Pendlerpauschale:Die Doppelmoral der Steuerzahler

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Aller Kritik zum Trotz: Die Abschaffung der Pendlerpauschale ist politisch in Ordnung. Es ist nicht einsehbar, dass der Staat die Fahrt zur Arbeit subventioniert.

Claus Hulverscheidt

Es gibt wenige Dinge, die so symptomatisch für die Doppelmoral vieler deutscher Steuerzahler sind, wie der Streit um die Pendlerpauschale. Seit Jahren verlangen Sonntags- wie Stammtischredner von der Bundesregierung, dass sie Privilegien für einzelne Gruppen abbaut, um im Gegenzug die Steuersätze für alle senken zu können. Sobald es aber konkret wird, läuft immer das gleiche Spiel ab: Subventionsabbau ja - aber bitte nicht bei mir.

Im Fall der Pendlerpauschale hat die Politik das Problem durch eigenes Zutun scheinbar noch verschärft. Statt die Pauschale wie geplant für alle Arbeitnehmer gleichmäßig abzusenken, entschieden Bundestag und Bundesrat nach langem Gerangel, sie komplett abzuschaffen.

Zugleich wurde aber für Beschäftigte mit einem Arbeitsweg von mehr als 20 Kilometern eine "Härtefallregelung'' geschaffen. Darauf hatten vor allem die Ostländer gedrungen, weil sie fürchteten, dass viele ihrer Bürger, die auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik arbeiten, bei einer drastisch geringeren Pauschale auch den Wohnsitz gen Westen verlegen könnten. Das Ergebnis war ein Gesetz, das ungerecht erscheint und nach Ansicht mancher Experten gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verstößt.

Dieser Meinung hat sich auch der Bundesfinanzhof (BFH) angeschlossen und das Bundesverfassungsgericht eingeschaltet. Die Skepsis des höchsten deutschen Finanzgerichts verwundert kaum, denn es orientiert sich bei seinen Urteilen meist an systematischen Erwägungen wie dem sogenannten Nettoprinzip.

Das Verfassungsgericht könnte den Fall anders sehen als der BFH

Danach darf der Staat nur den Teil des Einkommens besteuern, der nach Abzug aller Aufwendungen zur Erzielung dieses Einkommens übrig bleibt. Ob dazu aber auch die Fahrtkosten zählen, ist keineswegs klar. Es spricht im Gegenteil einiges dafür, dass das Verfassungsgericht anders entscheiden könnte als der BFH.

Wer wo wohnen will, ist die private Entscheidung jedes Einzelnen. Viele Menschen zieht es in die Stadt, weil dort ein großes Kultur- und Freizeitangebot lockt. Familien mit Kindern fühlen sich vielleicht eher im Grünen wohl.

Warum aber soll der Staat, also die Gemeinschaft der Steuerzahler, nun einen von beiden Lebensentwürfen subventionieren - zumal dann, wenn der Landmensch im Vergleich zum Stadtmenschen zwar höhere Fahrtkosten hat, dafür aber womöglich eine geringere Miete zahlt?

Vielleicht stellt sich am Ende heraus, dass das vermeintlich so verkorkste Gesetz zur Pendlerpauschale inhaltlich wie rechtlich völlig in Ordnung ist: Der Staat hält sich aus der Wohnortentscheidung der Bürger heraus, die Arbeit beginnt, steuerlich betrachtet, erst am Werkstor.

In Härtefällen könnte er ja dann - vielleicht zeitlich begrenzt - jenen Arbeitslosen steuerlich begünstigen, der bereit ist, für seinen neuen Job jeden Morgen wirklich weit zu fahren. Davon profitierten alle, weil die öffentliche Hand sogar Geld sparen würde. Und das wäre dann auch wirklich gerecht.

© SZ vom 14.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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