MDax erreicht Rekordstand:Auf den Zehntausender

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Durch den Gewinnsprung von Premiere ist es dem Nebenwerte-Index erstmals gelungen, die 10.000er-Schallmauer zu durchbrechen. Und der Trend zeigt weiter nach oben.

Simone Boehringer und Thomas Öchsner

Als erster wichtiger deutscher Aktienindex hat der MDax am Donnerstag die Marke von 10.000 Punkten geknackt. Kurz nach Handelsbeginn kletterte der Mittelwerte-Index, der die 50 wertvollsten Unternehmen unterhalb des Dax enthält, zum ersten Mal auf einen fünfstelligen Kursstand und stieg bis auf 10.028 Zähler.

Auslöser des Anstiegs war ein Kurssprung von mehr als 20 Prozent bei Premiere. Der Bezahlfernsehsender hatte überraschend eine Kooperation mit dem Konkurrenten Arena mitgeteilt. Aktienanalysten halten es nun sogar für denkbar, dass der MDax bis Jahresende auf 11000 Punkte anzieht. Am Nachmittag gaben die Kurse aber wieder nach. Zum Handelsschluss notierte das Börsenbarometer bei 9957,99 Zählern. Das war ein Minus von 0,18 Prozent im Vergleich zum Vortag.

Rally fast ohne Rückschlag

Der vorübergehend erzielte Rekordwert markiert den bisherigen Höhepunkt einer langjährigen Entwicklung. Seit dem Börsencrash zur Jahrtausendwende, bei dem die Kurse ins Bodenlose purzelten und der Absturz erst Anfang 2003 zum Stillstand kam, hat der MDax in einer Rally fast ohne jeden Rückschlag 7000 Zähler zugelegt. Der große Bruder Dax, der die 30 wichtigsten Standardwerte umfasst, hat im selben Zeitraum lediglich 4000 Punkte geschafft. Der MDax war - damals noch mit 70 Mitgliedern - im Januar 1996 gestartet. Er wird bis zum 1. 1. 1988 und einem Anfangswert von 1000 Zählern zurückgerechnet.

Gründe für den Höhenflug des MDax gibt es viele: "Die bessere Wertentwicklung kleinerer und mittlerer Werte ist ein europaweites Phänomen", sagt Carsten Klude, Chefvolkswirt der Privatbank M.M. Warburg. Er begründet die Entwicklung vor allem mit der besseren Gewinnentwicklung der Firmen aus der zweiten und dritten Reihe. Auch für das laufende und das kommende Jahr rechnen Analysten im Schnitt mit einem Zuwachs der Erlöse von 24 beziehungsweise 15 Prozent.

Gute Zahlen locken

"Viele kleinere und mittlere Unternehmen haben es nach der Krise 2002 und 2003 schneller als die großen geschafft, zu restrukturieren, Schulden abzubauen und sich auf Kernkompetenzen zu konzentrieren", sagt Karl Fickel, Gründer und Chef der auf Nebenwerte spezialisierten Fondsgesellschaft Lupus Alpha. "Die nun teils deutlich besseren Bilanzkennzahlen der Firmen locken Investoren an."

Viele Großinvestoren hätten über die vergangenen Jahre die Nebenwerte europaweit als "eine eigene Anlageklasse" entdeckt, die es ihnen erlaube, ihre Geldanlagen auf mehr Branchen zu streuen, als dies im Dax oder auch in anderen Standardwerte-Indizes möglich wäre.

Auch Beteiligungsgesellschaften interessieren sich verstärkt für die Unternehmen aus der zweiten Reihe. So versuchten zwei Finanzinvestoren den Messgeräte-Hersteller Techem zu übernehmen. Außerdem sind Hedge-Fonds an vielen Nebenwerten beteiligt. Dies gilt wiederum als Signal für andere Anleger, dort einzusteigen. Denn Hedgefonds haben den Ruf, einen Riecher für unterbewertete Firmen zu haben.

Trends, die der DAX nicht mitkriegt

Als wichtiger Vorteil des Dax im Vergleich zur ersten Börsenliga gilt weiter die größere Branchenvielfalt. "Der Index profitiert von Trends, die der Dax gar nicht mitkriegt", sagte Aktienstratege Frank Schallenberger von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters. Fondsmanager Jürgen Hackenberg von Frankfurt Trust verweist etwa auf die starke Entwicklung von Immobilien- und Bauwerten.

So haben in den vergangenen drei Monaten die Aktien von IVG Immobilien und des Baukonzerns Hochtief jeweils mehr als 20 Prozent zugelegt; sie gehörten damit zu den erfolgreichsten Titeln im MDax. M.M.-Warburg-Experte Klude nennt das MDax-Schwergewicht EADS. Der Aktienkurs des Technologiekonzerns, der mit einem Anteil von sechs Prozent der wichtigste Titel im Index ist, hat in den vergangenen Monaten deutlich an Wert gewonnen.

Nach einem Gewinneinbruch 2006 im Zuge des Desasters um die verschobene Fertigstellung des Großraumflugzeuges A380 rechnen Analysten nun im Schnitt mit einer Steigerung der Erlöse um fast 280 Prozent im laufenden Jahr. "Das macht sich sehr deutlich in den Gewinnschätzungen für den Gesamtindex bemerkbar", so Klude.

Ein weiteres Argument der Experten für Anlagen in kleinere Werte ist die geplante Reform der Unternehmensteuer. Das für 2008 anvisierte Projekt soll die Steuerlast von derzeit knapp 40 unter 30 Prozent senken. "Da viele Dax-Unternehmen inzwischen einen Großteil ihrer Gewinne im Ausland erwirtschaften, wird für sie die Reform auch nicht die Relevanz haben wie für die kleineren Firmen, die ihre Gewinne nahezu ausschließlich hier zu Lande versteuern", erläutert Aktienstratege Matthias Jörss vom Bankhaus Sal. Oppenheim.

Stada als Beispiel

Ein zusätzlicher möglicher Faktor für steigende Kurse ist die Übernahmephantasie. Einige MDax-Titel wie der Generika-Hersteller Stada gelten als Kandidaten für Aufkäufer. Diese haben den Vorteil, dass sie nicht gleich 20 bis 30 Milliarden Euro hinlegen müssen, wenn sie ein Unternehmen übernehmen wollen.

Das Interesse an den Nebenwerten schlägt sich auch in den Fondsstatistiken des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) nieder. Der BVI verzeichnete per Ende 2006 ein Vermögen von 4,5 Milliarden Euro in Fonds, die in kleinere und mittlere Unternehmen weltweit investieren. 900 Millionen davon lagen in im Inland investierenden Nebenwerte-Fonds.

Das Gesamtvolumen liegt damit nur wenig unterhalb des Wertes vor dem Crash nach der Jahrtausendwende. Damals betrug das Volumen etwa fünf Milliarden Euro. Auch die Zahl der in Deutschland aufgelegten Nebenwertefonds stieg im vergangenen Jahr deutlich von 37 auf 51, sie ist damit so hoch wie noch nie.

Eine Ende des Nebenwerte-Booms wurde immer wieder vorausgesagt. Derzeit ist von solchen Prognosen aber wenig zu hören. Fidel Helmer, Aktienhändler bei Hauck & Aufhäuser, hält einen Rückschlag in diesem Jahr für sehr wahrscheinlich, wenn Unternehmen in nächsten Zeit vorsichtigere Gewinnprognosen abgeben sollten. Bis zum Jahresende rechnet er aber wieder mit Höchstständen. Auch Aktienstratege Schallenberger von der LBBW bleibt optimistisch: ,,Das Gewinnwachstum der Unternehmen ist nach wie vor gesund.''

Lupus-Alpha-Chef Fickel setzt insbesondere auf die große Zahl der Weltmarktführer unter den Firmen der zweiten und dritten Reihe. "Viele Unternehmen beherrschen eine Nische und sind damit weniger anfällig für Konjunkturschwächen als andere."

© SZ vom 09.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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