Nach Steinkohle-Kompromiss:Weg frei für Börsengang der RAG

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Die Einigung der Koalitionspartner über den Steinkohle-Ausstieg beflügelt die Börsenpläne der RAG. Doch viele Details sind noch offen.

Hans-Willy Bein und Claus Hulverscheidt

Nach der Grundsatzeinigung der großen Koalition auf einen Ausstieg aus dem deutschen Steinkohlebergbau ist der Weg für einen Börsengang des Essener RAG-Konzerns frei. Angesichts der vielen noch offenen Fragen wird eine Verschiebung der Emission auf den Herbst aber immer wahrscheinlicher.

Raus aus der Kumpel-Kluft, rein in das Börsen-Outfit könnte es bald bei der RAG heißen. (Foto: Foto: dpa)

"Wir müssen den weiteren Entscheidungsprozess abwarten", sagte ein Sprecher der RAG am Montag. Viele Experten halten das Vorhaben von RAG-Chef Werner Müller, den Konzern mit seinen Bereichen Energie, Chemie und Immobilien bereits im Frühsommer an die Börse zu bringen, aber für unrealistisch.

Der Bund und die Kohleländer Nordrhein-Westfalen und das Saarland hatten sich am späten Sonntagabend grundsätzlich darauf verständigt, dass Deutschland in etwa einem Jahrzehnt aus der Steinkohlesubventionierung und damit der -förderung aussteigen wird.

"Durchbruch" für Glos

Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), der das Treffen geleitet hatte, sprach anschließend von einem "Durchbruch". Zwar betonten Vertreter aller Parteien gestern, dass noch zahlreiche Details offen seien. In Regierungskreisen hieß es jedoch, man sei sich "sehr nahe gekommen". Einig sind sich alle Beteiligten unter anderem darin, dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben soll.

Am Montagabend wollten die Spitzen der Koalition über den Kompromiss vom Vortag beraten. Er ist Voraussetzung für den Börsengang der RAG. Einigen sich Bund und Länder nicht, bliebe der Konzern auf den "Ewigkeitslasten" der Steinkohleförderung wie Pensionslasten und Bergbauschäden sitzen. Für potentielle Aktionäre wäre dies ein zu hohes Risiko.

Das Modell für den Börsengang sieht vor, dass die Großaktionäre Eon, RWE und Thyssen-Krupp ihre Anteile zum symbolischen Preis von einem Euro auf eine Stiftung übertragen.

Aufspaltung der RAG wahrscheinlich

Die jetzige RAG wird dann in zwei Unternehmen geteilt: einen Industriekonzern, der in Kürze einen neuen Namen bekommt und den Bergbaukonzern, der weiter als RAG firmiert. Die Stiftung soll den Industriekonzern schrittweise an die Börse bringen.

Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Susat & Partner kann mit Einnahmen von 5,4 Milliarden Euro aus der Aktienemission gerechnet werden. Mit den bei der RAG schon gebildeten Rückstellungen von fünf bis sechs Milliarden Euro sollen damit die Folgekosten, Ewigkeitslasten und Risiken des Bergbaus nach der Stilllegung der Zechen finanziert werden.

Das Land NRW glaubt allerdings nicht, dass der Erlös aus dem Börsengang genug erbringt, um die Folgekosten des Bergbaus zu finanzieren. "Das Geld wird nicht reichen", heißt es bei der Landesregierung in Düsseldorf. Die Landesregierung strebt einen "Erblastenvertrag" mit dem Bund an. Der soll regeln, dass die Folgekosten nicht allein am Land NRW hängenbleiben.

Großes Interesse an Börsengang

Frühere Aktionäre der Chemietochter Degussa haben schon ihre Interesse an RAG-Aktien bekundet. Fast 65 Prozent der ehemaligen Degussa-Anteileigner meldeten sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung für eine bevorrechtigte Zeichnung an.

CDU und CSU hatten am Sonntagabend durchgesetzt, dass der Ausstieg aus der Steinkohleförderung zumindest im Grundsatz bereits jetzt beschlossen wird. Glos sagte, die Diskussionen liefen auf das Jahr 2018 hinaus.

Die SPD erreichte, dass der Ausstiegsbeschluss 2012 wieder überprüft wird. Dafür sind die Sozialdemokraten nach Angaben aus Verhandlungskreisen bei Lösung aller anderen Details bereit, ihre Forderung nach dem unbefristeten Erhalt eines "Sockelbergbaus" fallen zu lassen.

Streitpunkt Übergangsfinanzierung

Die verbliebenen Streitpunkte sollen am Mittwoch bei einem weiteren "Kohlegipfel" unter Glos' Leitung besprochen werden. Zu den noch offenen Punkten zählt auch die Frage, wer sich in der Übergangsphase mit welchen Summen an der Steinkohlefinanzierung beteiligt.

In den Berliner Regierungskreisen hieß es, wenn der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) glaube, er könne die Kosten "einfach auf andere Schultern abschieben", dann habe er sich getäuscht. Im vergangenen Jahr hatte der Bund zwei Milliarden und das Land Nordrhein-Westfalen 500 Millionen Euro an Subventionen an RAG ausgezahlt.

© SZ vom 30.01.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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