Norwegen:Zu viel Geld fürs Land

Lesezeit: 2 min

Der skandinavische Staat legt Monat für Monat den größten Teil der Einnahmen aus dem Ölgeschäft in einem Fonds an. Der ist mittlerweile größer als alle vergleichbaren Fonds auf der Welt.

Gunnar Herrmann

Lange Zeit war Norwegen ein armes Land, mit einer kleinen Bevölkerung, die sich überwiegend vom Fischfang ernährte. Dank der Ölfunde vor der Küste gehört der Staat heute zu den wohlhabendsten Europas.

Und auf den internationalen Finanzmärkten ist Norwegen mit seinen 4,6 Millionen Einwohnern ein Riese: Seit einigen Monaten ist der staatliche Pensionsfonds der größte der Welt.

Nach dem neuesten Quartalsbericht wuchs das Volumen auf 1712 Milliarden Kronen (210 Milliarden Euro). Damit überholten die Norweger die bisherigen Spitzenreiter, den niederländischen ABP und den kalifornischen Calpers-Fonds.

Selbstauferlegter Sparzwang

Das Geld, das von Norwegens Zentralbank angelegt und verwaltet wird, stammt ausschließlich aus dem Ölgeschäft. 1990 hatte die Regierung beschlossen, diese Einnahmen für künftige Generationen zurückzulegen. Nur vier Prozent des Fondsvolumens dürfen jährlich dem Staatshaushalt zugeführt werden - derzeit sind das etwa acht Milliarden Euro.

Der Pensionsfonds trug bis Anfang des Jahres noch den Namen Petroleumfonds.

Eigentlich ist das Vermögen damit besser beschrieben, denn ob es einmal für Pensionen ausgegeben wird, ist nicht sicher. Das ist auch nicht so wichtig, denn der Fonds erfüllt zwei Zwecke: Zum einen sollen die Norweger auch dann noch von ihren Bodenschätzen profitieren können, wenn diese aufgebraucht sind. Zum anderen versucht die Regierung, mit dem Fonds ein Problem zu lösen.

Mit dem selbst auferlegten Sparzwang will sie vermeiden, dass das viele Geld aus dem Ölgeschäft die norwegische Wirtschaft überhitzt und diese völlig abhängig von den Einnahmen aus dem Verkauf von Öl und Gas wird.

Diese Abhängigkeit könnte zu schweren Problemen führen, wenn die Rohstoffquellen in einigen Jahrzehnten versiegen. Deshalb wird das Ölgeld ausschließlich im Ausland investiert. Ein Großteil ist in verzinslichen Wertpapieren angelegt, für etwa 40 Prozent darf die Zentralbank Aktien kaufen.

Der Ölfonds besitzt Anteile an Unternehmen auf allen Kontinenten. Es gibt ausgefeilte Regeln, mit denen der Staat verhindern will, dass ihm sein Vermögen politische Probleme bereitet. Unter anderem darf der Fonds an keinem Unternehmen mehr als drei Prozent besitzen. Damit kann er nie entscheidenden Einfluss auf die Firmenpolitik gewinnen.

Ethische Richtlinien

Andernfalls könnte Norwegen in die unangenehme Lage kommen, zum Beispiel über Sparmaßnahmen und Entlassungen in ausländischen Unternehmen mitentscheiden zu müssen. Die Richtlinien führen zu einer sehr breiten Streuung des Ölvermögens. Allein in Deutschland besitzt der Fonds einer Liste vom 31. Dezember 2005 zufolge Anteile an 67 verschiedenen Firmen. Die Liste reicht von Adidas-Salomon über DaimlerChrysler, Eon, Infineon, Porsche, T-Online bis hin zu VW.

Die Investitionen des Fonds sind auch durch ethische Richtlinien beschränkt. Von dem Ölgeld darf nicht profitieren, wer Menschenrechte verletzt, Korruption fördert oder die Umwelt zerstört. Eine Ethik-Kommission berät die Zentralbank bei der korrekten Geldanlage.

So zog sich der Ölfonds etwa aus dem EADS-Konzern zurück, weil der über eine Tochterfirma das französische Militär mit Bauteilen für Atomwaffen beliefert. Wal-Mart wurde aus dem Portfolio entfernt, weil dem Unternehmen mehrfach vorgeworfen wurde, es behandele seine Angestellten schlecht.

"Seit Einführung der Ethik-Kommission 2004 haben wir etwa 20 Unternehmen ausgeschlossen", sagt Martin Skancke, Abteilungsleiter im Finanzministerium. Bei insgesamt mehr als 3000 Unternehmen im Aktienportfolio sei das nicht viel. Langfristig erhoffe man sich durch die Ethik-Regeln auch eine bessere finanzielle Entwicklung des Fonds, es gebe also nicht nur politische Gründe für die Beschränkungen.

Nach welchen Regeln das Geld angelegt wird, bestimmt letztlich das norwegische Parlament. Dort wird eines Tages auch darüber entschieden, was mit dem Vermögen geschehen soll.

Begehrlichkeiten weckt der Reichtum bereits jetzt: Die oppositionelle Forschrittspartei, die für populistischen Forderungen bekannt ist, möchte einen Teil am liebsten sofort verwenden, um Straßen zu bauen und das Gesundheitssystem zu verbessern. Solche Ideen kommen bei vielen Norwegern gut an. In Umfragen liegt die Partei derzeit manchmal sogar vor den regierenden Sozialdemokraten.

© SZ vom 5.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: