Nach Seehofers Vorstoß:Wer ist der Preistreiber?

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Heftige Reaktionen auf Minister Seehofers Stromspartarif: Die SPD applaudiert, die FDP befürchtet Planwirtschaft und der Energieversorger RWE schimpft auf den Staat als Preistreiber.

Der Vorschlag des Bundesverbraucherschutzministers Horst Seehofer für einen Stromspartarif stößt auf heftige Reaktionen. Seehofer will die Stromkunden in Deutschland zu mehr Energieeffizienz bringen.

(Foto: Foto: AP)

"Jeder Kunde bekommt eine bestimmte Zahl Kilowattstunden zum günstigen Basistarif", sagte Seehofer am Wochenende der Bild-Zeitung. Dieser sei unter anderem abhängig von der Zahl der Personen im Haushalt. "Wer dann mehr Energie verbraucht, soll auch deutlich mehr zahlen und wer Strom spart, wird belohnt", sagte der Minister laut Bild. Details wolle das Ministerium bis zum Jahresende vorlegen.

Ludwig Erhard würde sich "im Grab umdrehen"

Ablehnung kam von der FDP: "Wenn der Staat anfängt, Stromverbrauch und Strompreise für alle festzusetzen, ist das der Einstieg in eine Planwirtschaft, die nicht funktionieren kann", sagte Generalsekretär Dirk Niebel der Augsburger Allgemeinen. Er fügte hinzu: Ludwig Erhard würde sich "im Grab umdrehen".

Seehofers Vorschlag bedeute: "Wenn Du arm bist, musst Du mit der staatlich vorgeschriebenen Strommenge auskommen, weil jede extra Kilowattstunde saftig teuer wird", sagte Niebel. Aus Sicht der Liberalen wäre es besser und ordnungspolitisch vernünftiger, den Mehrwertsteuersatz auf Energie wie bei Lebensmitteln und anderen Grundbedürfnissen auf sieben Prozent zu senken.

Niebels Fraktionskollege Martin Zeil warf Seehofer zudem Populismus vor. Die Forderung reihe sich ein "in eine Abfolge abstruser Vorschläge von Politpopulisten vom Schlage eines (Oskar) Lafontaine", erklärte der FDP-Spitzenkandidat zur Landtagswahl in Bayern. Sie offenbarten die Nervosität und Hilflosigkeit der CSU wegen schlechter Umfragen vor der Wahl Ende September.

"Der Staat ist selbst der größte Preistreiber"

Beim Energiekonzern RWE stieß der Plan des Bundesverbraucherschutzministers auf Ablehnung. RWE-Vorstandsmitglied Ulrich Jobs sagte bild.de: "Staatliche Preisvorgaben bringen uns nicht weiter!"

Der bei RWE für das operative Geschäft zuständige Konzernmanager Jobs kritisierte die Regierung deutlich wegen der hohen Steuer- und Abgabenlast beim Strom, schloss aber Gespräche mit der Politik über die künftige Tarifgestaltung nicht völlig aus: "Herr Seehofer sollte nicht vergessen, dass der Staat selber einer der größten Preistreiber ist. Darüber wäre dann auch zu reden."

Die SPD dagegen begrüßte den Strom-Spar-Vorschlag von Seehofer. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ulrich Kelber, forderte in den Ruhr Nachrichten sogar eine rasche formelle Festlegung der Union in der Sache: "Wir können in der Koalition vor dem 28. September, dem Tag der bayerischen Landtagswahl, bereits einen Grundsatzbeschluss herbeiführen."

SPD befürchtet "Wahlkampfgag"

Es müsse aber sichergestellt werden, dass es sich bei Seehofers Vorschlag nicht um einen "Wahlkampfgag" handele. Denn einen SPD-Vorschlag zu einem Spartarif habe die Union im Frühjahr abgelehnt. Es gelte jedoch, viele Details zu beachten, warnte Kelber. So dürften keine Wettbewerbsverzerrungen stattfinden, bei denen kleinere Versorger geschädigt würden. Auch müssten Nachteile für Blockheizkraftwerke vermieden werden.

Auch der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Michael Müller (SPD), sagte der Zeitung, er sei sehr für einen Stromspartarif. Benötigt werde ein Tarif, der "durchgängig das Sparen von Strom, Energie und Heizung belohnt", wird Müller zitiert.

Verbraucher drohen höhere Preise bis Herbst

Nach Analysen von Vergleichsportalen müssen sich Gas- und Stromkunden noch vor Beginn der neuen Heizperiode auf höhere Tarife einstellen. Nach Angaben von Verivox wollen insgesamt 276 Gasversorger bis dahin mehr verlangen. Ein Durchschnittshaushalt muss dann künftig mit Mehrausgaben in Höhe von 226 Euro rechnen. Besonders hart trifft es laut Verivox Verbraucher in Schleswig-Holstein.

Hier seien Erhöhungen von bis zu 31 Prozent oder 396 Euro jährlich zu erwarten. Im Vergleich der 100 größten deutschen Städte liegt dem Verbraucherportal zufolge Duisburg mit Jahreskosten von 1604 Euro für einen Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden an der Spitze. Am günstigsten sei in dieser Übersicht Pforzheim mit 1150 Euro pro Jahr.

Stromkunden müssen nach einer Analyse, die das Vergleichsportal tarifvergleich.de für die Tageszeitung Welt erstellt hat, mit einem Plus von rund 6 Prozent oder 53 Euro pro Jahr rechnen.

© sueddeutsche.de/AP/Reuters/jkr/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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