Privatisierungen in Griechenland:Nur die Inseln sind tabu

Um die gigantische Schuldensituation in den Griff zu bekommen, will der griechische Staat seine Schätze verkaufen. Flughäfen, Wasserwerke und Eisenbahnen kommen unter den Hammer - nur die Inseln bleiben unangetastet. Die Regierung hofft auf Milliarden, aber die Griechen misstrauen diesem Kurs. Ein Überblick über die möglichen Einnahmequellen.

Kai Strittmatter

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Nein, man werde keine griechische Insel verpfänden und auch keine verkaufen. Finanzminister Giorgos Papakonstantinou sah sich genötigt, das ausdrücklich zu betonen in einem Interview mit dem TV-Sender Skai. Sonst aber ist kaum mehr etwas tabu. Die Regierung legt mit ihrem am Montag verkündeten Privatisierungsprogramm Hand an öffentliche Besitztümer, die bislang als heilige Kühe galten. Staatsunternehmen, Immobilien, Land, die großen Häfen und Flughäfen- Griechenland macht Ausverkauf. Um die Kreditgeber günstig zu stimmen, um sich zu retten. Wenn EU und IWF die nächste Tranche der Notkredite in Höhe von zwölf Milliarden Euro nicht bald auszahlten, so der Finanzminister, dann könne Athen im Juli seine Gläubiger nicht mehr bedienen. "Dann müssen wir die Rollläden runtermachen." Linktipp: Hier die Vortragsfolien des griechischen Finanzministeriums zum Spar- und Privatisierungsprogramm (auf Griechisch).

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Die Privatisierungen, die 50 Milliarden Euro einbringen sollen, sorgen für weniger Aufschrei als das neue Spar- und Steuererhöhungspaket, von dem sich Athen weitere 6 Milliarden Euro verspricht. Unter anderem sollen die bisherigen Steuerfreibeträge wegfallen und eine einheitliche, im Schnitt höhere Mehrwertsteuer, soll die bisherigen Steuersätze zwischen 13 und 23 Prozent ersetzen. Pläne, die erneut zu Lasten der Angestellten, Arbeiter und Rentner gehen, denen schon bislang der Großteil der Sanierung aufgebürdet wurde und die heute bis zu 30 Prozent weniger Geld in der Tasche haben als vor einem Jahr. Viele kritisieren, dass genau diese Strategie im vergangenen Jahr den Konsum blockiert und für die starke Rezession gesorgt habe, die Griechenland nun zu schaffen macht: Das Land spare sich zu Tode, sagt die Opposition.

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Noch in diesem Jahr erhofft sich Athen Erlöse in Höhe von bis zu 5,5 Milliarden Euro. Der gesamte Staatsanteil an den Häfen von Piräus (im Bild) und Thessaloniki (jeweils 75 Prozent) soll auf den Markt, ebenso die Wasserwerke von Thessaloniki, die Postbank und bis zu 16 Prozent der Telekomfirma OTE, an der die Deutsche Telekom schon heute mit 30 Prozent beteiligt ist. Im nächsten Jahr dann sollen Anteile in Höhe von 34 Prozent an dem Glücksspielunternehmen OPAP verkauft werden, sowie Beteiligungen an dem Elektrizitätsunternehmen PPC und an der ATE-Bank.

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Flughäfen stehen auch auf der Verkaufsliste, schon jetzt hält die deutsche Hochtief Airport AG Anteile am internationalen Flughafen von Athen (Foto während eines Streiks 2010). Eine noch zu gründende Treuhandgesellschaft soll die Privatisierungen vornehmen. Fließen die geplanten Einnahmen von 50 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015 tatsächlich - manche Experten rechnen mit weit weniger -, dann würde das den Schuldenstand des Landes nach Schätzungen des IWF auf eine Rate von 134 Prozent des BIPs reduzieren - immer noch zu hoch, aber ein erster Schritt. Vorher sind noch viele Hürden zu überwinden. Der Großteil des Staatsvermögens sind Land und Immobilien - und bis heute gibt es keine vollständige Inventur, die der Regierung sagen würde, wie viel Besitz der Staat eigentlich hat. Noch vor kurzem gab es kein ordentliches Landkataster und bis heute gibt es keinen nationalen Raumordnungsplan, der ausländischen Investoren Rechtssicherheit bieten könnte. Korruption und eine manchmal kafkaeske Bürokratie haben in der Vergangenheit Investoren abgeschreckt.

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Viele Griechen fürchten, die auf Druck von EU und IWF nun hastig eingefädelten Verkäufe könnten dazu führen, dass Staatsvermögen unter Wert verramscht wird. Die der sozialistischen Regierungspartei Pasok nahestehenden Gewerkschaften sind ohnehin gegen jede Art von Privatisierung, auch das ein Grund dafür, dass der Widerstand gegen die Pläne des Premiers zuletzt lauter wurde - offenbar gab es auch Streit in der denkwürdigen Kabinettssitzung vom Montag. Der griechischen Presse zufolge äußerten mehrere Minister starke Kritik an Finanzminister Papakonstantinou und seinen Plänen, der Premier habe mehrfach in dramatischen Appellen die Einigkeit seines Kabinetts gefordert. Aber auch das Vertrauen des Volkes in den eingeschlagenen Kurs ist schwer angeknackst. Umfragen zufolge halten mittlerweile zwei Drittel aller Griechen den vor einem Jahr abgeschlossenen Rettungspakt zwischen EU, IWF und Athen für falsch. Die Bank von Griechenland teilte derweil mit, die Griechen hätten von Januar 2010 bis April 2011 insgesamt 38 Milliarden Euro von ihren Bankkonten abgezogen. Manche bringen aus Furcht ihr Geld ins Ausland, andere horten es. Das Finanzministerium vermutet allerdings auch, dass ein großer Teil des Geldes im Land ausgegeben wurde: Vielen Griechen geht es mittlerweile so schlecht, dass sie ihr Erspartes angreifen müssen.

© SZ vom 25.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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