Milliarden-Projekt:Stuttgart will den Hauptbahnhof unter die Erde bringen

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Die Pläne für den unterirdischen Bahnhof bestehen schon lange - Jetzt soll endlich über das Riesenprojekt entschieden werden.

Bernd Dörries

Es klang alles so einfach, Mitte der neunziger Jahre. Und irgendwie schien es auch so zu sein, als sei alles fast umsonst zu haben. Die Idee war, den Stuttgarter Hauptbahnhof und seine weit verzweigten Gleisanlagen unter die Erde zu verlegen, bezahlt werden sollte das durch den Verkauf der Grundstücke, auf denen die Schienen liegen.

So soll er aussehen, der Stuttgarter Untergrund-Bahnhof. (Foto: Abb.: Peter Wels, Hamburg)

Auf den frei werdenen Grundstücken in bester Innenstadtlage sollte ein neues Quartier entstehen, mitten in einer Stadt, die durch ihre Kessellage nicht viel Platz zum Wachsen hat. Stuttgart 21 wurde das Projekt genannt, das ins 21. Jahrhundert weisen soll. Und weil es so einfach und verführerisch klang, fanden auch andere Städte daran gefallen: Es gab Pläne für München 21 und Frankfurt 21, die aber schon zeitig scheiterten.

Zwölf Jahre für die Planung

Auch in Stuttgart liegen zwölf Jahre nach den ersten konkreten Planungen die Gleise des Hauptbahnhofes noch dort, wo sie damals schon lagen. Im Turm des Hauptbahnhofes steht seit langem zwar ein Modell des unterirdischen Bahnhofes, aber es schien lange so zu sein, als würde dies niemals Realität werden.

Nun aber soll bei einem Treffen am 23. Oktober zwischen Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD), Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) und Bahnchef Hartmut Mehdorn eine Entscheidung über Stuttgart 21 fallen.

Es geht bei einem solchen Großprojekt natürlich ums Geld. Die Kosten sind mit den Jahren gestiegen und bewegen sich auf nahezu drei Milliarden Euro zu. Das sich die Untertunnelung aus den Grundstücksverkäufen refinanzieren ließe, hatte sich schon bald als frommer Wunsch herausgestellt.

Ein neuer Stadtteil auf dem alten Bahnhofsgelände

Die Stadt Stuttgart kaufte der Bahn als Vorleistung bereits Grundstücke im Wert von 450 Millionen Euro ab, weil sich wegen der unklaren Lage bisher keine privaten Investoren fanden. Auf den Grundstücken könnte vom Jahr 2016 an ein komplett neuer Stadtteil entstehen. Durch die Verlegung der Gleise unter die Erde entstünde eine Freifläche von mehr als 100 Hektar auf denen einmal etwa 24000 Menschen arbeiten und 11000 wohnen sollen.

Der bisherige Kopfbahnhof würde unter der Erde ein Durchgangsbahnhof mit acht Gleisen. Der Entwurf des Architektenbüros Ingenhoven, Overdiek und Partner sieht auf der bisherigen Gleisfläche eine Reihe von so genannten Lichtaugen vor, die auch im unterirdischen Bahnhof für Tageslicht sorgen sollen.

Ein neun Kilometer langer Tunnel würde die Bahnstrecke nach Ulm, die bisher durch das Neckartal geht, über den Stuttgarter Flughafen nach Wendlingen führen. Von dort soll dann eine Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Ulm gebaut werden, über die ebenfalls am 23. Oktober eine Richtungsentscheidung getroffen werden soll.

Städtebaulicher Coup oder überteuertes Prestigeprojekt?

Die Befürworter des Projektes heben neben den städtebaulichen Vorteilen, einem Zeitgewinn für Bahnreisende, die Anbindung des Flughafens und die Bedeutung für die europäische Eisenbahnmagistrale Paris-Bratislava (Preßburg) hervor.

Die Gegner sprechen von einem überteuerten Prestigeprojekt, dass trotz seiner Milliardenkosten nur wenige Minuten Zeitersparnis brächte. Juristisch werden sie das Vorhaben aber wohl nicht mehr stoppen können. Scheitern kann es nur noch am Geld.

Es fehlen noch 700 Millionmen Euro

Etwa 2,8 Milliarden Euro, so die derzeitigen Berechnungen, soll der Bahnhof kosten, wobei vor allem die 21 Kilometer teilweise unterirdischen Gleise ins Gewicht fallen. Die öffentliche Hand soll etwa 40 Prozent zahlen, den Rest die Bahn. Insgesamt besteht bei der Schnellstrecke nach Ulm und dem Bahnhof eine Finanzierungslücke von 700 Millionen Euro, um die in den nächsten Wochen gefeilscht werden wird.

Die Befürworter hoffen, dass allein die bisherigen Ausgaben der Bahn von mehreren hundert Millionen Euro für Probebohrungen und Planungen Bahnchef Hartmut Mehdorn bewegen werden, Stuttgart 21 zu realisieren. Ob er einen Baustart dann noch in seinem jetzigen Amt erleben würde, ist eine andere Frage. Baubeginn wäre frühestens im Jahr 2009.

© SZ vom 29.09.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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