Münchner Straßen:Maximilianstraße

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In der Maximilianstraße fühlen sich die ganz Reichen wohl. Tagsüber reichern Haute-Couture-Läden das Leben an, abends lenken Oper oder Kammerspiele ab.

Egbert Tholl

Tag für Tag formuliert sich hier die Diskrepanz zwischen Sein und Schein. Auf diesen Umstand hin war die Maximilianstraße von Anfang an angelegt. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass ihr Erbauer, König Maximilian II., eigentlich Professor werden wollte. Nun aber war er König, musste Staatsgeschäfte führen - und tat dies nach Art des Hauses Wittelsbach: Der Papa hatte unter seinem eigenen Namen einen Boulevard von der Residenz aus in den Norden legen lassen, der Sohn tat's ihm gleich, in Richtung Osten.

Die Kammerspiele: Nach jahrelanger Umbauerei ziehen Haus und Ensemble wieder Aufmerksamkeit auf sich in First-Class-Lage. (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Dabei zielte sein Ansinnen darauf, den Vater großartig zu übertrumpfen: Schon als Kronprinz wollte er auf der Isarhöhe einen Nationalbau, einen Park, einen ganzen Stadtteil errichten, großartige Kais sollten entstehen, alles ganz neu- und eigenartig werden, weshalb Maximilian auch in regem Briefkontakt mit dem Berliner Architekten-Star Schinkel stand. Doch das wäre alles recht teuer geworden, weshalb Herr Bürklein zum Zuge kam, nach dessen Plänen von 1853 bis 1857 Straße, Brücke (die zweite Münchens) und Bildungsanstalt (welche heute den Landtag beherbergt) erbaut wurden.

In jenem Stil, für dessen Beschreibung nichts anderes taugt als der Name des Bauherrn selbst: Spielerische Gotik, französische Arkaden und eine Idee von italienischer Renaissance vermengen sich zu einem frei erfundenen Amalgam.

Diese Großartigkeit des Gedankens, sich über Gattungs- und Stilgrenzen hinweg zu setzen, indem man einfach was Neues macht, ist es auch, was die Maximilianstraße von Anfang an beflügelte. Denn Bürkleins Fassaden sind eben kein Disney, sind nicht Kopien, sondern Ideen. Damit wäre man bei den Geschäften, wenn denn diese so viel Mut besäßen. Doch im Grunde treiben die Kleidungsläden nur eine Gleichmacherei voran, die die Maximilianstraße kaum unterscheidbar machte von anderen Straßen dieser Art irgendwo auf der Welt.

Doch da sind noch die Fassaden davor - und ein paar andere Dinge. Eines der schönsten davon ist leider weg. Es war die Baracke der Opernkasse, die mit ihrem wüsten Hinterland daran gemahnte, wie hinfällig das Motto der Straße, "Moneta regia" (steht am bayerischen Münzamt), werden könnte. Außerdem bildeten sich mitunter solche Schlangen, dass man an sozialistische Verhältnisse erinnert wurde. Davon ist jetzt leider nichts mehr zu spüren. Weitere Korrektive wären die Kammerspiele und überhaupt der Teil östlich des Altstadtrings, der immer vernachlässigt wird, weil man hier seine eventuell doch weiter westlich erworbenen Kleidungsstücke bestenfalls auf einer Parkbank zur Schau stellen kann.

Eines aber wird deutlich: Wohnen tut hier niemand. Angeblich gibt es 50 Wohnungen in der Maximilianstraße, von denen die Stadt manche an hochverdiente Künstler mit guten Kontakten vermittelt. Hat man diese nicht, bleiben das Hotel Vier Jahreszeiten, das Hotel Splendid am Maximiliansforum und die Oper. Folgt man Helmut Krausser in seiner Erzählung "Kuppelgeschoß", so kann man es sich hier als wohnsitzloser Statist ganz gemütlich einrichten. Und man kann an einem Ort sein, wo täglich Schein hergestellt wird.

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