Mini-Blockheizkraftwerk:Gutes Gewissen

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Ein Ingenieur ist seiner Zeit weit voraus: Er versorgt sechs Familien mit Strom aus Salatöl.

Dieter Thierbach

Der vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien spare fossile Energieträger und Kohlendioxid in bedeutendem Umfang ein. Bis zum Jahr 2020 soll der Heizenergiebedarf so um rund 30 Prozent gesenkt werden können. Das entspräche fast der dreifachen Einsparung, die beim gegenwärtigen Modernisierungstempo erreicht werde. Weiterhin könnten Biogas und Bioöle den Import von Erdöl und Erdgas um elf Prozent verringern.

Thermogramm machen transparent, wo die Einsparpotentiale bei Gebäude am höchsten ist. (Foto: Foto: dpa)

Das sind zentrale Aussagen einer aktuellen Studie des Bundesindustrieverbandes Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik (BDH) in Köln.

Die errechneten Energieeinsparungen beruhen auf zwei Maßnahmenpaketen. Im ersten wird das Tempo bei der energetischen Sanierung von Gebäuden verdoppelt: Derzeit werden nur bei 45 Prozent der Modernisierungen Brennwertkessel eingebaut, die den Brennstoff optimal ausnutzen.

Solarwärmeanlagen, die zusätzlich Energie sparen, werden lediglich bei acht Prozent der neuen Heizungen installiert. Wolle man die verborgenen Schätze heben, so die Studie, sollten bis 2020 nahezu alle neu eingebauten Kessel hocheffiziente Brennwertkessel sein. In 80 Prozent der Fälle sollten Solarwärmeanlagen die Brennwertkessel unterstützen.

Im zweiten Maßnahmenpaket wird der Einsatz von erneuerbaren Energien verdoppelt. Biogas könnte zehn Prozent des Erdgases ersetzen, dem herkömmlichen Heizöl könnten fünf Prozent Bioöl beigemischt werden.

Da ist Martin Bucher seiner Zeit weit voraus. Der Stuttgarter Diplom-Ingenieur betreibt im eigenen Haus ein Kraftwerk, das Gebäude samt Schwimmbad ganzjährig heizt und außerdem Strom für rund sechs Familien erzeugt.

Der Clou: Das Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk (BHKW) betreibt er mit kaltgepresstem Raps (Salatöl) von Landwirten aus der Region. Zusätzliche Wärme liefern Sonnenkollektoren auf dem Dach. Nach seinen Angaben übertrifft der Wirkungsgrad des Bio-Blockheizkraftwerks die modernste Großkraftwerkstechnik um mehr als das Doppelte.

Dass dieses Konzept nicht nur in Neubauten verwirklicht werden kann, sondern gerade auch im Gebäudebestand, beweist die Installation in dem Haus von 1968 mitten in Stuttgart. Hier ersetzt die umweltfreundliche und vor allem auch wirtschaftlich betriebene Anlage einen 55-Kilowatt-Ölheizkessel. Buchers Mini-Kraftwerk ist nicht größer als ein gewöhnlicher Heizkessel und passt in jeden Keller. Mit einem Unterschied: Der oft lästige Heizölgeruch ist verschwunden.

Das elf Kilowatt starke Pflanzenöl-BHKW und die etwa 30 Quadratmeter große Solarwärmeanlage liefern ihre Energie an einen 1000 Liter fassenden Speicher. Moderne Regelungstechnik steuert die verschiedenen Komponenten je nach Energieangebot oder -bedarf. Das Herz des BHKW, ein handelsüblicher Vier-Zylinder-Dieselmotor mit einer Modifikation für den Pflanzenölbetrieb, treibt zudem einen Stromgenerator an.

Der kaltgepresste Raps wird in dem ursprünglichen Heizöltank gelagert und per Zahnradpumpe zum BHKW befördert. Anstelle von Raps könne auch Soja- oder Sonnenblumenöl verwendet werden, sagt Bucher. Damit Raps die nahezu gleichen Eigenschaften wie Diesel oder Heizöl hat, wird es vor dem Einspritzen in den Motor auf 60 Grad Celsius vorgewärmt. "Als nachwachsender Rohstoff bindet Raps exakt die Menge an CO2 beim Wachstum, welche bei der Verbrennung frei wird. Damit ist diese Energieform CO2-neutral", erklärt Bucher, "und Raps ist völlig unbedenklich für das Grundwasser".

Seit der Installation des Blockheizkraftwerks interessieren Martin Bucher die Öl-, Gas- oder Strompreise nicht mehr: Der umweltfreundliche Strom aus dem BHKW wird ins Stromnetz eingespeist und 20 Jahre lang mit 19,3 Cent je Kilowattstunde vergütet. Diese Einnahmen senken die Betriebskosten gegenüber der alten Ölheizung um 80 Prozent.

"Die Vorteile dieses Mini-Kraftwerks sind aber nicht nur wirtschaftliche Faktoren. Da ist das unbezahlbar gute Gefühl, sich ein Schwimmbad im eigenen Haus auch moralisch leisten zu können. Wir hatten immer ein schlechtes Gewissen, wenn der große Tankzug mit dem Heizöl vorgefahren ist, um den 16 000-Liter-Erdtank zu befüllen."··

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