Mitarbeiteraktien:Doppeltes Risiko in der Krise

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Amerikanische Bankangestellte sind meist auch Aktionäre bei ihren Arbeitgebern - jetzt ist neben dem Job auch die Altersversorgung in Gefahr.

Nikolaus Piper

Die Krise der beiden amerikanischen Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac hat in diesem Sommer die globalen Finanzmärkte erschüttert. Die beiden Institute garantieren ungefähr die Hälfte aller Hauskredite in den Vereinigten Staaten, und die Regierung in Washington sucht seit Wochen nach dem besten Weg, sie vor dem Zusammenbruch zu bewahren.

Das Hauptgebäude der US-Bank Bear Stearns in New York: Belegschaftsaktien spielen im amerikanischen Wirtschaftsleben eine viel größere Rolle als in Deutschland. (Foto: Foto: Reuters)

Arbeitsplatz und Altervorsorge weg

Die insgesamt 12.000 Mitarbeiter von Fannie und Freddie verfolgen die Nachrichten aus der Hauptstadt dabei mit besonderer Sorge. Ihnen droht nicht nur der Verlust des Arbeitsplatzes, sondern auch die Entwertung ihrer Altersvorsorge.

Wie viele Firmen in Amerika haben Fannie und Freddie nicht nur Spitzenmanager, sondern auch die breite Mehrheit ihrer Angestellten teilweise in Aktien und Aktienoptionen bezahlt. Viele Mitarbeiter haben einen erheblichen Teil ihrer Reserven für die Pensionierung in Anteilscheinen des eigenen Arbeitgebers angelegt.

Von 24 Millionen auf 3,7 Millionen Dollar entwertet

Zwar hat sich die Lage bei den Hypothekenfinanzierern in jüngster Zeit etwas entspannt, es gilt aber immer noch als möglich, dass Finanzminister Hank Paulson die Notbremse zieht und Fannie und Freddie unter staatliche Zwangsverwaltung stellt. In diesem Falle würden deren Aktien den größten Teil ihres verbliebenen Wertes verlieren.

Auch so schon sind die Einbrüche gewaltig. Derzeit liegen die Aktienkurse von Fannie und Freddie um 80 Prozent niedriger als zu Beginn dieses Jahres. Bei Fannie Mae hatten die Mitarbeiter bis Ende 2006 etwa 116 Millionen Dollar in einem Topf mit Belegschaftsaktien gesammelt, vorige Woche war dieser Topf noch ganze 17,5 Millionen Dollar wert. Bei Freddie Mac hatten die Mitarbeiter nach einem Bericht der New York Times bis Ende 2007 zu Vorzugspreisen Aktien für 24 Millionen Dollar gesammelt; diese dürften heute noch 3,7 Millionen Dollar wert sein.

Wobei die Zahlen noch nicht die ganze Dimension des Problems zeigen: Viele Angestellte haben auch über die offiziellen Programme des Arbeitgebers hinaus Geld in eigenen Aktien angelegt. Und sie haben kaum Möglichkeiten, die Wertpapiere schnell loszuwerden. Bei Fannie Mae etwa darf ein Angestellter seine Belegschaftsaktien erst verkaufen, wenn er über 55 Jahre alt ist.

Extremfall Bear Stearns

Belegschaftsaktien spielen im amerikanischen Wirtschaftsleben eine viel größere Rolle als in Deutschland. Viele Firmen gehören heute mehrheitlich ihren Angestellten. Die größte dieser Firmen ist Publix, eine Supermarkt-Kette aus Lakeland in Florida mit 142.000 Angestellten. Von der Ausgabe von Belegschaftsaktien profitieren Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

Nach einer Statistik des Nationalen Zentrums für Mitarbeiterbeteiligung (NCEO) sind Umsatz, Beschäftigung und Umsatz pro Beschäftigten in Firmen mit Belegschaftsaktien um 2,3 Prozent höher als in vergleichbaren Unternehmen, die ihre Mitarbeiter nicht beteiligen. Ende 2007 hielten 11,2 Millionen Amerikaner Belegschaftsaktien für insgesamt 928 Milliarden Dollar. Selbst bei stark schwankenden Aktienkursen profitieren die Mitarbeiter, wenn sie nur ausreichend lange investieren.

In Krisenzeiten allerdings verkehren sich die Vorteile in ihr Gegenteil. Beim Zusammenbruch der Skandalfirmen Enron und Worldcom zu Beginn dieses Jahrzehnts verloren die Mitarbeiter zwei Milliarden Dollar an Rücklagen. Der Extremfall in der heutigen Krise ist Bear Stearns. Die bis zu diesem Frühjahr fünftgrößte Investmentbank der USA gehörte zu ungefähr 30 Prozent den Angestellten.

Sie entlohnte ihre sogenannten Schlüsselangestellten unter den 14.000 Mitarbeitern regelmäßig mit Aktienoptionen. Im März kaufte die Großbank JP Morgan Chase Bear Stearns für zehn Dollar pro Aktie und kam damit einem drohenden Kollaps der Investmentbank zuvor; im Dezember 2007 war die Aktie noch 100 Dollar wert gewesen. Die Bear-Stearns-Mitarbeiter haben bei der Aktion nach Branchenschätzungen 5,2 Milliarden Dollar verloren.

Gewagte Wette

Jetzt sind bei einem Bezirksgericht in Manhattan mehrere Klagen gegen das frühere Management von Bear Stearns anhängig. Die früheren Bankchefs hätten ihre "treuhänderischen Pflichten" verletzt und die Mitarbeiter nicht auf die Risiken der Anlage in eigenen Aktien informiert. Auch die derzeit heftig um neues Kapital ringende Investmentbank Lehman Brothers gehört zu 30 Prozent den eigenen Mitarbeitern. Die Aktie hat im Laufe dieses Jahres gut 70 Prozent ihres Wertes verloren, wobei sich die Belegschaftsaktionäre mit langer Betriebszugehörigkeit allerdings damit trösten können, dass das Papier vor zehn Jahren nur halb so viel wie heute kostete.

Ein Sonderfall ist der Immobilienspekulant Sam Zell. Der ruppige Investor kaufte im vergangenen Jahr das Medienhaus Tribune in Chicago, das unter anderen die Los Angeles Times herausgibt. Dabei baute er Belegschaftsaktien als Teil des Finanzierungskonzepts ein - ein äußerst gewagter Schritt, bei dem die Mitarbeiter ihre Altersversorgung für die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes verwetteten.

© SZ vom 03.09.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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