Ziel, Investments sollten schnell mit viel Profit verkauft werden. Das langweilige Geschäft mit normalen Bankkunden passte nur schlecht dazu.

Aber der Zeitgeist an der Börse verändert sich gerade. Gewagte Spekulationen auf Kredit, der Handel mit komplizierten Wertpapieren, das schnelle Geld gegen hohes Risiko - all das ist plötzlich bei Investoren geächtet. Und nicht nur bei denen: Auch in der Politik dreht sich der Wind. Nationale Aufsichtsbehörden und der Gesetzgeber haben die Zügel angezogen; größenwahnsinnige Banken dürfen nicht mehr, wie sie gerne wollen.

Ständige Erfolgskontrolle

Der Eingriff der Politik stellt das angelsächsische Kapitalismusmodell in Frage. "Die viel zitierten Selbstheilungskräfte des Marktes, der Inbegriff US-amerikanischer Philosophie, wirken nicht", sagt Stefan Stobbe, Investmentstratege des Investmenthauses Bankinvest in Kopenhagen.

Die Stimmungswende an der Börse betrifft nicht bloß Bankaktien. Ganz allgemein nimmt die Skepsis gegenüber einer allzu kurzfristigen Orientierung der Unternehmen und der Investoren zu. "Alle Leute, die reich geworden und es auch geblieben sind, steuern ihre Investitionen langfristig. Sie befreien sich aus der Knechtschaft des Marktes", erklärt etwa Stobbe. Diese Knechtschaft äußert sich in ständigen Erfolgskontrollen: Wie gut läuft die Aktie bis zum Abend, bis Ende der Woche?

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum Beteiligungsgesellschaften und Hedgefonds keinen guten Ruf haben.

Die Geduld, eine Aktie zu halten, ist an der Börse bislang kaum ausgeprägt. Selbst Fondsmanager, die eigentlich langfristig denken, müssen sich für eine schlechte Monatsperformance rechtfertigen. Das ist problematisch, denn ein hoher Börsenwert drückt nicht immer eine hohe Unternehmensqualität aus.

"Finanzmärkte und Unternehmen funktionieren unterschiedlich", sagt Lars Förberg, Geschäftsführer der schwedischen Beteiligungsgesellschaft Cevian Capital. "Viele Fonds kaufen Aktien nur, weil sich die Zusammensetzung in einem Aktienindex verändert hat. Da gibt es dann wenig Anreiz, sich um das jeweilige Unternehmen wirklich zu kümmern", sagt Förberg.

Schlechter Ruf

Er kritisiert auch, dass die Diversifizierung oft übertrieben werde: Durch eine Streuung des Kapitals in Aktien, Rohstoffe oder Immobilien soll das Risiko gesenkt werden. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass man die Kontrolle über die Einzelinvestments verliert.

"Die entscheidende Frage ist immer, ob ich das Unternehmen wirklich besitzen will", sagt Förberg. "Dann habe ich als Großaktionär aber auch die Verpflichtung, mich in die Geschäftspolitik einzumischen", erklärt der Cevian-Chef, dessen Gesellschaft Anteile an der Münchener Rück und an Volvo hält. "Wir sprechen alle zwei Wochen mit dem Management."

Beteiligungsgesellschaften wie Cevian und Hedgefonds wie Atticus haben keinen guten Ruf - weil sie sich einmischen und Forderungen stellen. Da sie selbst nur selten börsennotiert sind, haben sie außerdem mehr Freiheiten. Sie können gegen die Mehrheit am Markt spekulieren, ohne dass Aktionäre sich beschweren. Andere Akteure brauchen ein sehr breites Kreuz, um sich gegen die Masse der Investoren zu stellen.

Es regiert deshalb der Herdentrieb, wie die Bankenkrise erneut gezeigt hat. Aktivere Eigentümer, die das Geschäftsmodell verstehen, sich einmischen und Geduld haben - das könnte die Börse künftig stärker prägen. Oder wie Bankinvest-Experte Stobbe sagt: "Kompetenz statt Spekulation."

© SZ vom 3.9.2008/kim/hgn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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